Ahrensburg. Stadt hat für das historische Gebäude am Marstall bis Ende des Jahres ein Vorkaufsrecht. Mehrheit der Politik ist offenbar dagegen.

Alter Stein oder nicht alter Stein, das ist hier die Frage. Im Gutachten für das neue Innenstadtkonzept der Stadt Ahrensburg spielt der historische Speicher hinter dem Marstall eine wichtige Rolle für die stadtplanerische Vision einer Aufwertung des Gutshof-Quartiers gegenüber vom Schloss. Das Bremer Büro BPW baumgart + partner betont in einem Gutachten die Bedeutung des alten Backsteingebäudes für eine Nutzung als Kulturhof mit Ateliers, Werkstätten und Geschäften.

Dagegen stehen politische Widerstände, die den Kauf des alten Speichers in diesem Jahr unwahrscheinlich machen, während die Verwaltung dies empfiehlt. Der 1895 erbaute Speicher war 1999 für eine Million Mark von der Stadt an die P + H Beteiligungsgesellschaft der österreichischen Investoren Peter und Helga Laupp verkauft worden, der auch das benachbarte Park Hotel gehört. Die neuen Eigentümer planten eine Erweiterung des Hotels, möglicherweise ein Boardinghouse für Apartments mit Hotelservice.

Diese Nutzung kam nicht zustande. Die Auflage, innerhalb eines bestimmten Zeitraums einen Bebauungsplan vorzulegen, wurde nicht erfüllt. 2005 vereinbarten die Eigentümer, die sich von der Immobilie wieder trennen wollten, mit der Stadt Ahrensburg eine zehn Jahre währende Rückkaufoption in Höhe des alten Verkaufspreises (etwa 515.000 Euro). Diese Option endet am 31. Dezember 2015. Es ist fraglich, ob die Stadt danach noch den ersten Zugriff auf die Immobilie hätte.

Die Befürworter des Kaufs argumentieren städtebaulich und weisen darauf hin, dass die Gelegenheit noch nie so günstig sei wie zurzeit. Denn Ahrensburg, das 2014 in das Programm Städtebaulicher Denkmalschutz der Städtebauförderung des Bundes und des Landes aufgenommen wurde, würde den Kauf des Speichers wegen dessen Bedeutung für das Innenstadtstadtkonzept zu zwei Dritteln durch Fördermittel finanziert bekommen.

Gegner argumentieren damit, dass die Finanzlage keinen Spielraum lässt

Bei etwa 570.000 Euro, die neben dem Kaufpreis Grunderwerbssteuer und Notarkosten einschließt, müsste die Stadt circa 190.000 Euro selbst bezahlen. Auch die zurzeit noch unwägbaren Kosten für die Sanierung würden gegebenenfalls zu zwei Drittel durch die Städtebauförderung getragen.

Dennoch haben sich die Kommunalpolitiker im Finanzausschuss gegen den Kauf ausgesprochen. Der Vorsitzende Christian Conring (CDU) sagt: „Uns fehlte ein passendes Konzept für Bewirtschaftung. Ins Blaue hinein, ohne konkreten Plan, der mit Zahlen und Folgekosten unterlegt ist, konnten wir nicht zustimmen. Das wäre in der jetzigen Haushaltssituation verantwortungslos.“

Dieser Argumentation schloss sich der Bauausschuss an und strich das Thema von der Tagesordnung. „Nach der Entscheidung des Finanzausschusses gab es keinen Grund mehr dafür, dass sich der Bauausschuss damit beschäftigt“, sagt Anne Hengstler (CDU) und fügt hinzu:. „Unsere Fraktion ist mehrheitlich dafür, nicht zu kaufen. Warum sollte die Stadt etwas erwerben, von dem wir nicht wissen, wofür es genutzt werden soll und welche Folgekosten entstehen.“ Das gehe bei der jetzigen Finanzlage gar nicht. „Wir sehen nicht ein, warum wir uns für dieses Projekt noch höher verschulden sollten, selbst wenn der Speicher städtebaulich interessant sein sollte.“

Peter Egan (Wählergemeinschaft WAB) teilt die Bedenken und findet, dass nichts überstürzt werden sollte: „Wir sollten abwarten, bis die vorbereitenden Untersuchungen zur Städtebauförderung im kommenden Sommer abgeschlossen sind.“ Schon jetzt sei absehbar, dass die komplette Fördersumme von 21 Millionen Euro, von der sechs Millionen für die Rathaussanierung gebunden sind, bei Weitem nicht für alles ausreichen werde, was jetzt im Gespräch sei.

Egan schlägt vor, in Ruhe Prioritäten zu setzen und sich nicht zu früh für ein Projekt zu entscheiden, das hohe Sanierungskosten verursacht. „Uns liegt eine Kostenschätzung für die Speicher-Sanierung über vier Millionen Euro vor“, sagt er.

