Glinde. Am 24. September wird ein neuer Verwaltungs-Chef gewählt. Die drei Bewerber beantworteten im Bürgerhaus die Fragen der Bürger.

Rund zweihundert Glinder wollten hören, was die drei Bewerber für das Bürgermeisteramt zu sagen hatten. Fast drei Stunden diskutierten Amtsinhaber Rainhard Zug und seine beiden Mitbewerber, der SPD-Kandidat Frank Lauterbach und Jan Schwartz (Grüne), mit ihnen über Probleme und Chancen in der Stadt. Sie verteilten dabei nur wenige Spitzen an die Mitbewerber und waren in vielem ähnlicher Meinung. In Sachen Nachverdichtung betonten alle drei, wie wichtig sozialer Wohnungsbau für die Stadt sei. „Da passt zwischen uns kein Blatt Papier“, sagte Rainhard Zug.

Die Fragen und Antworten:

„Sie wollen Bürger mehr beteiligen, aber vergessen die Jugendbeteiligung zur Schulfusion. Das ist ein Widerspruch“


Frank Lauterbach:
„Wir haben Nachholbedarf bei der Bürgerbeteiligung.“ Die späte Jugendbeteiligung sei ein Fehler gewesen, aber das Ergebnis sei in die Beratung eingeflossen.
Jan Schwartz: „Ich halte Herrn Zug für einen exzellenten Verwaltungsfachmann, aber ihm fehlt der Kontakt zu den Menschen. Man muss solche Themen angehen in dem man die Menschen früh genug mitnimmt.“
Rainhard Zug: „Man kann nicht alle Probleme bei der Verwaltung abladen, es gibt auch eine Informationspflicht der Parteien. Wir haben unheimlich viele Ausschüsse und Infoveranstaltungen, trotzdem fühlen sich viele Menschen nicht informiert.“ Er will das Problem mit einer Glinde-App lösen, die Wichtiges auf das Smartphone sendet.

„Was tun Sie, um die Staus in Richtung Hamburg und die Infrastruktur in Glinde zu verbessern? Glinde hat an Lebensqualität verloren: Es gibt keine Parkplätze und lange Wartezeiten beim Arzt. Wieviele Baugebiete wollen Sie noch ausweisen?“

Zug: „Die Ärzteversorgung ist Sache der kassenärztlichen Vereinigung, der Verkehr indes genau unser Thema.“ Gemeinsam mit den Nachbarkommunen habe er die Kreise Stormarn und Lauenburg dazu bewegt, ein Raum-Verkehrskonzept von Bergedorf bis Wandsbek zu finanzieren. Die Stadt prüfe auch die Übernahme der Verkehrsaufsicht. Im Dezember werde das Land zudem erlauben, die Straßenausbaubeitragssatzungen aufzuheben. Dafür komme ein steuerfinanziertes System. Zug sagte, er glaube nicht, dass das bereitgestellte Geld dann für die Sanierung der Straßen ausreiche. Deshalb seien mittelfristig höhere Grundsteuern wahrscheinlich. Dass die Stadt vor seiner Amtszeit entschieden habe, um 3000 Neubürger zu wachsen, sei richtig gewesen. Auch heute sei Glinde als Wohnort sehr attraktiv. Derzeit gebe es nur noch zwei mögliche Bauflächen hinter dem Sportplatz und an der Sönke-Nissen-Allee in Richtung Golfplatz. Die Stadt werde daher nur noch geringfügig wachsen und die politisch festgelegte Obergrenze von 20.000 Einwohnern nicht erreichen.
Lauterbach :„Wachstum nicht um jeden Preis.“ Hinter dem Sportplatz werde ohne Rechtssicherheit über die Umweltverträglichkeit nicht gebaut. Den ÖPNV und die Attraktivität der Innenstadt wolle er verbessern.
Schwartz: „Durch die Neubaugebiete hat sich Glinde auch verjüngt, das Wachstum ist für mich aber jetzt beendet. Wir sind zu einem großen Teil selbst schuld, wir sind alle hierhergezogen, weil wir in der Nähe von Hamburg leben wollen.“ Schwartz will mit den Nachbarkommunen ein Radwegekonzept entwickeln und das Pendeln zwischen Glinde und Hamburg auch per ÖPNV verbessern.

