Großhansdorf . Wir treffen Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Der Großhansdorfer Hans-Martin Weiß, Firmengründer und Greenpeace-Aufsichtsrat.
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ – dieser Satz von Erich Kästner könnte genauso gut auch von Hans-Martin Weiß stammen. Taten sind es, die für den Großhansdorfer Unternehmer zählen. Vor allem beim Thema Klimaschutz: Beruflich investiert der 58-Jährige in innovative Start-Up-Unternehmen, die bahnbrechende Ideen im Bereich erneuerbare Energien realisieren. Ehrenamtlich sitzt Weiß im Aufsichtsrat von Greenpeace Deutschland.
Doch wird er auf seine Arbeit für die Umweltorganisation angesprochen, wird der smarte, sympathische Mann fast ein wenig einsilbig. „Man sollte das tun, was man kann. Ich finde ehrenamtliche Arbeit einfach wichtig. Und ich kann damit etwas zurückgeben“, sagt er bescheiden – und wirkt, als sei ihm das Thema tatsächlich ein wenig unangenehm. Aufsichtsrat bei Greenpeace wird man nicht, weil man es unbedingt will. Sondern weil man dafür empfohlen wird. Es sei eine Ehre für ihn, sagt Weiß.
Schon in den 2000er-Jahren veröffentlichte Greenpeace Studien zur Solarindustrie
Und dann erzählt er doch ein wenig: Die Organisation habe ihn schon sehr früh berührt und fasziniert. Angefangen hatte alles 1980: Greenpeace startete seine erste Aktion und protestierte gegen die Verklappung von Dünnsäure in die Nordsee. Zehn Jahre später wurde diese verboten. Weiß: „Wenn Sie Segler sind und eine Faszination für das Meer haben, dann wollen Sie das auch schützen und nicht, dass eine verpestete Kloake daraus wird.“ Er sei froh, dass es eine Organisation wie Greenpeace gebe, die sich um solche Probleme kümmere.
Zudem habe Greenpeace in den 2000er-Jahren einige Studien zur Solarindustrie veröffentlicht, die Weiß gut für seine Arbeit brauchen konnte. „Die Studien haben mich sehr beeindruckt. Weil sie sehr präzise und scharf in ihrer Aussage waren.“ Zu der Zeit arbeitete der Großhansdorfer als Geschäftsführer für die Holding eines „sehr reichen Privatinvestors“, wie Weiß es formuliert – also für eine Beteiligungsgesellschaft, die nicht selbst etwas produziert, sondern deren Zweck allein darin besteht, sich an anderen Unternehmen finanziell zu beteiligen oder Unternehmen zu gründen.
Deutsche verursachen zehnmal so viel Kohlenstoffdioxid als das Klima verträgt
Diese Holding – und damit auch Hans-Martin Weiß – war maßgeblich am Aufbau der deutschen Photovoltaik-Industrie beteiligt. „Der Eigentümer wollte die Entwicklung erneuerbarer Energien fördern. Und auch damals galt schon: Nur in Firmen investieren, die den Anspruch haben, den Footprint möglichst gering zu halten.“
Footprint, damit ist der sogenannte ökologische Fußabdruck gemeint – jene Fläche auf der Erde, die notwendig ist, um den Lebensstil eines Menschen dauerhaft zu ermöglichen. Also Flächen, die zur Produktion von Kleidung, Nahrung und Energie benötigt werden sowie Flächen, die zum Binden des dabei entstehenden Kohlenstoffdioxids (CO2) nötig sind. Jeder Deutsche verursacht laut Umweltbundesamt im Schnitt 30 Kilogramm CO2 täglich – und damit rund zehnmal so viel als das Klima tatsächlich verträgt. Die hohe CO2-Konzentration in der Atmosphäre aber ist maßgeblich für die steigenden Temperaturen auf der Erde verantwortlich – mit schwerwiegenden Folgen für die Natur.
Schon Weiß’ Eltern beschäftigten sich mit dem Thema Umweltschutz
Umweltschutz ist Weiß schon von Kindheitsbeinen an vertraut: „Ich interessiere mich dafür, seit meine Mutter mir aus ,Der stumme Frühling’ vorgelesen hat.“ Das Buch der Amerikanerin Rachel Carson erschien vor mehr als 50 Jahren und beschreibt die dramatischen Folgen des Einsatzes des Insektenvernichtungsmittels DDT. Ein Bestseller, der heute als Zündfunke der weltweiten Umweltbewegung gilt.
