Bad Oldesloe. Busse fahren nur morgens an Wochentagen. In den Schulferien fahren sie gar nicht. Eine Angebotserweiterung jedoch wäre sehr teuer.
Der Bus von Tremsbüttel, Haltestelle Feuerwehr, nach Bargteheide fährt dreimal am Tag ab: um 6.30 Uhr, um 7.29 Uhr, um 8.20 Uhr. Bis zum Rathaus braucht er sieben Minuten, ein Fahrschein kostet 2,10 Euro. Wer den 8.20er verpasst hat, muss bis zum nächsten Morgen warten – vorausgesetzt, der nächste Morgen fällt nicht gerade auf einen Sonnabend. Denn wochenends stehen die Wagen der Linie 8115 komplett still, in den Schulferien sowieso. Was zur alltäglichen Lebenswirklichkeit der Landbevölkerung gehört, erweist sich als Problem für einen anderen Personenkreis: für die auf den Dörfern einquartierten Flüchtlinge, die kein Auto haben.
Tremsbütteler haben eine E-Mail an die Kreisverwaltung geschickt
Die Gemeinde Tremsbüttel hat nun in einer E-Mail an den Kreis Stormarn auf die Problematik hingewiesen. Verbunden damit: die ganz unverbindliche Anfrage, ob nicht mehr Busfahrten möglich wären. Björn Schönefeld, Nahverkehrsexperte in der Kreisverwaltung, stellt das Schreiben aus Tremsbüttel in einen größeren Kontext. „Das angesprochene Thema betrifft nicht nur Tremsbüttel, sondern alle kleinen Orte rings um Bargteheide, Bad Oldesloe und Reinfeld herum.“ Besser sehe es in der südlichen Hälfte des Kreises aus. Dort fahren die Busse flächendeckend regelmäßig.
„Für die Flüchtlinge sind die Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel wirklich nicht ideal“, sagt Bernd Gundlach, Leitender Verwaltungsbeamter der Amtsverwaltung Bargteheide-Land. Ausnahmen seien Delingsdorf und Elmenhorst, weil auf der ehemaligen B 75 der Überlandbus von Bad Oldesloe nach Ahrensburg ganztägig im Einsatz sei.
Deutschunterricht, Einkauf, Arztbesuch – es gibt viele Notwendigkeiten für Flüchtlinge, ihr Dorf zu verlassen. Aber es gibt eben wenig Gelegenheiten, es auch wirklich zu tun. „Für die, die auf den Dörfern wohnen, ist die Situation katastrophal. Sie kommen quasi nicht mehr weg“, beschreibt die Bargteheider Flüchtlingsbeauftragte Ulrike Meyborg die Situation.
Allein der Kreis Stormarn zahlt zurzeit knapp 7,5 Millionen Euro jährlich zu
Gerade steht sie mit dem albanischen Geschwisterpaar Alfons, 22, und Vilma Bakollazi, 15, an der Halstestelle am Volkspark am Bargteheide. Wenn der Unterricht in der nahen Johannes-Gutenberg-Schule und im Gymnasium am Eckhorst aus ist, fahren die Busse hier im Minutentakt in die umliegenden Dörfer. Jetzt stellen die Geschwister Bakollazi fest: Der nächste Bus fährt erst am folgenden Tag. Und dann fährt zwei Wochen gar keiner mehr: Schulferien.
Beim Kreis Stormarn ist die alles entscheidende Frage die nach den Kosten. Öffentlicher Personennahverkehr rechnet sich – insbesondere im Überlandverkehr – fast nie, sondern wird von der öffentlichen Hand stark subventioniert. Die Kreise als Aufgabenträger definieren, wie ihrer Einschätzung nach das Grundangebot auszusehen hat, und übernehmen dann die Unterdeckung genau dafür. Allein der Kreis Stormarn zahlt zurzeit knapp 7,5 Millionen Euro jährlich zu. „Im kommenden Jahr wird es wahrscheinlich sogar gegen neun Millionen gehen“, meint der Nahverkehrsexperte Björn Schönefeld.
Dass die Kosten nicht noch deutlich höher sind, liegt eben daran, dass die Fahrpläne ganz auf die Schulstundenpläne zugeschnitten sind. Die Busse sind von ihrem offiziellen Status her reguläre Linienbusse, mit denen jeder fahren darf. De facto handelt es sich um reine Schulbusse.
Die Flüchtlingsbeauftragte setzt auf Anrufsammeltaxis
Einige Dörfer sind außerhalb der Schulzeit per Anrufsammeltaxi (AST) erreichbar: Die fahren nach einem Fahrplan – aber sie fahren überhaupt nur los, wenn sich zuvor mindestens ein Fahrgast telefonisch angemeldet hat. So werden unnötige Leerfahrten vermieden. Was würde es kosten, die Busse öfter fahren zu lassen? Björn Schönefeld hat es noch nicht ausgerechnet, weil bis jetzt noch gar kein offizieller Antrag vorliegt. Auf Nachfrage sagt er: „Ich könnte mir vorstellen, dass es ein hoher sechsstelliger Betrag pro Jahr zusätzlich wäre.“
Ulrike Meyborg sagt, also führen viele Flüchtlinge auch weiterhin bei Wind und Wetter Fahrrad. Und es gebe viele ehrenamtliche Helfer. Was sie sich wünscht: mehrsprachiges Personal in der Anrufsammeltaxi-Zentrale. „Dann könnten die Flüchtlinge dieses für sie sehr komplizierte System besser nutzen. Dass für vier Leute kein Bus fährt, ist auch klar.“
Einen Kommentar von Abendblatt-Redakteur Alexander Sulanke lesen Sie hier.