„Was tun Sie für mehr Grün in der Stadt, damit Glinde dem Namen ,junge Stadt im Grünen’ auch gerecht wird?“

Schwartz: „Die grünen Lungen von Glinde werde ich nicht antasten.“ Der Grüne bekannte sich aber zum Bauprojekt am Gleisdreieck: „Wir haben uns entschlossen, den Wald zu roden, um erschwingliche Wohnungen zu bauen.“
Lauterbach: „Genauso intensiv, wie wir uns mit Wohnungsbau befassen, müssen wir schauen, wo wir ökologische Nischen schaffen oder erhalten.“
Zug: „Ich glaube, dass wir die junge Stadt im Grünen sind.“ Die Fläche am Gleisdreieck werde dreifach ausgeglichen, etwa durch Aufforstungen am Papendieker Redder.

Viele Zuhörer wünschten sich mehr Sauberkeit, weniger Unkraut und mehr Polizeipräsenz.

Zug: „Wir wollen ein Konzept erarbeiten, wie wir die Stadt von Müll und Wildwuchs befreien.“ Er habe dafür Unternehmen als Sponsoren gewonnen, die Stadt brauche aber auch mehr Personal. Die Polizei sei dagegen Landessache. Die Regierung habe den Kommunen mehr Polizisten versprochen. Wenn Glinde einen Beamten mehr erhielte, wäre das schon ein Erfolg.
Schwartz:„Wenn wir diese Stadt voranbringen wollen, dann gehört nicht nur die Aufgabe des städtischen Reinemachens dazu, sondern dann müssen wir alle mit anpacken.“ Er werde das „Sicherheitsgefühl der Bürger ganz hoch ansiedeln“.
Lauterbach: „Wir alle machen den Dreck.“ Er will mehr Papierkörbe aufstellen und mehr Polizei auf der Straße sehen. Er versprach, sich für mehr als nur einen zusätzlichen Beamten stark zu machen.

Rund 200 Bürger füllten den Raum, einigen mussten stehen Barbara Moszczynski Barbara Moszczynski „Im Rathaus gibt es kaum Frauen in Führungspositionen und Jan Schwartz sucht auf seinen Prospekten nur Mitmacher – keine Mitmacherinnen?“

Schwartz: „Das hat schlicht nicht hingepasst, die Gleichberechtigung im Rathaus ist aber eine wichtige Aufgabe.
Zug: „Unter den Top-Vier-Positionen im Rathaus gibt es eine Frau, eine weitere hat auf ein Angebot verzichtet. Unterhalb der Führungsebene hat die Verwaltung 50 Prozent Frauenanteil.“
Lauterbach: „Frauen in Führungspositionen sind eine Selbstverständlichkeit.“ Er arbeite sehr gern mit Frauen zusammen.

„Was tun Sie gegen häusliche Gewalt?“

Alle drei bekannten sich als Unterstützter des Projektes „StoP“, das häusliche Gewalt mit Hilfe von Polizei und Beratungsstellen langfristig abbauen will. „Wir sind konkret mit der Sönke-Nissen-Park-Stiftung im Gespräch, wie das umzusetzen ist“, sagte Zug.

„Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die wachsende Zahl pflegebedürftiger Glinder vor Ort Beratung bekommt?“

Lauterbach: „Da rennen sie bei uns offene Türen ein.“ Er kämpfe als Mitglied des Kreissozialausschusses dafür, dass es neben dem Pflegestützpunkt in Bad Oldesloe auch einen vor Ort gebe.
Schwartz: „Ein Pflegestützpunkt im Süden ist unbedingt nötig“.
Zug: „In der Pflegeberatung braucht es kurze Wege.“ Er kritisierte, dass der Kreis den Kommunen für solche Aufgaben kein Geld zur Verfügung stelle.

