Reinbek. Reinbeker lehnen Flüchtlingswohnung ab. Bei Diskussionsveranstaltung zwischen Einwohnern und Verwaltung kocht die Stimmung hoch.

Als Reinbeks Bürgermeister Björn Warmer dazu aufforderte, einen kühlen Kopf zu bewahren, hatte die Diskussion gerade erst begonnen. Der Appell des Verwaltungschefs blieb erfolglos – die Stimmung im Saal der Begegnungsstätte Neuschönningstedt kochte immer wieder hoch. Rund 200 Bürger hatten sich dort eingefunden, um über den Wohnungsbau für Flüchtlinge auf einem Bolzplatz südlich der Emil-Nolde-Straße zu sprechen. Ihre Ansichten dazu waren schnell klar: „Wir wollen unseren Bolzplatz auf keinen Fall hergeben“, sagten mehrere Reinbeker und ernteten dafür lauten Applaus.

Auf dem Areal, um das es geht, sind Häuser mit Platz für insgesamt 190 Flüchtlinge möglich. „Das wäre wirklich die maximale Auslastung“, sagte Warmer. Bevor die Stadt mit konkreteren Planungen beginnen will, erhofft sie sich einen breiten Konsens mit der Bevölkerung. Bereits vergangene Woche hatte es im Reinbeker Rathaus eine ähnliche Veranstaltung gegeben, die den Stadtteil Schönningstedt betraf. Dort sprachen sich die Bürger für eine Obergrenze von 80 Flüchtlingen auf einer städtischen Fläche hinter dem Kindergarten aus (wir berichteten).

Bürger fordern einen Acker im Holzvogtland als Alternative

Doch in Neuschönningstedt, so schien es, war keiner der Einwohner zu solch einem Kompromiss bereit. „Das ist ein für Kinder und Jugendliche extrem attraktiver Spielplatz, der in die Natur eingewachsen ist“, sagt etwa Bernd Imhof, 55. Ähnliche Plätze in der Umgebung, die Warmer den Bürgern auf einer Karte zeigte, kämen daher auch nicht als Ersatz infrage. „Die sind viel zu weit weg, dort möchte man sein Kind nicht allein hingehen lassen.“ Auch der Reinbeker Thorsten Klinker, 47, besuchte die Veranstaltung. Er sagt: „Wir wollen diese Fläche vor allem deswegen nicht hergeben, weil es für den Bau von Flüchtlingswohnungen genügend Alternativen gibt.“

Alternativen, wie zum Beispiel das acht Hektar große Holzvogtland, das in der Vergangenheit oft Gegenstand politischer Diskussionen war und auch am Montagabend immer wieder von den Bürgern thematisiert wurde. Laut Sven Noetzel, dem Reinbeker Amtsleiter für Stadtentwicklung und Umwelt, ist das Gebiet allerdings nicht für Flüchtlingswohnungen geeignet. „Rein rechtlich könnte man dort nur kurzfristig Unterkünfte hinstellen, weil es da keine Flächen innerhalb eines Siedlungsbereiches gibt“, sagt er. Ohne diese Voraussetzung müsse man die Gebäude nach drei Jahren wieder abreißen.

Für einige der Kommunalpolitiker ist dieser Lösungsvorschlag aber ohnehin viel zu simpel. „Es ist nicht fair, immer nur zu sagen, ,nicht bei uns, aber woanders gern’“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Volker Müller und spricht damit das an, was auch Bürgervorsteher Ernst Dieter Lohmann (CDU) während der Diskussionsveranstaltung deutlich machte. Müller: „Man sollte nicht immer die Haustür des Nachbarn benutzen.“ Dass die Bürger sich für die Erhaltung des Bolzplatzes einsetzen, könne er aber nachvollziehen. „Trotzdem ist die Chance auf eine vernünftige Lösung vertan worden.“ Grünen-Fraktionschef Günther Herder-Alpen sieht das ähnlich: „Meiner Meinung nach ging es nicht mehr nur um den Erhalt der Spielfläche, sondern auch darum, keine Flüchtlinge da haben zu wollen.“

Viele Vorschläge seitens der Verwaltung quittierten die Bürger mit Buhrufen. Auch der Vorschlag des Bürgermeisters, einen neuen Bolzplatz zu errichten, fand keinen Anklang bei den Reinbekern. „Bei der Diskussionsveranstaltung in der vergangenen Woche haben sich die Bürger verantwortungsvoller verhalten“, sagte Herder-Alpen.

Der Bürgermeister zieht nächste Woche mit der Politik eine Bilanz des Abends

Heinrich Dierking, Fraktionschef der Wählergemeinschaft Forum 21, stehe hingegen hinter den Aussagen der Bürger. „Es sind einige Äußerungen gefallen, die ich lieber nicht gehört hätte. Aber ich finde auch, dass Wohnungen für Flüchtlinge nicht auf Grün- und Spielflächen errichtet werden sollten“, sagt er. Daher könne er sich ohnehin nicht erklären, warum die Verwaltung überhaupt mit der Fläche an der Emil-Nolde-Straße plant. „Es kann auch niemand behaupten, dass der Stadtteil bisher kaum Flüchtlinge aufgenommen hat“, sagt Dierking. So seien bereits viele von ihnen in Mobilheimen an der Hans-Geiger-Straße und der Eggerskoppel untergekommen.

Für 2016 stellt sich die Stadt auf bis zu 400 weitere Hilfesuchende ein. Ob einige von ihnen in Gebäuden auf dem Neuschönningstedter Bolzplatz unterkommen, steht noch nicht fest. „Ich treffe mich Anfang nächster Woche mit der Politik, um über die Erkenntnisse der Veranstaltung zu reden“, sagt Bürgermeister Warmer gegenüber dem Abendblatt. „Ob und wo gebaut wird, entscheiden letztendlich aber immer die Stadtverordneten.“