Bad Oldesloe. An acht Standorten in Stormarn gibt es DaZ-Klassen. Schulen benötigen weitere Planstellen, um Anforderung gerecht werden zu können.

Rama braucht noch einen Dolmetscher, um Fragen auf Deutsch zu beantworten. Doch sie habe bereits Freundschaft mit einem deutschen Mädchen geschlossen, sagt sie. Seit einem Monat besucht die elfjährige Syrerin die Oldesloer Stadtschule, um im dortigen DaZ-Zentrum Deutsch zu lernen. Der 17-jährige Bassam wartet noch auf einen DaZ-Platz. DaZ steht für Deutsch als Zweitsprache. An acht Standorten im Kreis haben Grund- und weiterführende Schulen mittlerweile solche Klassen eingerichtet.

Das Angebot gibt es bereits an den Grundschulen Am Schloss in Ahrensburg, der Stadtschule in Bad Oldesloe, Tannenweg in Glinde und Mühlenredder in Reinbek sowie an den Gemeinschaftsschulen Theodor-Storm-Schule in Bad Oldesloe, Am Heimgarten in Ahrensburg, der Sönke-Nissen-Schule in Glinde und in Reinbek. Noch in diesem Monat kommen zu den vorhandenen DaZ-Außenstellen in Trittau, Bargteheide und Reinfeld die Johannes-Gutenberg-Schule in Bargteheide und die Grundschule Barsbüttel hinzu.

Zahl der DaZ-Lehrstellen auf 408 erhöht

Der Bedarf ist groß, die Herausforderungen sind es angesichts der hohen Zahl an Flüchtlingen ebenfalls. Rama lebt seit drei Monaten in Bargteheide. Dort ist sie eine von 76 Kindern und Jugendlichen, die mit ihren Eltern aus ihrer Heimat flohen und hier Asyl suchen. Jeden Dienstagnachmittag besuchen Rama und Bassam das Sprachcafé an der Carl-Orff-Schule, wo Ehrenamtliche ihren Müttern Deutsch beibringen. Auch für Bassam ist das bislang die einzige Lernmöglichkeit. Im Januar kamen 214 Flüchtlinge nach Stormarn, darunter auch wieder Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter. Für den Schulbesuch brauchen sie Deutschkenntnisse. Im DaZ-Zentrum werden sie zunächst in Hauptfächern wie Deutsch und Mathematik unterrichtet. DaZ-Zentren gibt es als System zur Sprachförderung schon seit mehr als zehn Jahren im Kreis, doch durch die Flüchtlinge erfahren sie immensen Zulauf. Zum 1. Februar hat das schleswig-holsteinische Bildungsministerium deshalb die Zahl der im DaZ-Bereich eingesetzten Lehrerstellen um 50 auf landesweit 408 erhöht.

Fluchtpunkt Stormarn (hinten v. l.): Majed, 13, Niklas und Bassam, beide sind 17, Rama,11. Vorn v. l.: Akram,6, Shirin,5 und Lora, 3
Fluchtpunkt Stormarn (hinten v. l.): Majed, 13, Niklas und Bassam, beide sind 17, Rama,11. Vorn v. l.: Akram,6, Shirin,5 und Lora, 3 © HA | Petra Sonntag

„Die DaZ-Klassen an den weiterführenden Schulen in Bad Oldesloe sind sehr voll“, sagt Stormarns Schulrat Michael Rebling. „Auch der Bedarf in Bargteheide ist enorm gewachsen. Und in Reinfeld haben wir bislang nur eine Außenstelle für Grundschüler.“ Die Situation im Kreis ändere sich vierteljährlich, der Bedarf sei steigend. Im Dezember 2015 waren 200 DaZ-Schüler an den Grundschulen, 200 weitere an den weiterführenden Schulen. Die Basiskurse, die sie absolvieren, dauern durchschnittlich ein Jahr,. Zwar schult das Land seit 20 Jahren Lehrer für den DaZ-Unterricht, so dass an jeder Schule im Kreis Lehrer mit entsprechender Qualifikation arbeiten. Doch die Bandbreite der Bedürfnisse hat sich durch die Flüchtlingsschüler enorm vergrößert. „Vom zwölfjährigen Analphabeten bis zum regulären Erstklässler ist alles vertreten“, sagt Rebling. Die DaZ-Schüler sind in Lerngruppen zusammengefasst: Erst- und Zweitklässler, Dritt- und Viertklässler, Fünft- bis Siebtklässler sowie Acht- bis Zehntklässler. „Manche müssen erst an schulisches Lernen herangeführt werden. Einige beherrschen nur die arabische Schrift, kennen unser Alphabet noch nicht.“

