Ahrensburg. Flüchtlinge und Ahrensburger reparieren gemeinsam Fahrräder. Der Vorrat ist fast ausgebraucht und neue Räder werden benötigt.
In der Werkstatt steht ein großer Tisch, darauf liegt jede Menge Werkzeug. Hier Schraubenzieher, dort Luftpumpen. Von der Decke hängen an Ketten Fahrräder. Sie sollen repariert werden. An der Wand stehen große Schränke, an ihren Türen haften Zettel mit Bildern von Werkzeugen darauf – darunter stehen die Namen der abgebildeten Werkzeuge geschrieben. Nurf Saffari und sein Freund Hossem Mohammadi, beide stammen aus Afghanistan, arbeiten gerade an einem Mountainbike. An einem anderen Fahrrad stehen der 17-jährige Bashar Gharib aus Syrien und Holger Scharre vom Freundeskreis Flüchtlinge. Seit September 2014 repariert Scharre im Ahrensburger Familienzentrum Blockhaus zweimal wöchentlich mit Flüchtlingen Fahrräder.
„Das Problem ist, dass die Flüchtlinge in Randgebieten der Stadt wohnen und eingeschränkt in ihrer Mobilität sind“, sagt Karlheinz Eckert, Zweiter Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Ahrensburg. Vor allem für die Kinder, die eine Schule besuchen, sei das ein großes Problem. Das bemerkte auch Holger Scharre, der ehrenamtlich Möbel in die Unterkünfte der Flüchtlinge fährt. So entwickelte er die Idee, Fahrräder zu sammeln – der Zustand war dabei nicht entscheidend. „Wir reparieren die Räder ja gemeinsam mit den Flüchtlingen“, sagt Scharre.
Ahrensburger haben viele Räder und Werkzeug gespendet
Also begann der Freundeskreis Flüchtlinge, Fahrräder zu organisieren und wieder verkehrssicher zu machen. Die Nachfrage war so hoch, dass die Awo und der Sozialverband Deutschland einen Aufruf starteten, Fahrräder zu spenden. „Die Ahrensburger sind sehr spendabel, und die Resonanz der Flüchtlinge ist groß und positiv, sodass wir schon wieder welche benötigen“, sagt Eckert. „Doch wir brauchen nicht nur Fahrräder. Auch Werkzeug, Fahrradsattel und Kindersitze werden immer benötigt“, sagt Holger Scharre.
Während Karlheinz Eckert mit Klaus Steinkamp von der Awo und Peter Levenhagen vom Sozialverband auf dem Hof steht, nimmt sich der 13-jährige Noorzade Abolfazn aus Afghanistan eine Luftpumpe und pumpt einen Reifen auf. Nicht nur aus Spaß repariert er Fahrräder, sondern auch für seine gesamte Familie. Er lächelt während der Arbeit und hat Freude dabei. „Am Anfang habe ich noch selbst geschraubt, doch nun machen die Flüchtlinge einen großen Teil der Arbeit“, sagt Scharre. Sie tragen ihr Wissen weiter in die Unterkünfte und reparieren dort viele Dinge selbst. „Es macht Spaß, und ich wollte helfen“, sagt der Syrer Bashar Gharib. Er spricht gut Deutsch und besucht derzeit die achte Klasse der Gemeinschaftsschule am Heimgarten in Ahrensburg.
In der Werkstatt gibt es drei Arbeitsplätze mit jeweils eigenem Werkzeug, das von Ahrensburgern gespendet worden ist. Das macht das Arbeiten leichter, und jeder kann individuell arbeiten. Holger Scharre gibt Tipps. Der gelernte Maschinenschlosser und Sozialpädagoge hat eine enge Bindung zu den Flüchtlingen aufgebaut. „Ich habe sie in ihren Unterkünften kennengelernt, sie haben mich oft eingeladen. Ich habe auch schon Wasserpfeife geraucht“, sagt Scharre mit einem Lächeln im Gesicht.
Notfalls verständigen sich alle mit Händen und Füßen
Nurf Saffari und sein Freund Hossem Mohammadi gehen an die Luft und setzen sich auf eine Bank vor einem Tisch. Auch hier liegt Werkzeug und ein Fahrradreifen. Denn nicht nur in der Werkstatt wird gearbeitet, auch auf dem Hof. „Teilweise herrscht dann richtige Dorfplatzstimmung. Viele Mitarbeiter schauen ihren Mitstreitern über die Schulter und sehen gespannt zu. Es schweißt zusammen“, sagt Scharre.
Flüchtlinge aus vielen verschiedenen Ländern reparieren im Blockhaus Fahrräder für sich und ihre Freunde. Wenn man in der Werkstatt lauscht, hört man neben Werkzeugklappern und dem Zischen von Luftpumpen verschiedene Sprachen. Arabisch, Englisch und Deutsch sind am verbreitetsten. „Die Kinder helfen uns viel, ebenso ein Dolmetscher, der ab und zu vorbeikommt“, so Holger Scharre, „und zur Not können wir uns noch mit Händen und Füßen unterhalten oder die Werkzeuge zeigen.“
Hinter dem Blockhaus befindet sich das sogenannte Lager für die Fahrräder – eine Holzhütte. „Wir bekommen oft Räder von älteren Leuten, die nicht mehr fahren können“, sagt Karlheinz Eckert. Gearbeitet wird wie in einer richtigen Fahrradwerkstatt. Die Flüchtlinge suchen sich ein Fahrrad aus dem Lager aus, dann wird ein Auftrag erstellt, was alles repariert werden muss, und am Ende werden die Flüchtlinge informiert.
„Es macht hier wirklich ganz viel Spaß. Seit ich in der achten Klasse bin, schaffe ich es leider nur noch einmal in der Woche her, vorher war ich an beiden Tagen hier“, sagt Baschar. Seine Freunde in der Schule, sagt er, fänden das ziemlich „cool“, was er in seiner Freizeit mache.