Bargteheide/Glinde. Seit September kommen 35 Personen mehr nach Glinde, in Trittau sind es wöchentlich 150 statt 100 Familien. Darunter auch Flüchtlinge.

Christina Schlie

Die Warteschlangen vor den Ausgaben der Tafeln im Kreis Stormarn werden stetig länger. Die Konsequenz: Die ehrenamtlichen Mitarbeiter arbeiten in Doppelschichten, um dem vermehrten Ansturm der Bedürftigen Herr zu werden. Immer mehr Tafeln sehen sich gezwungen, ihre Praxis bei der Ausgabe der Lebensmittel zu verändern. Grund für den vermehrten Andrang sind unter anderem die zahlreichen Flüchtlinge.

„Seit September kommen 35 Personen pro Woche mehr zu uns“, sagt Paul Nowatzki, Vize-Vorsitzender der Glinder Tafel. 480 Menschen werden von Glinde aus versorgt. Dazu gehören auch 96 Hamburger, die sich in Glinde ihre Lebensmittelration abholen. Das wird sich zum 1. Januar 2016 ändern. „Diese Menschen müssen sich dann an die Hamburger Tafeln wenden. Wir schaffen das nicht mehr.“ Auch die Helfer in Ahrensburg denken über Veränderungen nach.

„Wir haben derzeit bis zu 70 Prozent Flüchtlinge. Die wartenden Menschenmassen schrecken viele Kunden ab“, sagt Johannes Kelp, Vorsitzender der Ahrensburger Tafel
„Wir haben derzeit bis zu 70 Prozent Flüchtlinge. Die wartenden Menschenmassen schrecken viele Kunden ab“, sagt Johannes Kelp, Vorsitzender der Ahrensburger Tafel © Claas Greite

Bislang haben Betroffene dienstags und donnerstags die Möglichkeit, Lebensmittel von der Tafel zu bekommen. „Das werden wir einschränken müssen“, sagt Johannes Kelp, Vorsitzender der Ahrensburger Tafel. Künftig kann jeder nur ein Mal wöchentlich Ware bekommen.

Flüchtlinge müssen das System erklärt bekommen, es gibt Sprachbarrieren

Fünf Läden in Ahrensburg, Bargteheide, Ammersbek, Großhansdorf und Hamburg-Rahlstedt werden inzwischen von der Schlossstadt aus beliefert. Wöchentlich werden mehr als 800 Menschen versorgt. Unter den Bedürftigen gibt es viele neue Gesichter. Viele der Menschen kommen aus Syrien und Afghanistan. „Wir haben bis zu 70 Prozent Flüchtlinge“, sagt Johannes Kelp. Die wartenden Menschenmassen schreckten viele angestammte Tafel-Kunden ab. „Die Deutschen fühlen sich zurückgedrängt“, sagt der Ahrensburger Vorsitzende.

Auch die ehrenamtlichen Helfer sehen in der Verteilung der Lebensmittel eine wachsende Herausforderung. Dolmetscher müssen den Flüchtlingen das System der Tafel und die Zusammensetzung von Lebensmitteln erklären. Viele wollen kein Schweinefleisch, zu helles oder zu dunkles Brot oder Joghurt mit Gelatine, so die Erfahrungen der Tafel-Mitarbeiter. „Auch die Kommunikation ist oft schwierig“, sagt Kelp. „Nicht alles lässt sich mit Händen und Füßen erklären.“

„Wir empfangen wöchentlich rund 50 Familien mehr – das sind dann insgesamt rund 400 Einzelpersonen“, sagt Ursula Assmann, Vize-Vorsitzende in Trittau
„Wir empfangen wöchentlich rund 50 Familien mehr – das sind dann insgesamt rund 400 Einzelpersonen“, sagt Ursula Assmann, Vize-Vorsitzende in Trittau © Birgit Schücking

Einen vermehrten Andrang nehmen auch die Mitarbeiter der Tafel in Trittau wahr. „Einst kamen 100 Familien in der Woche zur Ausgabe, heute sind es rund 150“, sagt Ursula Assmann, zweite Vorsitzende der Trittauer Tafel. Das heißt: An den zwei Ausgabetagen versorgen die ehrenamtlichen Helfer hier etwa 400 Einzelpersonen. Die Tafeln in Bargteheide und Glinde suchen aktuell nach neuen Ausgabe-Räumen. „Wir müssen 40 Zentner Lebensmittel auf 30 Quadratmetern verteilen“, sagt Waltraut Giese, Mitarbeiterin in Bargteheide. „Etwas mit einem extra Lagerraum wäre gut.“ Auch in Glinde treten sich die Damen, im Ausgaberaum gegenseitig auf die Füße. Der große Andrang verlange einfach nach mehr Platz.

Die Spendenbereitsschaft – sowohl Geldmittel als auch Sachspenden – sei im Kreis Stormarn ungebrochen hoch. Das hänge sicherlich mit der Vorweihnachtszeit zusammen, aber auch mit dem Engagement der Helfer, die vor Ort um Ware bitten. Regelmäßig ist Paul Nowatzki, Vorsitzender der Glinder Tafel, mit den ehrenamtlichen Helfern Peter Zimmermann und Hans Scharlipp unterwegs, um auf dem Wochenmarkt und in den ortsansässigen Geschäften in Glinde um Spenden zu bitten. „Nach einem Marktgang kehren wir durchschnittlich mit zehn Kisten zurück“, sagt Zimmermann. Die Betreiber von sieben Stände gehören zu den treuen Spendern, darunter mehrere Obst- und Gemüsestände sowie ein Bäcker. „Der Bäcker spendet oftmals ganze vier Kisten, aufgefüllt mit hochwertigem Brot“, sagt der ehrenamtliche Helfer. Und manchmal gibt es beim Fischmann auch den ein oder anderen Rollmops.

Aufgrund des Andrangs müssen die Ehrenamtlichen häufig länger arbeiten

Dennis Bendtsen vom Obsthof Schleßelmann (l.) überreicht Peter Zimmermann Tüten mit Äpfeln HA Michelle Ohl

Erst ein einziges Mal mussten die Ehrenamtlichen in Glinde acht Betroffene mit leeren Händen nach Hause schicken, weil ihnen die Lebensmittel ausgegangenen waren. Statt wie früher drei bis vier Tüten pro Familie, gibt es heute nur noch zwei. Eine Maßnahme, um Engpässe zu vermeiden.

Aufgrund des großen Andrangs werden die Schichten oftmals verlängert. Donnerstags beginnt die Ausgabe in Glinde pünktlich um 15 Uhr, die Vorarbeit bereits um 10 Uhr. „Vergangene Woche habe ich erst um 18.30 Uhr Feierabend gemacht“, sagt Scharlipp. Er bleibe aber gern länger. Jedes zufriedene Gesicht mache ihn glücklich.