Ahrensburg. Parteien wollen Zahl neuer Wohneinheiten reduzieren. Daraus ergibt sich ein Defizit von 400 und ein Verstoß gegen Vorgaben des Landes.
Er ist ein umfangreiches Werk, der Ahrensburger Flächennutzungsplan. Wohngebiete, Grünflächen und Gewerbegebiete sind darin unter anderem dargestellt. Doch ebenso umfangreich wie er ist, so vertrackt gestaltet sich der Versuch von Ahrensburgs Politik und Verwaltung, einen neuen Plan anstelle des bislang gültigen zu beschließen. Letzterer ist aus dem Jahr 1974 und veraltet. Doch der Beschluss zu einem neuen Plan wird wohl noch einige Zeit dauern. Und noch einige Diskussionen zwischen Ahrensburgs Politikern sowie zwischen diesen und der Stadtverwaltung mit Bürgermeister Michael Sarach erfordern.
Neue Zahlen sehen weniger Wohneinheiten vor
Das wurde einmal mehr bei der jüngsten Sitzung des Ahrensburger Bauausschusses deutlich, in der Sarach mit Worten wie „Armutszeugnis“ und „Blamage“ auf Wortbeiträge der Ausschussmitglieder reagierte. Auf der Tagesordnung stand die „Analyse und Aussprache über die zusammengestellten Wohnbaupotenziale in Ahrensburg, speziell im Süden“. Es ging um die im Flächennutzungsplan vorzusehenden sogenannten Wohnbaupotenzialflächen. Diese sind Flächen, auf denen grundsätzlich in der Zukunft Wohnraum gebaut werden kann. Vorausgesetzt, in einem weiteren Schritt noch zu beschließende Bebauungspläne erlauben dies endgültig.
Das von Ahrensburgs Bauverwaltung beauftragte Planungsbüro präsentierte auf der Sitzung neue Berechnungen zu den Potenzialflächen und vorgesehenen Wohneinheiten. Sie sind die Grundlage für den neuen Flächennutzungsplan, den die Stadtverordneten beschließen müssten. Demnach sehen die Planer einen Bedarf von nunmehr 1497 Wohneinheiten im Zeitraum bis 2030 in Ahrensburg. Demgegenüber haben sie nur ein Potenzial von 1097 Einheiten für den Zeitraum ausgewiesen. Das macht ein Defizit von 400 Wohneinheiten.
Nur noch 170 Einheiten am Spechtweg, 130 am Starweg
Die neuen Zahlen ergeben sich, weil die Planer einerseits den bisherigen Planungszeitraum auf 2015 bis 2030 verschoben haben (bislang 2010 bis 2025), um den neuen Plan aktuell und zukunftsfähig zu halten. Andererseits haben sie den Einwendungen und Protesten aus dem Ahrensburger Süden sowie den Wünschen der Politik Rechnung getragen und die Wohnbaupotenzialflächen im Süden reduziert. So sind dort nur noch 418 Wohneinheiten vorgesehen, etwa am Spechtweg statt 425 nur noch 170 und am Starweg 130 statt 325.
Doch das dadurch errechnete Defizit von 400 Wohneinheiten in einem neuen Flächenplan sorgt für Zündstoff. Und wirft erneut die Frage auf nach den Grenzen des Wachstums von Ahrensburg – bei Einwohnerzahl (derzeit rund 34.000), Wohngebieten, Verkehr und nicht zuletzt der Infrastruktur wie Straßen , Schulen und Kitas.
Die Stadtplaner empfehlen, von der Politik bereist ausgeschlossene Potenzialflächen westlich von Großhansdorf, am Stormarnplatz sowie in Erlenhof-Nord erneut in Betracht zu ziehen. Doch dagegen gibt es Widerspruch. „Diese Flächen haben keine politische Mehrheit, das ist allen im Bauausschuss klar“, sagte der FDP-Stadtverordnete Thomas Bellizzi. Er brachte stattdessen die Idee ins Spiel, einen Flächennutzungsplan zu beschließen, der den vorhergesagten Wohnraumbedarf nicht völlig deckt und das Defizit von 400 Wohneinheiten enthält. Dafür erhielt er Zustimmung von Grünen und WAB.
Kiel hat angemahnt, dass Ahrensburg mehr Wohnraum braucht
„Ideal wäre, wenn neue Wohnbauflächen in den Plan aufgenommen werden, aber das ist derzeit nicht realistisch“, sagt Bellizzi auf Abendblatt-Nachfrage. So bevorzuge er die bessere von zwei schlechten Alternativen. „Ein Flächennutzungsplan mit einem Defizit bei den Wohneinheiten wäre immer noch besser als gar kein neuer Plan.“
Im Bauausschuss gab es gegen Bellizzis Idee heftigen Widerspruch von der SPD und von Bürgermeister Sarach. „Ein Flächennutzungsplan, der nicht ausreichend Wohnraum ausweist, wäre ein Armutszeugnis für Ahrensburg“, sagte Sarach. Und er fügte hinzu: „Wenn es beim alten Plan bleibt, ist das eine Blamage nach den sechsjährigen Beratungen.“ So habe das Land bereits angemahnt, dass zu wenige Wohnbauflächen vorgesehen seien, der neue Flächennutzungsplan könne nicht geltendes Recht verletzen. Michael Sarach bezog sich damit auf rechtliche Vorgaben des Landes, dass Ahrensburg als Mittelzentrum ausreichend Wohnraum bereitstellen müsse. Ahrensburgs Bauamtsleiter Peter Kania sagt, dass ein defizitärer Flächennutzungsplan nichtig sei, da er unter anderem gegen die Ziele der Raumordnung und das Baugesetzbuch verstößt. Hat das möglicherweise Folgen für die Stadt? Hat Kiel Sanktionsmöglichkeiten gegen Ahrensburg? Ja, das Innenministerium könnte die Genehmigung des Plans verweigern. Dazu sagt Thomas Bellizzi: „Darüber sollte erst einmal eine Stellungnahme des Innenministeriums eingeholt werden.“
Für Ahrensburgs Lokalpolitiker stellen sich nun mehrere Fragen: Soll ein neuer Flächennutzungsplan mit einem vorhergesagten Fehlbedarf von 400 Wohneinheiten beschlossen werden? Mit dem Risiko, dass er rechtlich keinen Bestand hat? Oder traut man sich, bereits abgelehnte Wohnbauflächen doch im Plan aufzunehmen? Weist man ganz neue Flächen für Wohnraum aus? Oder werden die Wohneinheiten im Süden trotz der Proteste der Bürger wieder erhöht?
Diese Fragen werden wohl bei der letzten Sitzung des Gremiums vor der Sommerpause am 19. Juli kontrovers diskutiert. Dann soll der Flächennutzungsplan wieder Thema sein.