Hoisdorf. Zweijähriger in Hoisdorf ertrunken: Noch ist offen, ob es zur Anklage wegen fahrlässiger Tötung kommt. Ermittlungen laufen noch.
Die Ermittlungen zum im Juli in einem See am Hoisdorfer Jugendheim ertrunkenen Zweijährigen sind auch nach vier Monaten noch nicht abgeschlossen. „Das ist ein sehr komplexer Fall“, sagt Ulla Hingst, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck. Deshalb sei noch nicht abzusehen, ob es zu einem Prozess wegen fahrlässiger Tötung komme oder am Ende der Untersuchung eine Einstufung als tragischer Unglücksfall stehe.
Der kleine Junge aus Hamburg war am ersten Tag einer Kindergartenfreizeit im Jugendheim Lichtensee unbemerkt verschwunden und erst nach mehrstündiger Suche leblos im Uferbereich gefunden worden. Ein Notarzt konnte nichts mehr machen. Die von der Staatsanwaltschaft angeordnete Obduktion ergab keine Hinweise auf Fremdeinwirkung.
Übergang zum Wasser soll nicht gut zu sehen gewesen sein
„Zunächst geht es darum zu klären, welche Vorschriften eigentlich genau für ein solches Areal bestehen“, sagt Ulla Hingst. Dabei ist auch die Frage der sogenannten Verkehrssicherungspflicht zu klären. „Zum anderen geht es darum, wer zu welchem Zeitpunkt welche Sorgfaltspflicht hatte.“ Um das alles detailliert zu erläutern, seien auch viele Befragungen aller Beteiligten nötig. Sieben Betreuer hatten die 19 Kinder begleitet. Hinzu komme das Recht, die Aussage zu verweigern, falls man sich selbst belasten könnte. Wegen all dieser Schwierigkeiten scheint es wahrscheinlich, dass die Behörde erst im nächsten Jahr über eine mögliche Anklage entscheidet.
An jenem verhängnisvollen Montag Mitte Juli dieses Jahres war die Gruppe mit den Kindern im Alter von einem bis sieben Jahren sowie den sieben Betreuern gegen Mittag in Hoisdorf angekommen. Am Nachmittag spielten die Mädchen und Jungen auf dem Rasen, der zum See führt. Der Übergang zum Wasser soll nicht gut zu erkennen gewesen sein, da das Ufer laut Zeugen mit sogenanntem Entenflott bedeckt war. Die Erzieher wählten dann nach Auskunft der Polizei um 17.39 Uhr den Notruf, weil sie den Zweijährigen vermissten und eine eigene Suche ergebnislos verlaufen war.
Das Jugendheim Lichtensee gehört evangelischer Kirche
Weil auch die Beamten den kleinen Jungen nicht fanden, alarmierten sie um 18.18 Uhr Feuerwehren und die Suchhundestaffel des Kreises. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) rückte mit einem Boot an. Mehr als 60 Helfer durchkämmten das Gelände, fanden den Jungen aber erst gegen 20.10 Uhr. Ein Notarzt versuchte vergeblich, das Kind wiederzubeleben. Ein Kriseninterventionsteam kümmerte sich um die am Abend in Hoisdorf eingetroffenen Eltern sowie Betreuer und Kinder. Viele Beteiligte standen unter Schock. Die Ausfahrt wurde sofort abgebrochen.
Das Jugendheim Lichtensee am Moorweg in Hoisdorf gehört dem evangelischen Kirchenkreis Hamburg-Ost. Seit Jahrzehnten sind dort vor allem Jugend- und Konfirmandengruppen zu Gast, aber auch Schulklassen und Kindergartengruppen. Vor dem 60-Betten-Haus können die Besucher auf einer großen Wiese sitzen und spielen. Der Rasen führt zum See mit Badestelle. Der Kirchenkreis verwies nach dem tragischen Unglück darauf, dass man der Sicherungspflicht nachgekommen sei. Das Gelände werde regelmäßig von Fachabteilungen überprüft. Der Zugang zum Badesee sei extra mit Sand aufgeschüttet worden, um ihn besonders flach und damit sicherer zu gestalten. Und der rückwärtige Teil des Sees sei zusätzlich mit einem Gatter abgesperrt worden.
Im Vorjahr sei die Herberge gut ausgelastet gewesen. 85 Gruppen waren zu Gast, insgesamt wurden 7400 Übernachtungen gezählt. Die 60 Schlafplätze verteilen sich auf Zimmer mit zwei bis sechs Betten. Es gibt auch fünf Arbeitsräume, einen 113 Quadratmeter großen Tagungs- und einen Speisesaal. Die Übernachtung mit Vollpension kostet für Gruppen des Kirchenkreises 27 Euro je Person und für alle anderen 30 Euro.