Lehrer werden fortgebildet, um Traumatisierungen zu erkennen

Viele DaZ-Schüler stammen derzeit aus dem arabischen Sprachraum, sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, dem Iran, aber auch vom Balkan, aus Armenien und Albanien sowie aus EU-Ländern wie Polen. Mit den Flüchtlingen halten neue Herausforderungen Einzug an den DaZ-Zentren. „Teilweise sind die Kinder und Jugendlichen nicht sozialisiert durch das manchmal lange Leben auf der Flucht und in Lagern. Es sind auch traumatisierte Kinder dabei“, sagt Schulrat Michael Rebling. Die Lehrer würden fortgebildet, um eine Traumatisierung zu erkennen. Therapeutische Hilfe können sie indes nicht leisten. Wichtig sei auch die interkulturelle Kompetenz der Lehrer. Für manche Schüler und Eltern sei es zum Beispiel befremdlich, dass Mädchen und Jungen gemeinsam in einem Klassenraum unterrichtet werden. Der Kulturenmix in den Klassen bringt zudem ethnische Konflikte mit sich: „Manche Gesten oder Worte, die für den einen völlig harmlos sind, können für den anderen eine totale Beleidigung sein“, sagt Schulrätin Kirsten Blohm-Leu. Kulturell bedingte Fallstricke in der Kommunikation sind Sascha Plaumann, Leiter der Sönke-Nissen-Schule in Glinde, dessen DaZ-Zentrum derzeit 74 Schüler besuchen, ebenso vertraut wie das Problem der Sprachlosigkeit. „Wir haben hier Schüler zwischen zehn und 16 Jahren aus 15 Ländern“, sagt Plaumann. „Wenn Afghanen und Syrer in Streit geraten, fehlt ihnen das Mittel der Sprache, um den Streit beizulegen.“ Dennoch seien Gewaltvorfälle selten, berichtet der Schulleiter. „Wir leisten viel Prävention und erhalten dafür auch Unterstützung durch die Schulsozialarbeiter.“

Viele Flüchtlingskinder benötigen bald einen regulären Schulplatz

Plaumann und seine zwölf Kollegen am DaZ-Zentrum sind geschult, um die Folgen von Flucht und Vertreibung bei den Schülern zu erkennen. „Wir gehen vorsichtig mit den Kindern um. Bei einer Feueralarmübung, die eigentlich für alle überraschend sein soll, warne ich zum Beispiel vorher das DaZ-Zentrum vor, damit das Sirenengeheul traumatisierte Kinder nicht triggert.“ Bei den älteren Schülern steht Plaumann vor einer weiteren Herausforderung: „Wenn ein 15-Jähriger zu uns kommt, haben wir größte Schwierigkeiten, ihm die Sprache so zu vermitteln, dass er danach noch eine Regelschule besuchen kann. Wir allgemeinbildenden Schulen sind damit ein Stück weit überfordert und brauchen die Unterstützung von berufsbildenden Schulen.“ Er habe viele ältere Schüler, sein Einzugsgebiet reicht von Trittau über Barsbüttel bis nach Oststeinbek. Plaumanns Fazit: „Wir benötigen weitere Wege im Bildungssystem.“

Im Sommer wird die elfjährige Rama aus Bargteheide wie viele andere vielleicht ihren Basiskursus abschließen und einen regulären Schulplatz benötigen. Schon jetzt klagen Eltern vereinzelt, sie würden ihr Kind nicht an der Schule ihrer Wahl unterbringen können. Droht ab Sommer 2016 ein Kapazitätsproblem an den Schulen im Kreis? Schulrat Michael Rebling wiegelt ab: „Da die Kinder, die DaZ-Basiskurse besuchen und im Sommer in die Regelklassen wechseln, in den meisten Fällen bereits statistisch erfasst sind, werden sie bei der Zuteilung für das nächste Schuljahr durch das Ministerium berücksichtigt.

Für die vermutlich weiter steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen in den DaZ-Basiskursen und für die weitere Betreuung der Kinder, die die Basiskurse verlassen werden, wurden und werden uns weitere Planstellen zur Verfügung gestellt.“