Ahrensburg. Wegen der neuen Flüchtlinge verdoppelt sich laut Gutachten der Wohnungsbedarf in Stormarn. Politiker müssen Bauplanung ändern.
Angesichts der vielen Flüchtlinge, die nach Stormarn kommen, müssen im Kreisgebiet in den kommenden Jahren viel mehr Wohnungen gebaut werden. Das besagt eine aktuelle Studie des in Hannover ansässigen Pestel-Instituts. Demnach werden in den kommenden Jahren jährlich rund 2230 neue Wohnungen gebraucht – mehr als doppelt so viele wie bisher angenommen. Auftraggeber der Studie sind die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) und weitere Verbände aus dem Bauwesen. Grundlage für die Studie, die auch für andere Kreise und Regionen gemacht wurde, ist die in Deutschland erwartete Zahl von einer Million Flüchtlingen, die 2015 nach Deutschland kommen. Das Institut ging für Stormarn von rund 2830 Flüchtlingen aus.
Stormarner Verwaltungsbeamte und Politiker teilen grundsätzlich die Erkenntnisse der Wissenschaftler des Pestel-Instituts. So sagt zum Beispiel Klaus Kucinski, Bereichsleiter für Bau, Verkehr und Umwelt: „Wir müssen den Bedarf aktualisieren.“ Erst im Sommer dieses Jahres war eine Studie fertiggestellt worden, die der Kreis selbst in Auftrag gegeben hatte.
Im Gutachten des Kreises sind Flüchtlinge noch nicht einberechnet
Das Bremer Büro Baumgart + Partner hatte drei Jahre lang den Wohnungsbedarf ermittelt, mit dem Stormarn bis zum Jahr 2030 rechnen muss. Die Bremer Experten kamen auf 15.700 Wohnungen, also etwa 1000 pro Jahr. Aber, so Klaus Kucinski: „Die Asylproblematik ist da gar nicht mit eingegangen. Darüber müssen wir uns jetzt Gedanken machen.“ Auch Detlev Hinselmann, Vorsitzender des Wirtschafts- Bau- und Planungsausschusses im Kreis, sagt: „Natürlich werden die Zahlen so nicht mehr stimmen. Da muss nachgearbeitet werden.“ Der Kreis sei gerade erst dabei, angesichts des Asylthemas „die Handlungsstränge zu ergreifen“, so der CDU-Politiker aus Rehhorst, der auch designierter Chef der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS) ist. Laut Hinselmann werde beim Wohnungsbau „etwas geschehen müssen“. Dafür müsse es aber einen „breiten Konsens“ in der Gesellschaft geben. Schon die 1000 neuen Wohnungen, die bisher geplant sind, seien „für viele Gemeinden eine Herausforderung“. Der Kreis könne den Prozess nur „koordinieren und begleiten“, schließlich liege das Baurecht bei den Städten und Gemeinden. Zuständig für den sozialen Wohnungsbau ist das Land Schleswig-Holstein, es sei „selbstverständlich möglich“, dass dieser angekurbelt werde. Allerdings sagt Hinselmann auch, dass die „schwarze Null“, also der ausgeglichene Landeshaushalt, politischer Konsens sei.
Grünen-Politikerin: Städte verdichten statt Neubaugebiete in der Natur
Michaela Dämmrich, Mitglied im Sozial- und Gesundheitsausschuss und auch im Umweltausschuss, sagt: „Ich halte die Zahlen des Pestel-Instituts für realistisch.“ Sie schlägt einen runden Tisch mit Vertretern des Kreises, der Städte und der Gemeinden vor, um das Problem anzugehen. Ihrer Meinung nach gibt es in Sachen Wohnraum ohnehin Probleme: „Schon jetzt finden viele Personen, die Sozialhilfe beziehen, keine Wohnung mehr.“
Nach Ansicht der Grünen-Politikerin aus Bad Oldesloe wird in Stormarn „hauptsächlich für Gutverdienende gebaut. Michaela Dämmrich sagt auch: „Wir sollten auf Innenverdichtung setzen und nicht noch mehr in die Fläche gehen.“ Stormarn dürfe sich nicht „die schönen Naherholungsgebiete ruinieren“, schließlich sei der Kreis auch eine Tourismusregion.
Ahrensburg ist mit rund 32.000 Einwohnern die größte Stadt im Kreis. Sie wird einen großen Teil der Aufgabe bewältigen müssen. Bürgermeister Michael Sarach sagt: „Der soziale Wohnungsbau ist über Jahrzehnte vernachlässigt worden. Das fällt uns jetzt auf die Füße.“ Zurzeit wird in der Stadt über einen neuen Flächennutzungsplan diskutiert. Sarach halte es „für angebracht, alle Potenzialflächen für Wohnungsbau ins Auge zu fassen.“ Zudem wolle er sich Anfang November mit Vertretern anderer Städte und Gemeinden treffen, um über die mögliche Gründung eines kommunalen Wohnungsbauunternehmens zu sprechen – bisher gibt es so eines in Stormarn nicht. Glindes Erster Stadtrat Frank Lauterbach (SPD) sieht darin ein geeignetes Instrument: „Wenn vier oder fünf Akteure in einen Topf einzahlen, kann man auch große Projekte angehen.“
Seiner Ansicht nach könnten die allerdings kaum in Glinde realisiert werden, da die Stadt schon sehr verdichtet sei. Ein kommunales Bauunternehmen könne aber „über den Tellerrand der Stadt hinausgehen“.