Bad Oldesloe. Stadtverordneter Aygün Caglar (CDU): Türkisch-islamische Gemeinde fürchtet sich vor Radikalisierung junger Flüchtlinge.
Die islamische Gemeinde in Stormarns Kreisstadt hat Angst vor Menschenfängern aus der Salafisten-Szene. Auch Teile der Lokalpolitik von Bad Oldesloe sind besorgt. Bereits vor Jahren hatten radikale Islamisten versucht, Gemeindemitglieder für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Das, so die Befürchtung, könnte sich jetzt wiederholen.
Die türkisch-islamische Gemeinde existiert in Bad Oldesloe seit mehr als 30 Jahren, gilt als gemäßigt und bemüht sich um einen kulturellen Austausch. Die Mitgliederzahl wächst rasant. Die Moschee ist erster Anlaufpunkt für viele der muslimischen Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren der Kreisstadt zugewiesen wurden. Seitdem leistet die Gemeinde Integrationsarbeit, scheint aber zunehmend von der großen Anzahl von Neuankömmlingen überfordert. Ohne verlässliche Jugend- und Aufklärungsarbeit – so die Sorge – könnten Jugendliche und Heranwachsende Opfer extremistischer Anwerber aus Hamburg werden.
Bundesweit ist die Zahl der Salafisten innerhalb weniger Monate von 9700 auf 10.000 angestiegen. In Schleswig-Holstein werden aktuell 390 Personen dem salafistischen Spektrum zugeordnet. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Ende des Jahres 2016 um 20 Personen erhöht. Die Schwerpunkte der salafistischen Szene in Schleswig-Holstein sind die Bereiche Kiel, Lübeck, Neumünster – und der Hamburger Rand.
Genaue Zahlen für Stormarn werden nicht verraten
Wie groß die Szene im Kreis Stormarn ist, darüber schweigt das Land: „Eine konkrete Zahl für einzelne Kreise kann aus operativen Gründen nicht mitgeteilt werden“, sagt Patrick Tiede, Sprecher des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten, auf Abendblatt-Nachfrage.
In Hamburg ist die Zahl der Salafisten allein in den vergangenen Monaten von 670 auf 730 angestiegen. Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz spricht von 70 Personen, die aus der Hansestadt in Richtung der Dschihad-Gebiete in Syrien und Nordirak ausgereist sind, von denen ein Drittel bereits zurückgekehrt ist. Die Zahl der Gefährder wird vom Landeskriminalamt (LKA) erhoben und bewegt sich bezogen auf das Land Schleswig-Holstein im unteren zweistelligen Bereich.
Politiker berichtet von Anwerbeversuchen
Der Oldesloer Stadtverordnete Aygün Caglar (CDU) hat schlimme Befürchtungen, erinnert sich an eine Situation von vor drei Jahren: „Wir haben früher viele Salafisten gehabt“, sagt der Politiker, der Mitglied der türkisch-islamischen Gemeinde ist. Die seien eines Tages in der Moschee aufgetaucht. Es folgten ein paar unruhige Wochen. „Die haben uns beschimpft und als Ungläubige bezeichnet, meinten wir würden die Moschee entweihen, weil wir uns für einen kulturellen Austausch einsetzen“, so Caglar. Es kam so weit, dass die Gemeinde vor der Moschee Wachen postierte, die die Salafisten verscheuchte.
Es habe sich um eine arabische Gruppe gehandelt. Auch Konvertiten seien dabei gewesen. „Zwei von ihnen sind irgendwann nach Syrien gegangen“, sagt der Lokalpolitiker. Sie sind nie zurück gekommen. Dann war es lange Zeit ruhig. Doch jetzt haben viele Gemeindemitglieder die Befürchtung, dass durch den großen Ansturm das gleiche passiert, wie damals.
Auch in Ahrensburg und Reinbek/Glinde gibt es islamische Kulturvereine
Der Kulturverein hat derzeit 200 Mitglieder, 50 davon sind Jugendliche. Auch in Ahrensburg gibt es eine Moschee, die wie in Bad Oldesloe unter dem Dachverband Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) organisiert ist. Laut dem Vorsitzenden Ibrahim Taskin hat der Kulturverein rund 100 Mitglieder und vertritt alle muslimischen Nationen. Viele Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Pakistan kämen zum Beten hierher. Auch in der Islamischen Gemeinde Reinbek-Glinde kommen etwa 100 Muslime zu den Freitagsgebeten.
In Bad Oldesloe wurde der Gebetsraum vor einen Jahr um etwa 15 Quadratmeter erweitert. Seit Ankunft der vielen Flüchtlinge reicht dort der Platz nicht mehr aus. Auch für andere Vereinsaktivitäten wird es eng. Einen Antrag auf finanzielle Unterstützung eines neuen Gebäudes für die Jugendarbeit auf dem Moschee-Gelände hat der Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss generell abgelehnt (wir berichteten).
Doch die Schilderungen des türkischstämmigen Stadtverordneten sorgten auch unter anderen Lokalpolitikern für Unbehagen. „Da müssen wir schon überlegen, wie wir tätig werden können“, sagt Hajo Krage (SPD) und brachte die Schaffung neuer Beratungsangebote ins Gespräch.
Bürgermeister denkt über Demokratie-Training nach
„Bei radikalisierten Heranwachsenden hört die Zuständigkeit der Kommune auf und da wird der Zugang schwierig“, sagt Bad Oldesloes Bürgermeister Jörg Lembke. „Da reden wir dann wohl eher über Strafverfolgung als über Prävention.“ Bei konkreten Fällen werde er das Kommissariat 5 in Lübeck verständigen, das bei politisch motivierten Straftaten ermittelt. Dennoch sei er bereits im Kontakt mit einem Fördermittelgeber für ein sogenanntes Demokratie-Training. Das ist ein Präventionsangebot, das Jugendliche für die Gefahren durch radikale Islamisten sensibilisieren könnte.
Ohne Hilfe wird die islamische Gemeinde eine mögliche Gefahr durch radikale Islamisten wohl nicht abwenden können. „Die Gemeinde fühlt sich allein gelassen“, sagt Aygün Caglar und warnt: „Dass sich einige der Jugendlichen radikalisieren werden, davon bin ich derzeit hundertprozentig überzeugt.“