Glinde. Konjunkturumfrage des Verbandes VSW. Jeder zweiten Firma geht es besser als im Jahr 2016. Fachkräftemangel verhindert mehr Wachstum.

Beim Ahrensburger Ketchuphersteller Hela läuft nicht nur die Gewürzsoße wie geschmiert in die Tuben. Michael Voigt, einer von vier Geschäftsführern und für die Bereiche Finanzen und Controlling zuständig, spricht bei Umsatz und Mitarbeiterzahl von „einem organischen Wachstum zwischen zwei und drei Prozent in diesem Jahr“. Damit liegt das Unternehmen voll im Trend. Das bestätigt eine Umfrage des VSW (Verband und Serviceorganisation der Wirtschaftsregionen Holstein und Hamburg). Demnach setzt sich der konjunkturelle Aufwärtstrend in Stormarn auch 2017 fort. Allerdings wird vielerorts über Fachkräftemangel geklagt.

Der Wirtschaftsverband mit Sitz in Glinde hatte seine 358 Mitgliedsunternehmen gebeten, die aktuelle Situation zu beschreiben. Von ihnen sind 167 in Stormarn ansässig, 67 im Kreis Herzogtum Lauenburg, 20 im übrigen Schleswig-Holstein, 47 in Hamburg – der Rest verteilt sich auf das gesamte Bundesgebiet. Laut VSW weichen die Bewertungen in den jeweiligen Regionen nicht voneinander ab.

85 Prozent der Befragten sind mit der Auftragslage zufrieden

Oliver Franke (v.l.), Nicole Marquardsen und Michael Voigt vom Verband und Serviceorganisation der Wirtschaftsregion Holstein und Hamburg
Oliver Franke (v.l.), Nicole Marquardsen und Michael Voigt vom Verband und Serviceorganisation der Wirtschaftsregion Holstein und Hamburg © HA | René Soukup

„Wir haben eine stabile und gut laufende Konjunktur, wachsen hier über dem Bundesdurchschnitt“, sagt Voigt, der auch Vorsitzender des Wirtschaftsverbandes ist. Knapp 50 Prozent der befragten Unternehmen bezeichnen ihre gegenwärtige wirtschaftliche Situation im Vergleich zum Vorjahr als besser, 36 Prozent als gleichbleibend. 85 Prozent geben an, dass ihre Auftragslage gegenüber dem ersten Halbjahr 2016 größer oder zumindest genauso gut ist. 94 Prozent der Unternehmen erwarten bis Dezember keine negative Entwicklung oder sogar steigende Aufträge. „Und das trotz Trump, Brexit und dem Ukraine-Konflikt“, so Voigt.

Firmen, die mit Russland Geschäfte machten, seien davon zwar nicht unberührt. Sie hätten sich aber auf andere Märkte umgestellt. Der VSW-Chef sagt: „Wir haben die German Angst überwunden.“ Positiv stimmen auch weitere Zahlen, die aus der Befragung hervorgehen: Rund 27 Prozent der Mitglieder werden die Investitionen gegenüber dem vergangenen Jahr steigern, 52 Prozent das Volumen identisch halten. Und in den zurückliegenden sechs Monaten haben 43 Prozent mehr Personal eingestellt. Vor genau einem Jahr gaben das nur 33 Prozent an. Fast jede dritte Firma will in den kommenden sechs Monaten weitere Jobs schaffen.

Fachkräftemangel macht vielen Unternehmen zu schaffen

Also alles paletti? Nicht ganz. Denn das Wachstum könnte noch größer sein. „Der Fachkräftemangel hat sich verstärkt und wird immer mehr zur Wachstumsbremse. 70 Prozent der Unternehmen sehen das als zentrales Problem“, sagt Oliver Franke, stellvertretender VSW-Vorsitzender.

Auch bei Hela mit seinen 380 Mitarbeitern am Standort Ahrensburg ist dieser Zustand Gesprächsthema in der Chefetage. „Wir setzen auch Headhunter für die Personalgewinnung ein, leider oft erfolglos“, sagt Voigt. Derzeit seien 15 Stellen unbesetzt. Die Firma probiere in der Produktion Leiharbeiter aus, die eine Chance auf Festanstellung hätten. „Und wir bilden für den eigenen Bedarf aus, stellen pro Jahr bis zu zwölf Auszubildende ein“, ergänzt der 62-Jährige. Voigt ist auch Aufsichtsratmitglied bei der Baugenossenschaft Neue Lübecker und kennt die Auswirkungen des Fachkräftemangels in der Baubranche daher gut: „Bei Großprojekten mit 200 Wohnungen hatten sich früher ein halbes Dutzend Firmen als Partner beworben, inzwischen stehen sie nicht mehr zur Verfügung.“ Deshalb würden die Aufträge jetzt kleinteiliger vergeben.

Der VSW-Chef möchte junge Spanier nach Stormarn holen

Um dem Fachkräftemangel in allen Bereichen Herr zu werden, schlägt Voigt unter anderem vor, arbeitslose Jugendliche aus Spanien oder Griechenland für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. „Und wir brauchen ein geordnetes Zuwanderungsgesetz“, sagt der VSW-Vorsitzende. Vorbild sei dabei Kanada, so Voigt.

Wollen Unternehmer neue Mitarbeiter gewinnen und die Belegschaft zufriedenstellen und damit auch halten, müssen sie inzwischen mehr bieten als ein gutes Gehalt. Denn bei vielen Arbeitnehmern ist Work-Life-Balance ein zentraler Faktor für die Bindung an eine Firma. Dazu sagt VSW-Geschäftsführerin Nicole Marquardsen: „Viele Unternehmen bieten zwischenzeitlich zusätzlich steuerfreie oder steuerbegünstigte Sachbezüge, Kinderbetreuungsmöglichkeiten und familienfreundliche Teilzeitmodelle.“