Bargteheide. Klassender Anne-Frank-Schule unterstützen ehrenamtliche Helfer bei der Arbeit, damit die Stadt mehr Menschen unterbringen kann.
Mit der rechten Hand taucht Lis ihre Farbrolle in den Plastikeimer, lässt die beige Farbe etwas abtropfen und verteilt diese dann auf der Wohnzimmerwand. Im Garten vertikutiert Malte den Rasen, während Lasse das Moos in eine Schubkarre schaufelt. Es ist „Tag der guten Tat“ an der Bargteheider Anne-Frank-Schule. Und die Schüler der 9 a und 9 b haben sich entschieden, gleich an drei Tagen an der Holsteiner Straße ein rund 160 Quadratmeter großes Haus zu renovieren, in dem Asylbewerber leben.
Die Bargteheider Stadtverwaltung hat das Haus seit einem knappen Jahr zu „ortsüblichen Preisen“ von einem privaten Eigentümer gemietet. Fünf Frauen und zwei Kinder aus Tschetschenien, Albanien und Serbien wohnen zur Zeit dort. In wenigen Wochen sollen syrische Flüchtlinge die zwei noch leer stehenden Schlafzimmer beziehen. „Ich finde es super, dass die Schüler nicht nur Spenden sammeln, sondern etwas Praktisches machen“, sagt Maren Henrichs, Klassenlehrerin der 9 a. Von halb neun bis um eins beschäftigen sich die Schüler im Haus.
Das Material für die Renovierung zahlten die Eltern
Am Vortag hatten die Schüler der Parallelklasse mit Henrichs’ Kollegen Christoph Jannowitz die Wände und Decken mit Kreppband abgeklebt, Plastikfolien über die Möbel geworfen und den Boden mit Malervlies ausgelegt. Das Material zahlten die Eltern.
Vor den Sommerferien hatten Anne-Frank-Schüler bereits eine Eineinhalbzimmerwohnung an der Bahnhofstraße gestrichen. „Es musste schnell geholfen werden, und die Schüler waren sofort zur Stelle“, sagt Eugen Frank, der zu den rund 100 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern in der Stadt gehört. Der 65-Jährige ging im November in Rente und hat jetzt Zeit. Am ersten und am dritten Montag im Monat treffen sich die Paten um 18.30 Uhr, die Orte werden auf der Homepage www.bargteheide-land.eu bekannt gegeben.
Frank hat die Patenschaft für die im Haus an der Holsteiner Straße wohnende Serbin Daniela Djordević sowie ihre beiden Kinder Jovana und Danijek übernommen. Seit zehn Monaten ist die Familie in Bargteheide. „Wir verständigen uns auf Deutsch oder mit Händen und Füßen“, sagt Frank und lacht. Oft übersetze auch die elf Jahre alte Tochter Jovana, die die Sprache besser als ihre Mutter beherrsche. Eugen Frank begleitet die Familie zum Arzt und zu Elternabenden. Er springt ein, wenn Termine nicht mit Bus und Bahn zu erreichen sind. Auch ums Haus kümmert er sich, wechselt Glühbirnen, organisiert Handwerker und erklärt, wie man in Deutschland Müll trennt.
Ein Lächeln lässt alle Mühen vergessen
„Das ist fast ein Vollzeitjob“, sagt Frank, der zuletzt als kaufmännischer Angestellter in einem Hamburger Autohaus gearbeitet hat. „Aber wenn Daniela mich dann abends anlächelt, weil ich ihr geholfen habe, ist die Mühe des Tages vergessen.“ Seine Frau übernimmt die schriftlichen Arbeiten: Ursula Frank schreibt Briefe an Schulen und das Sozialamt oder füllt Formulare für die Ausländerbehörde aus.
Oft reiche auch schon ein offenes Ohr für die Probleme und ein wenig Trost aus, wie Eugen Frank weiß: „Weil sein Vater ihn als Kind misshandelt hat, hat Danijek starke Schmerzen an der Hüfte und muss alle zwei bis drei Tage zur Physiotherapie.“ Hinzu komme, dass der serbischen Familie jetzt auch noch die Abschiebung drohe.
Auch Megi aus Albanien wohnt in dem Haus an der Holsteiner Straße. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Neumünster kam die 17-Jährige vor zehn Monaten mit ihrer Mutter Sheqere nach Bargteheide.
An der Wand neben ihrem Bett hängen Bilder von Verwandten aus ihrer Heimat. Auch ein Foto ihrer neuen Mitschüler ist zu sehen: Seit fünf Monaten lernt die junge Albanerin deutsch in der Klasse „Deutsch als Zweitsprache“ der Beruflichen Schule in Bad Oldesloe. „Wenn ich hier bleibe, würde ich gern eine Ausbildung als Webdesignerin machen“, sagt Megi. In ihrer Freizeit malt sie gern. „Nachdem mein Vater vor zehn Jahren gestorben war, habe ich ihn oft gezeichnet“, sagt Megi und zeigt ihr neuestes, fast fertiges Bild: Es zeigt Ailan, das tote Flüchtlingskind, das im September dieses Jahres an der türkischen Küste angeschwemmt worden war. Mit Acrylfarben malte sie das Foto nach, das weltweit für Entrüstung sorgte. „Als ich das Foto gesehen habe, hat mich das sehr traurig gemacht“, sagt Megi.
Aus ihrem Schlafraum sind die Stimmen von Lis und ihren Mitschülern zu hören. Das Wohnzimmer ist gestrichen, am nächsten Tag übernimmt wieder die 9 b die Renovierungsarbeiten. Dann sind die Schlafräume im ersten Stockwerk dran.