Ahrensburg. Hunderte neue Häuser sind den Anwohnern zu viel. Mehr als 200 Bürger bei Fragestunde im Kirchsaal Hagen. Eine emotionale Diskussion.
Dicht an dicht sitzen die Anwohner im voll besetzten Kirchsaal Hagen. Auch auf dem Gang und im Vorraum lauschen die Menschen aufmerksam, als sich Bürgermeister Michael Sarach und Bauamtsleiter Peter Kania den Fragen der Ahrensburger zur Zukunft ihres Quartiers stellen. Die Plätze sind schon vor Beginn allesamt belegt. Es ist schwülwarm, die Luft ist schwer. Wie das Thema, das seit 2011 in der Stadt heiß diskutiert wird. Es geht um Baupläne im Waldgut Hagen, der Siedlung Am Hagen und in Ahrensfelde.
Bürgermeister will Neubauten auf die Stadt verteilen
Eines der Hauptanliegen der Bürger ist, eine Bebauung mit knapp 1000 Wohneinheiten zu verhindern, wie sie laut Entwurf zum neuen Flächennutzungsplan möglich wäre. Außerdem fordern sie ein Konzept, wie mit der Verkehrsbelastung im Süden der Stadt umzugehen ist. Diskutieren wollen die Bürger „in Frieden“, wie Jürgen Siemers vom Bürger- und Grundeigentümerverein Waldgut Hagen (BGV) sagt, der den Abend organisiert hat.
Schon im März hatte der Verein Flugblätter verteilt, mehr als 200 Einwohner der südlichen Quartiere dazu motiviert, die sonst eher spärlich besuchte Stadtverordnetenversammlung zu besuchen. Ein Abend mit einer Diskussion, die auch Bürgermeister Sarach als „lebhaft, aber fair“ in Erinnerung ist, wie er sagt. Gleich zu Beginn der Fragerunde im Kirchsaal ist es ihm wichtig klarzustellen, dass „wir als Verwaltung den Stadtverordneten lediglich Potenziale aufzeigen“. Es sei an der Politik zu entscheiden, wo und wie viel gebaut werden soll.
Verkehrszählung aus 2009 war schlechte Grundlage
Wie berichtet, hatte sich die Politik inzwischen zu einer Halbierung der Wohneinheiten entschieden. Gleichwohl sei die Stadt als Mittelzentrum in der Pflicht, Wohnungen und Infrastruktur für Neubürger zu schaffen. Sarach: „Nur zwischen Pinneberg und Elmshorn ist der Bevölkerungsdruck in Schleswig-Holstein genau so groß wie bei uns.“ In den nächsten 15 Jahren gebe es Bedarf für bis zu 2000 Wohneinheiten. Einige Bürger kritisieren Sarach, fragen: „Sind Ihnen externe Interessen wichtiger als die ihrer Bürger?“ Es gibt kräftigen Applaus.
Der pensionierte Hamburger Verkehrsplaner Eckehard Knoll weist darauf hin, dass sowohl das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) von 2010 als auch der Masterplan Verkehr von 2012 veraltet sind. Sarach: „Solche Pläne sind außerordentlich komplex und haben eine Laufzeit von zehn bis 15 Jahren.“ Diese müssten teilweise aktualisiert werden. Bauamtsleiter Peter Kania sagt, die Daten der Verkehrszählung aus dem Rezessionsjahr 2009 seien eine schlechte Grundlage gewesen. Dann bezieht er sich auf eine aktuelle Zählung von Knoll, die zeige, dass das Verkehrsaufkommen höher als damals prognostiziert sei, sich aber gleichmäßig erhöht habe.
Anwohner fordern Transparenz über die Kosten
Einige Anwohner halten eine Südtangente deshalb für zwingend erforderlich, um dem gestiegenen Verkehrsaufkommen vom Braunen Hirsch bis zur Dorfstraße in Ahrensfelde Rechnung zu tragen. Sarach räumt der Umfahrung im naturgeschützten und archäologisch wertvollen Tunneltal geringe Chancen ein, sagt: „Aus diesem Grund bin ich für ein Realisierungskonzept. Aber das Ergebnis muss dann von allen Seiten akzeptiert werden.“
Emotional wird die Debatte, als es um den Spechtweg geht. Anwohner fordern Transparenz über die Kosten, sorgen sich, dass bei den aktuellen Bauarbeiten der angrenzende Knick beschädigt und die ausgebaute Straße anschließend Ausweichstrecke für den Braunen Hirsch werden könne. Peter Kania sagt, die Stadt gehe behutsam mit der Natur um. Die Kosten stünden erst nach Abschluss der Sanierung fest.
Veranstaltung endet nach 21.30 Uhr
Burgweg-Anwohner plädieren für eine Erhaltungssatzung. So, wie sie etwa für das Villengebiet um die Parkallee gilt. Kania entgegnet: „Das ist wegen der jetzt schon sehr unterschiedlichen Bebauung schwierig.“ Er verspricht, Vorschriften bei Neubauten künftig restriktiver auszulegen, als dies seine Vorgänger taten. Verwaltungschef Sarach kommt auf das Hauptthema zurück, sagt: „Im Süden so dicht zu planen, war vielleicht mein Versuch, anderenorts gestrichene Flächen gegenüber der Politik wieder in die Diskussion zu bringen.“ Neubauflächen müssten gleichmäßig auf die Stadt verteilt werden. Das sei ihm wichtig. Jetzt bekommt auch er kräftigen Applaus.
Es ist schon nach 21.30 Uhr, als Anlieger Peter Bruchmann das Wort ergreift, Sarach und Kania am Ende des Abends mit den Worten kritisiert: „Sie haben sich gut verteidigt. Aber das Interesse am Erhalt unseres Quartiers haben Sie verkannt. Sie machen sich zum Vertreter von Leuten, die hier noch gar nicht wohnen.“