Barsbüttel . Nach dem Protest gegen einen angestrebten Rathaus-Neubau, wehren sich Bürger gegen die Ansiedlung eines Pharmagroßhändlers.

In dieser Sache sind sich die Kommunalpolitiker in Barsbüttel einig: Sie unterstützen den Pharmagroßhändler Noweda in seinem Bestreben, auf dem Gelände der ehemaligen Tierversuchsanstalt im Ortsteil Willinghusen sesshaft zu werden. Das will eine Initiative verhindern und startet nun ein Bürgerbegehren. Es ist bereits das zweite in diesem Jahr in der Gemeinde. Im Sommer hatte eine Gruppe gegen den von CDU und SPD angestrebten Rathaus-Neubau mobil gemacht und genug Unterschriften gesammelt. Nun stimmen die Barsbütteler am 29. November im Rahmen eines Bürgerentscheids ab, ob das Projekt vorangetrieben oder das marode Verwaltungsgebäude saniert wird.

Hinrich Thormählen ist sich sicher, dass auch er und seine rund 60 Mitstreiter genug Unterstützung in der Bevölkerung finden, um einen Bürgerentscheid zu erwirken. Der 53 Jahre alte Handwerksmeister ist Sprecher der Interessengemeinschaft Willinghusen, wohnt mit seiner Familie seit 1997 in einem Haus direkt gegenüber dem Areal. Er sagt: „Allein in unserem Ortsteil rechne ich mit 800 Stimmen.“ Das wäre der Löwenanteil. Die Initiative benötigt 931 Unterschriften, damit das Begehren eine Chance hat, von der Kommunalaufsicht des Kreises für zulässig erklärt zu werden.

Interessensgemeinschaft rechnet mit Verkehrslärm

Luftbild ehemalige Tierversuchsanstalt Barsbüttel Willinghusen
Luftbild ehemalige Tierversuchsanstalt Barsbüttel Willinghusen © Google Maps/B. Jaklitsch

Eigentürmer der 5,2 Hektar großen Fläche in Willinghusen ist das Pharmaunternehmen Takeda, das den Betrieb der Tierversuchsanstalt im März 2013 eingestellt hatte. Von dem Angebot, das Grundstück für vier Millionen Euro zu erwerben, machte Barsbüttel keinen Gebrauch. Zuvor war ein Nutzungskonzept mit Bürgerbeteiligung entstanden. Es sah auch sozialen Wohnungsbau vor. Bis zu 100 Einheiten standen zur Diskussion – für die Initiative zu viel. Sie hätte sich mit 60 Wohnungen a­rran­gie­ren können.

Dass nun auch das in Hamburg-Bergedorf ansässige Thünen-Institut für Holzforschung in das bereits vorhandene moderne Bürogebäude auf dem Gelände ziehen will, stört die Interessengemeinschaft nicht. Wohl aber die Absicht der Apothekergenossenschaft Noweda, den hinteren Teil des Grundstücks zu kaufen, um eine große Lagerhalle zu bauen und von dort aus Apotheken im Großraum Hamburg mit Arzneimitteln zu beliefern. Das Unternehmen rechnet mit rund 100 Autos pro Tag, die das Lager ansteuern, vornehmlich jedoch kleine Fahrzeuge. Thormählen: „Es ist doch klar, dass die Spediteure hier mit Lkw und Zugmaschinen vorfahren. Wir reden hier von viel Lärm, erheblichen Emissionen und der Zerstörung eines Naherholungsgebietes.“

Expansion auf angrenzenden Flächen sei nicht möglich

Initiativenmitglied Jörg Schöpke, 50, wünscht sich auf dem Gelände kleine Handwerksbetriebe. Der Malermeister: „Ich kenne Interessierte, die ihr Geschäft hierher verlegen würden.“ Die Protestler befürchten zudem eine spätere Expansion Nowedas auf angrenzenden Landwirtschaftsflächen. Thormählen: „Wir wissen, dass die Gemeinde Gespräche mit den Bauern zwecks Grundstückskauf geführt hat.“ Die Angst vor so einem Szenario ist laut Barsbüttels Bauamtsleiterin Rita Dux unbegründet. Sie sagt: „Der Regionalplan sieht um das Gelände herum keine Ausweisung von Gewerbeflächen vor. Und das wird auch so bleiben.“

Was sind Bürgerbegehren und -entscheid?

Das Bürgerbegehren ist ein Instrument der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene und in Schleswig-Holstein als zweistufiges Verfahren konzipiert. Es gilt als Antrag auf die Durchführung eines Bürgerentscheids, der politische Beschlüsse aufheben kann.

Voraussetzung für ein erfolgreiches Begehren ist das Sammeln einer bestimmten Zahl an Unterschriften. Im Falle Barsbüttels sind das jene von neun Prozent der Stimmberechtigten bei der vergangenen Kommunalwahl, also 931. Klappt das, werden die Unterlagen bei der Verwaltung abgegeben.

Über die Zulässigkeit entscheidet die Kommunalaufsicht des Kreises. Gibt sie grünes Licht und die Politik entspricht dem Begehren nicht, kommt es binnen drei Monaten zu einem Entscheid. Wahlberechtigt sind Bürger ab 16 Jahren.

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Noch im Dezember wollen die Gemeindevertreter den Aufstellungsbeschluss für eine Änderung des Bebauungsplans auf dem Takeda-Grundstück absegnen. Im Frühjahr 2016 soll dann der Satzungsbeschluss erfolgen, um Noweda und dem Thünen-Institut den Umzug nach Barsbüttel zu ermöglichen. Im bisherigen Bebauungsplan ist ausschließlich die Nutzung als Tierversuchsanstalt vorgesehen. Die Gemeinde setzt dabei auf ein sogenanntes beschleunigtes Verfahren. Dadurch kann unter anderem auf eine Umweltprüfung verzichtet werden.

Verwaltung ist um Ansiedlung von Firmen bemüht

Barsbüttels stellvertretender Bürgermeister Wolfgang Böckmann (CDU) verteidigt den Kurs der Politik mit dem Verweis „auf weitere Einnahmen für die Gemeinde durch Ansiedlung von Firmen“. Er sagt: „Wir sind bemüht, so zu wirtschaften, dass wir keine Steuern erhöhen müssen und unsere Vereine und Verbände weiterhin unterstützen können.“ Kein Verständnis für Thormählen und seine Mitstreiter hat Rainer Eickenrodt, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB): „Das Interesse von Initiativen wird immer ichbezogener. Ich kann nicht erkennen, dass Noweda Willinghusen Schaden zufügt.“

Nach Information der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn sind sich Noweda und das Thünen-Institut für Holzforschung – es will die Immobilie anmieten und hat eine Kaufoption – mit Takeda über die Vertragdetails einig. Unterschrieben ist jedoch noch nichts. Damit wollen die Beteiligten warten, bis die Gemeinde grünes Licht gegeben hat.

Unterschriftensammlung startet am 31. Oktober

Um die Pläne zu durchkreuzen, startet die Bürgerinitiative am 31. Oktober mit einem Stand am Nahversorgungszentrum an der Straße Am Akku die Unterschriftensammlung. An diesem Tag hat Thormählen Geburtstag. Er sagt: „Ende Januar wollen wir die nötige Anzahl zusammenhaben und die Zettel dem Bürgermeister übergeben.“