„Solche Themen haben wir zu Hause diskutiert. Wo die Grenzen des Wachstums liegen, welche Probleme man sich einhandelt, wenn man um jeden Preis immer mehr produzieren will“, sagt Weiß. Seine Eltern seien ihrer Zeit weit voraus gewesen. Und das prägt: „Es ist so wichtig, dass man sich engagiert. Dass man sich nicht selbstgefällig zurücklehnt. Da sind riesige Umweltthemen, die noch nicht gelöst sind. Das ist meine Motivation, sowohl beruflich als auch privat.“
Mittlerweile besteht ein Netzwerk aus 25 Physikern und Ingenieuren
1997 hatte Weiß den Auftrag, den Börsengang der ersten in Deutschland gegründeten Photovoltaikanlagen-Firma zu betreuen. Dort traf er auf den bereits genannten Privatinvestor – und in der Folge auf eine Vielzahl weiterer Solar-Begeisteter. Der Start in eine vielversprechende Zukunft: „Daraus hat sich ein funktionierendes Netzwerk gebildet. Mit etwa 25 Physikern und Ingenieuren stehe ich regelmäßig in direktem Kontakt“, sagt Weiß. In unterschiedlichen Konstellationen gründen sich daraus Start-Up-Unternehmen.
Wenn Weiß davon erzählt, erinnert das eher an eine gut funktionierende Jungs-Clique als an gestandene Unternehmer: „Wir treffen uns meistens in Berlin zum Kochen“, sagt er und guckt lachend durch seine schwarze Ray-Ban-Brille. Gastgeber ist dabei einer der Geschäftspartner. „Er hat eine große Wohnung, in der auch immer ein paar Leute übernachten. Das ist manchmal wie in einer Kommune. Sechs bis sieben Leute sind oft gleichzeitig da“, so der 58-Jährige, der so begeistert von seiner zeitweiligen Männer-WG erzählt, dass man fast ein wenig neidisch werden könnte.
Das erste große Projekt waren Ladestationen für Elektroautos
Neulich hätten sie eine Gans zubereitet. Zu zwölft. Beim Kochen und gemütlichen Plaudern ergäben sich halt die besten Ideen. „Wenn diese dann reif für die Umsetzung sind, gründen wir die Firmen. Die müssen dann eine gewisse Zeit finanziert werden.“ Teilweise würden die Start Ups dann weiterverkauft – wie Weiß’ erstes großes Projekt: Ladestationen für Elektroautos. Bundesweit hat seine Firma solche Stromtankstellen aufgebaut.
Ein Innovation war auch die Entwicklung von energiearmen Häusern auf Mallorca, die mit Hilfe von Sonneneinstrahlung gekühlt werden. „Das Frappierende damals war, dass man auf Mallorca die gleiche Energiemenge verbrauchte wie in Hamburg. Allerdings nicht zum Heizen, sondern zum Kühlen“, so Weiß. Die Lösung: In den Wänden kaltes Wasser in dünnen Röhrchen herunterlaufen zu lassen. Klingt einfach. „Aber vorher kam offenbar niemand auf die Idee“, sagt Weiß.
Viele Start-Ups scheitern an Ungeduld von Finanzinvestoren
Eine weitere Firma, an der Weiß beteiligt ist, entwickelt seit drei Jahren einen Speicher für aus Windkraft und Photovoltaik-Anlagen gewonnene Energie. In zwei Jahren könnte der Speicher, der so groß ist wie ein Einfamilienhaus, marktreif sein, sagt Weiß. Stolz schwingt in seiner Stimme mit. Denn sowohl bei der Windenergie als auch bei der Solartechnik bleibt bis heute das Problem der Speicherkapazität. Noch gibt es keine befriedigenden technischen Lösungen, um die gewonnene Energie in großen Mengen so zu speichern, dass man sie bei Bedarf ausreichend zur Verfügung hat.
Aber woher weiß der Firmengründer, welche Ideen auf dem Markt erfolgreich sein werden? „Es ist schon ein bisschen Gespür dabei“, sagt Weiß. „An der Technik scheitern die wenigsten. Eher an den Kurzfrist-Perspektiven großer Investoren.“ Viele Start Ups gingen an der Ungeduld der Finanzinvestoren kaputt. „Aber als Start-Up-Unternehmer darf einem nichts Angst machen. Man muss Geduld haben, wissen, wo man auf die Bremse tritt, wo man sich Zeit geben muss und wo beschleunigen. Das ist die große Kunst.“