Bad Oldesloe. Der Kreis nimmt Abstand von Gründung einer eigenen Gesellschaft und strebt ein Bündnis mit Unternehmen sowie Kommunen an.
Es ist die B-Variante, die jedoch die größten Erfolgschancen hat: Demnächst wird der Kreis einen runden Tisch mit den Kommunen und Unternehmen aus der Wohnungswirtschaft initiieren. Ziel ist ein Pakt, um mehr bezahlbaren Wohnraum in Stormarn zu schaffen. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Pläne verwirklichen lassen. Denn diejenigen, die Projekte finanzieren sollen, sind von der Idee angetan: immerhin acht Firmen mit regionalem Bezug. Das Thema Gründung einer kreisweiten Wohnungsbaugesellschaft wird hingegen ad acta gelegt.
„Wie das Kind nachher heißt, ist vollkommen egal“, sagt Kreispräsident Hans-Werner Harmuth. Wichtig sei, dass sozialer Wohnungsbau entstehe. Denn es müssen mehr Einheiten gebaut werden als bisher. Laut Prognosen von Experten fehlen in Stormarn bis 2030 mindestens 15.000 neue Wohnungen, vor allem auch solche im unteren Preissegment.
Die drei größten Städte machen nicht mit
Deshalb hatten Kreispolitiker eine eigene Wohnungsbaugesellschaft ins Spiel gebracht. Es gründete sich eine Arbeitsgruppe mit Landrat Henning Görtz. Ein Geschäftsmodell für diese Variante wurde zwar nicht entwickelt, wohl aber trafen sich die Entscheidungsträger unter anderem mit Geldinstituten, um abzuklopfen, ob eine Zusammenarbeit möglich ist. Die Sparkasse Holstein zeigte Interesse. Konkret wurde es im vergangenen Dezember. Die Kreisverwaltung schickte einen Fragenkatalog an die 55 Städte und Gemeinden. Im Kern ging es darum, ob sich die Kommunen an einer kreisweiten Gesellschaft beteiligen.
Mit Ahrensburg, Reinbek und Bad Oldesloe machen die drei größten Städte im Kreis nicht mit – und sind nicht die einzigen Kommunen. „Die Mehrheit sieht zwar die Notwendigkeit von sozialem Wohnungsbau, allerdings auf einem anderen Weg als mit einer eigenen Gesellschaft“, so Görtz. Stormarns SPD-Fraktionschef Reinhard Mendel sagte dem Abendblatt, es sehe so aus, „dass sie nicht realisierbar ist“. Noch deutlicher wird Wolfgang Gerstand (CDU) aus Bad Oldesloe, Vorsitzender der Arbeitsgruppe: „Auch die Politiker wollen inzwischen keine Gesellschaft mehr, weil das finanzielle Risiko zu groß ist.“
80 Prozent der Kommunen müssen einsteigen
Die ablehnende Haltung vieler Kommunen ist nicht unbegründet. Auf Sicht benötigt die Gesellschaft rund 1000 Wohnungen, damit sie wirtschaftlich bestehen kann. Es müsste also viel investiert werden, weil sie bei Null startet. Außerdem braucht es einen Verwaltungsapparat, das bindet Ressourcen. Zudem sehen sich Gemeinden und Städte nicht in der Lage, eigene Grundstücke einzubringen, weil sie schlichtweg über keine passenden verfügen. Und für den Kauf von Flächen aus Privatbesitz fehlt vielerorts das Geld. Ein weiteres Hindernis: Einheiten im vierstelligen Bereich können nicht auf einen Schlag verwirklicht werden. Das ist ein Prozess über mehrere Jahre. „Wenn man anfängt, will jeder der erste sein“, sagt Reinhard Mendel. Das allerdings birgt die Gefahr, dass es zu Unstimmigkeiten kommt, weil jene Kommunen, die in die Warteschleife geschickt werden, sich benachteiligt fühlen könnten.
Laut Kreispräsident Harmuth müssen 80 Prozent der Kommunen bei der Gesellschaft mitmachen. „Sonst können wir unsere Bemühungen wieder einstellen“, sagte er vor Monaten. Beim nächsten Treffen der Arbeitsgruppe im April werden die Entscheidungsträger das Projekt für beendet erklären und den Alternativplan forcieren.
Baugenossenschaft will in Stormarn investieren
An Interessenten für den Pakt mangelt es nicht. Im vergangenen Jahr sprach Christoph Kostka vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) bei der Arbeitsgruppe vor und präsentierte ein Angebot. Das beinhaltete die Bereitschaft von Firmen, sich in Stormarn zu engagieren. „Es sind acht Unternehmen, die die lokalen Gegebenheiten kennen und für eine langfristige Partnerschaft zur Verfügung stehen“, sagt Kostka. An gutem Willen fehle es nirgendwo.
Das Engagement im Kreis möchte unter anderem die Baugenossenschaft Neue Lübecker intensivieren. „Stormarn ist ein sehr guter Partner“, sagt Vorstand Marcel Sonntag. Er sei immer auf der Suche nach Flächen und spreche viel mit Bürgermeistern. Derzeit baut die Genossenschaft das Reeshoop-Viertel in Ahrensburg über mehrere Jahre um und investiert rund 125 Millionen Euro.
Glinde plant Baustart für zwei Projekte in 2017
Am runden Tisch will auch die Firma Semmelhaack teilnehmen. Das Wohnungsunternehmen mit Sitz in Elmshorn hat schon vielerorts in Stormarn gebaut. „Wir würden auch 30 Einheiten mit einem öffentlich geförderten Anteil von bis zu 50 Prozent errichten“, sagt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung. Bei der Finanzierung der Sozialwohnungen können die Unternehmen auf ein Förderprogramm des Landes zurückgreifen. „Wir bekommen ein zinsfreies Darlehen über 20 Jahre, zahlen nur eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 0,5 Prozent. Im Gegenzug besteht Mietpreisbindung von bis zu 35 Jahren“, so Thede. Dadurch haben die Mieter Planungssicherheit. Sie zahlen pro Quadratmeter 5,80 Euro Kaltmiete beim ersten Förderweg und sieben Euro beim zweiten.
Glindes Bürgermeister Rainhard Zug begrüßt das Interesse der Wohnungswirtschaft, sagt aber auch: „Wir brauchen Bestandshalter, die weit über 30 Jahre an den Sozialwohnungen festhalten, weil wir nicht immer wieder neue Grundstücke zur Verfügung stellen können. Die Flächen sind einfach begrenzt.“ Das gelte für den gesamten Hamburger Rand.
Ende 2015 waren 2060 Sozialwohnungen registriert
Im Kreis Stormarn mit seinen 240.000 Einwohnern waren Ende 2015 rund 2060 Sozialwohnungen registriert. Im nur etwas bevölkerungsstärkeren Nachbarkreis Segeberg (270.000 Einwohner) waren es mit gut 5400 fast dreimal so viele. Keine Sozialwohnungen wurden in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014 in Stormarn neu bewilligt. 2015 waren es genau 30 Einheiten. Inzwischen sind mehrere Projekte in Planung, zum Beispiel auf dem Areal Altes Gleisdreieck und am Holstenkamp in Glinde mit einem anvisierten Baustart in diesem Jahr.