Alter Speicher müsste aufwendig saniert werden

Wie schlecht der Zustand des 1895 erbauten Speichers ist, ...
Wie schlecht der Zustand des 1895 erbauten Speichers ist, ... © HA | Lutz Wendler
zeigt ein Blick in die Innenräume:
zeigt ein Blick in die Innenräume: © HA | Lutz Wendler
Zerschlagene Fesnterscheiben, wie hier...
Zerschlagene Fesnterscheiben, wie hier... © HA | Lutz Wendler
... oder hier...
... oder hier... © HA | Lutz Wendler
... beschmierte Wände...
... beschmierte Wände... © HA | Lutz Wendler
oder notdürftig abgedichtete Mauern.
oder notdürftig abgedichtete Mauern. © HA | Lutz Wendler
Der 1895 erbaute Speicher ....
Der 1895 erbaute Speicher .... © HA | Lutz Wendler
muss auf jeden Fall aufwendig saniert werden
muss auf jeden Fall aufwendig saniert werden © HA | Lutz Wendler
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Auch Thomas Bellizzi (FDP) vermisst klare Vorgaben: „Wir sind nicht per se gegen den Rückkauf. Wir erwarten aber, dass Voraussetzungen geschaffen werden – zum Beispiel, dass es eine sinnvolle und schnell umsetzbare Nutzungsmöglichkeit gibt, die keine hohen Folgeinvestitionen zu Lasten der Stadt nach sich zieht.“

Befürworter sehen im Ensemble am Gutshof eine einmalige Attraktion

Die Kritiker betonen auch, dass die Existenz des Speichers keineswegs gefährdet sei, weil das Gebäude im Flächennutzungsplan als erhaltenswert eingestuft worden sei. Ein privater Käufer könne das historische Gebäude also nicht an der Stadt vorbei abreißen und nach Gusto neu bauen. Außerdem könnte vielleicht sogar ein Investor dafür gewonnen werden, den Speicher im Sinne der Stadtplanung zu sanieren und zu vermieten.

Fraktionsübergreifend unstrittig erscheint jedenfalls, dass das Gutshof-Quartier großes städtebauliches Potenzial bietet. Die SPD-Fraktion befürwortet deshalb den Rückkauf. „Das Ensemble hinter dem Schloss ist erhaltenswert, und wir sollten den Speicher dafür sichern“, sagt Hartmut Möller (SPD), „wir müssten nicht sofort komplett sanieren, sondern könnten das Gebäude zunächst sichern.“ Es sollte jedoch gelingen, bald eine kulturelle Nutzung zu planen, die nicht mit einer dauerhaften Belastung der städtischen Finanzen verbunden sei.

Auch Jörg Hansen (Grüne) spricht sich für den Kauf aus: „Wir haben in Ahrensburg so viele wertvolle Gebäude verloren, dass wir es uns nicht leisten können, noch ein weiteres einzubüßen.“ Der alte Speicher stehe in einem Umfeld, wo noch Bestand und Potenzial sei. „Es ist nicht verantwortbar, dass wir den Speicher nicht kaufen“, sagt Hansen, „wir sollten das geschlossene Ambiente hinter dem Marstall weiterentwickeln.“ Er sei überzeugt von der Städteplaner-Vision eines Industriehofs, der als touristische Attraktion wirken könnte. „Dieses Projekt liegt mir besonders am Herzen“, sagt Hansen – und betont, dass er seine persönliche Überzeugung äußere und nicht für die Grünen-Fraktion spreche.

Auch Anwohner finden die Idee eines geschlossenen Ensembles überzeugend. Nachbarin Karin Voß, die in ihrer Kindheit viel Zeit auf dem alten Gutshof verbrachte, warnt davor, ein weiteres historisches Gebäude in Ahrensburg verfallen zu lassen und am Ende abzureißen. Sie erinnert an unwiederbringliche Verluste: das Ausflugslokal Schadendorff am Alten Markt, das Melkerhaus, das Torhaus des Schlosses und das Haus am Weinberg. „Wir haben schon viele Chancen vertan und sollten diese jetzt nutzen.“

Stadtverordnete fällen Entscheidung voraussichtlich am 14. Dezember

Janosch Roschewitz, dessen Firma auf dem Hof mit antiken Möbeln handelt, ist von der Idee eines Kulturhofs begeistert. „So etwas mit Café, Ateliers und Werkstätten wünschen wir uns schon lange, damit das hier belebt wird.“ Roschewitz nutzt etwa 200 Quadratmeter im alten Speicher als Lager. „Seit Jahren wurde nicht investiert“, sagt er. Es fehlten Fenster, das Haus sei Wind und Wetter ausgesetzt, die Fundamente seien wahrscheinlich feucht. „Doch die Substanz des Mauerwerks und der massiven Eichenbalken, die das Dach tragen, ist so gut, dass der Speicher großes Potenzial hat“, sagt Roschewitz. Unter dem Dach seien Loft-Wohnungen vorstellbar und im Erdgeschoss ein Café oder ein Bio-Supermarkt.

Ein Rundgang durch den Speicher zeigt, dass es sehr viel Fantasie für solche Vorstellungen braucht. Aber die Besichtigung lässt auch erahnen, dass dieses schön gelegene Gebäude Möglichkeiten bietet. Roschewitz sagt, dass er sein Möbellager dort erhalten möchte und sich vorstellen könne, als eine Art Hausmeister mit kleinen Reparaturen den weiteren Verfall zu stoppen.

Klar ist, dass gehandelt werden sollte, bevor es zu spät ist. Bleibt die Frage, ob der Speicher den Ahrensburgern eine größere Investition wert ist. Dafür aber bräuchte es wohl eine öffentlich geführte Diskussion und nicht Entscheidungen hinter verschlossenen Türen.

Voraussichtlich wird die öffentliche Debatte in der Stadtverordnetenversammlung am Montag, 14. Dezember, geführt, wenn es um die definitive Entscheidung zum Vorkaufsrecht gehen soll. Dann wird nicht nur ein Stadtplanungskonzept verhandelt, sondern für den alten Speicher geht es auch um Sein oder Nichtsein.