Stapelfeld. Für das erste länderübergreifende Gewerbegebiet von Hamburg und Schleswig-Holstein fordert Stapelfeld vierspurigen Ausbau der L 222.
In 2018 erwartet Detlev Hinselmann Baurecht. Gebäude könnten dann nach der Erschließung ab 2019 hochgezogen werden, sagt der Geschäftsführer der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS). In Stapelfeld genauso wie in Hamburg-Rahlstedt. Denn dort soll das erste länderübergreifende Gewerbegebiet zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein entstehen. Ob das Pilotprojekt auf Stormarner Boden verwirklicht wird, darüber entscheid die Stapelfelder Kommunalpolitiker. Sie fürchten durch mehr Betriebe allerdings zu viel Verkehr im Ort und haben zwei Kernforderungen aufgestellt, von deren Berücksichtigung ihre Zustimmung abhängt. Dass es Veränderungen geben muss, bestätigt jetzt auch ein Verkehrsgutachten.
„Nur ist eine wesentliche Forderung von uns darin nicht aufgeführt, nämlich der vierspurige Ausbau der Landesstraße 222 auf unserem Gemeindegebiet“, sagt Bürgermeister Jürgen Westphal von der Wählergemeinschaft Stapelfeld (WGS). Diesen hatten die Politiker bereits im März 2016 in einem offenen Brief an die Landesregierung in Kiel vorgeschlagen. „Damit die Ortsdurchfahrt Stapelfeld nicht als Alternative genutzt wird“, heißt es in dem Schreiben. Darauf sei aber nicht eingegangen worden, ärgert sich Westphal. Darüber sei man in der 1700-Einwohner-Kommune enttäuscht.
Die Begeisterung der Stapelfelder hält sich in Grenzen
„Die müssen sich jetzt bewegen“, findet die WGS-Fraktionsvorsitzende Cornelia Winkler und fordert damit die neue Landesregierung zum Handeln auf. Sie wundere sich, weshalb Hamburg die Straße auf ihrem Gebiet vierspurig bis zur Landesgrenze ausbaue und von Seiten Schleswig-Holsteins nichts passiere. „Wir sind eine wohlhabende Gemeinde, benötigen zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen nicht um jeden Preis“, sagt Winkler im Gespräch mit dem Abendblatt. Dem stimmt auch SPD-Fraktionschef Klaus Fechner zu. Über das Projekt sagt er salomonisch: „Unsere Begeisterung hält sich in Grenzen.“ Das interkommunale Gewerbegebiet soll im Anschluss an das dort bereits bestehende mit dem Namen Merkurpark in Rahlstedt entstehen. Es hat eine Fläche von 39 Hektar, 27 davon in Hamburg und zwölf in Stormarn.
Die Fläche südlich der Stapelfelder Straße in Hamburg soll Victoriapark heißen, der Bereich in Stapelfeld Minervapark. Dieser erstreckt sich auch auf das Gebiet der Hansestadt und verläuft südlich der Sieker Landstraße/Landesstraße 222. Laut Detlev Hinselmann, dessen WAS sich für die Erschließung im Kreisgebiet zuständig zeichnet, ist ein Branchenmix aus Gewerbe und Dienstleistungen vorgesehen. Er sagt: „Einzelhandel und Logistik wird es dort nicht geben.“ Interessenten gebe es bereits. Auf Stormarner Seite könnten fünf, aber auch 15 Unternehmen ansässig werden. „Das hängt davon ab, wie viel Fläche die Firmen benötigen.“
In Spitzenzeiten drohen Probleme mit dem Verkehr
Stormarns oberster Strippenzieher in Sachen Gewerbeansiedlung kennt das Verkehrsgutachten. Dessen dringendste Botschaft beschreibt er mit diesen Worten: „Der Verkehr führt in Spitzenzeiten zu Problemen.“ Das sei aber keine unlösbare Aufgabe. Hinselmann sagt: „Für Stapelfeld ist das Thema genauso wie das Entwicklungskonzept für den Grünzug Große Heide essenziell.“ WGS-Fraktionschefin Winkler lobt vor allem Hinselmanns Einsatz für das Projekt: „Die Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft ist sehr emsig.“
Um das Gebiet zu erschließen, soll auf Hamburger Terrain zwischen Sieker Landstraße und Stapelfelder Straße eine zweistreifige Straße inklusive Kreisverkehr entstehen. Die Gutachter haben Knotenpunkte untersucht und kommen zum Schluss, dass an der Autobahnanschlussstelle Stapelfeld „bauliche Maßnahmen zur Abwicklung der prognostizierten Verkehrsbelastungen notwendig sind“. Unter anderem schlagen sie vor, den zweistreifigen Ausbau in Richtung Hamburg an der Westrampe zu untersuchen. Alternativ bringen sie Kreisverkehre an der Alten Landstraße an der West- und Ostrampe ins Spiel.
Unabhängig vom neuen Gewerbegebiet rechnen die Experten mit einer Zunahme des Verkehrs bis 2015 um zehn Prozent. Sie empfehlen einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Um Schleichverkehr durch Stapelfeld zu vermeiden, haben die Gutachter ein ganzes Bündel an Vorschlägen präsentiert: zum Beispiel Tempo 30 im Ort, eine Fahrbahnverschwenkung, eine einseitige Fahrbahneinengung oder auch ein Durchfahrverbot für Lastwagen. „Neben dem vierspurigen Ausbau der Landesstraße wollen wir auch, dass auf der Kreisstraße 107 verkehrsberuhigende Maßnahmen ergriffen werden“, sagt Jürgen Westphal. Wie genau die aussehen sollen, darauf will sich der ehrenamtliche Bürgermeister nicht festlegen. Er verrät nur so viel: „Jetzt geht es ans Eingemachte, wir werden unsere Anforderungen in Kürze präzise formulieren.“
Hamburg wertet das Projekt als „gelebte Zusammenarbeit“
Auf der jüngsten Sitzung hat die Gemeindevertretung entschieden, über das Verkehrsgutachten weiter im Bau- und Umweltausschuss zu beraten. Dass Stapelfeld von seinen Forderungen nicht ablässt, darin sind sich alle Parteien einig. Für den sogenannten Bebauungsplan Nummer 16, der die Gewerbegebietsausweisung beinhaltet, gibt es noch keinen Aufstellungsbeschluss. Ein solcher existiert nur für die Änderung des Flächennutzungsplanes. Dieser ist nicht bindend, sondern lediglich eine Art Absichtserklärung.
Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) lobte das Projekt als „gelebte Zusammenarbeit“ zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein und als bislang einmalig in Norddeutschland. Ob es am Leben gehalten wird, entscheiden aber erst einmal die Kommunalpolitiker in Stapelfeld.