„Wie finden Flüchtlinge mit Bleiberecht, besonders größere Familien, eine Wohnung?“

Schwartz: „Ich würde das mit zu meiner Hauptaufgabe machen.“
Lauterbach: „Ich möchte das Problem – nicht nur für Flüchtlinge – durch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft lösen. Wir müssen mit anderen Kommunen zusammenarbeiten und keine Kirchturmpolitik betreiben.“
Zug: „Die Nachbarkommunen haben sich bereits verpflichtet, bei jeden Projekt 30 Prozent sozialen Wohnraum zu schaffen. Auch das Land stellt viel Geld zur Verfügung, aber es fehlen Flächen.“

„Das Beachvolleyballfeld wird abgerissen, der Sportplatz am Oher Weg eingezäunt, der Baubeginn des Jugendzentrums in der Jever Deel verzögert sich: Was tun Sie als Bürgermeister, damit unsere Jugendlichen in Glinde einen Platz finden, an dem sie auch willkommen sind?“

Zug: „Wir suchen einen Platz für das Beachvolleyballfeld und das Jugendzentrum wird dieses Jahr gebaut.“ Die Stadt mache mit drei Jugendzentren, einer Skateranlage und dem Spielmobil viel für Kinder und Jugendliche. Der Sportplatz sei eingezäunt worden, um öffentliches Eigentum vor Müll und Glasscherben zu schützen.
Lauterbach: „Kinder und Jugendliche werden überall weggejagt, wir müssen raus aus dieser Denkschleife.“ Er könne sich vorstellen, dass die Jugend ihren Bewegungsdrang auch auf dem Marktplatz auslebe.
Schwartz: „Wir regulieren zu viel, es muss nicht überall ein Zaun stehen.“ Ihm liege am Herzen, „dass Jugendliche in Glinde einen Raum bekommen.“

„Wie stehen Sie zur Schulfusion?“

„Ich bin für die Fusion“, betonten Lauterbach und Schwartz übereinstimmend. „Und 17 Millionen Euro sind nicht die Kosten der Fusion, das ist einfach nicht wahr“, sagte der grüne Kandidat. Auch Rainhard Zug hält die Fusion für richtig, aber erst ab 2020. Vorher sei das personell nicht zu schaffen.

„Wir suchen Erzieher, kriegen aber keine. Wie wollen Sie den öffentlichen Dienst attraktiver machen?“

Jan Schwartz will mit Teamarbeit Energien freisetzen, Frank Lauterbach die Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich machen. Rainhard Zug sagte: „Den Kampf um die besten Köpfe können wir mit unseren finanziellen Mitteln nicht gewinnen, wir müssen verstärkt ausbilden.“

„Sie sind beide am Ende ihres Berufslebens, wir haben einen jungen, knackigen Bürgermeister, was treibt Sie? Stimmt es, dass die Stadt rund eine Million Euro für die Alterssicherung eines Kandidaten aus der freien Wirtschaft zahlen muss?“

Zug: „Die Zahl ist korrekt.“
Schwartz: „Die Altersregelung ist eine Barriere für Kandidaten aus der freien Wirtschaft und wird 2019 aufgehoben.“ Sollte der Betrag seine bereits erworbenen Rentenansprüche übersteigen, werde er die Differenz spenden. Er sei überdies noch lange nicht am Ende seines Berufslebens und ihn treibe politisches Engagement seit seiner Jugend an.
Lauterbach: „Ich bin zwar nicht so jung und knackig, wie der Amtsinhaber, aber seit vielen Jahren politisch engagiert. Meine Motivation, für die Stadt etwas zu tun, besteht schon lange.“