Großhansdorf. Zweite Unterkunft am Radeland ist fertiggestellt. 40 Quadratmeter für vier Bewohner. Gemeinde sucht weiter günstigen Wohnraum.

Die Räume sind bis auf ein plüschiges, olivfarbenes Sofa noch leer, Gardinen hängen aber schon. Der erste Eindruck trügt: Nicht ein klassisches deutsches Wohnzimmer wird am Radeland in Großhansdorf eingerichtet, sondern eine neue Flüchtlingsunterkunft. Die gerade befestigten halbhohen Gardinen dienen als Sichtschutz, der die Privatsphäre der künftigen Bewohner wahrt.

Bürgermeister Janhinnerk Voß und seine Hauptamtsleiterin Gabriele Hettwer haben zu einer Besichtigung des gerade fertiggestellten Neubaus eingeladen, der in etwa einer Woche bezogen werden soll. Es ist das zweite Haus, das am Ende der Sackgasse Radeland, hinter Kleingärten und dem Schullandheim Erlenried, errichtet wurde. Das bereits im April vollendete Gebäude wird seither von 14 Männern bewohnt. Das zweite Haus hat den gleichen Grundriss: vier Wohnungen à 40 Quadratmeter für jeweils vier Bewohner, dazu eine gemeinsame Waschküche. „Das ist kein Luxus, aber eine vernünftige Unterkunft“, sagt Voß. Das Ganze folgt dem Großhansdorfer Prinzip, dass wenn möglich in solide Gebäude mit längerer Lebenszeit investiert wird statt in kurzfristige Lösungen mit begrenzter Lebensdauer.

Jede der kleinen Wohnungen hat zwei Schlafzimmer und einen 20 Quadratmeter großen Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile, dazu ein Bad. Zur Grundausstattung gehören vier Betten, zwei Schränke, ein Tisch und vier Stühle. Das eingeschossige Haus mit Sonnenkollektoren auf dem Dach wurde in sechs Monaten in Modulbauweise erstellt. Tempo war nötig, denn Großhansdorf braucht – wie alle Kommunen in Deutschland – dringend weitere Unterkünfte für Flüchtlinge.

Familien werden zentral untergebracht, Einzelpersonen eher am Ortsrand

Zurzeit leben etwa 60 Asylbewerber in der Gemeinde, zum Jahresende könnten es bereits mehr als 100 sein. Tendenz steigend. Deshalb müssen Verwaltung und Politik bereits über die nächsten Bauprojekte nachdenken. Schon Ende September wird eine zweigeschossige Wohncontainerzeile die Häuser am Kortenkamp ergänzen. Außerdem wird bereits über Neubauten für etwa 20 Menschen am Roseneck in Schmalenbeck nahe der A 1 nachgedacht. Voß: „Wir wollen die Unterkünfte so gerecht wie möglich über die Gemeinde verteilen.“ Dabei folge man dem Prinzip, Familien an zentralen Punkten anzusiedeln und einzelne Flüchtlinge eher in Gemeinschaftsunterkünften am Ortsrand.

Am Radeland leben bereits Männer aus Afghanistan, Syrien, Pakistan, aus dem Iran sowie türkische Kurden. „Wer als Nächstes kommt, erfahren wir erst drei, vier Tage vorher vom Kreis“, sagt Gabriele Hettwer. Meist seien es Einzelpersonen und überwiegend Männer. Die Unterbringung in kleinen Wohneinheiten habe sich bewährt.

Außerhalb der Radeland-Gebäude wird noch gearbeitet. Zwei Mitarbeiter des Bauhofs erstellen Unterstände für Fahrräder. Hettwer erzählt, dass jeder Flüchtling ein gebrauchtes Fahrrad aus der Gemeinschaftswerkstatt geschenkt bekomme. Die so gewonnene Mobilität, fügt Voß hinzu, nutzten die meisten, um ihre neue Umgebung ausgiebig zu erkunden.

Anerkannte Asylbewerber suchen oft vor Ort eine neue Unterkunft

„Es gibt unter den Flüchtlingen sogar einige ‘Bildungstouristen’, die kaum einen Deutschkursus auslassen und dafür sogar bis nach Bargteheide oder Bad Oldesloe radeln“, sagt der Bürgermeister, der überhaupt beeindruckt ist von der positiven Energie vieler Neuankömmlinge. „Wir haben das Gefühl, dass die hier schnell richtig ankommen wollen und ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen.“

Die meisten Flüchtlinge in Großhansdorf kommen aus Afghanistan und Syrien. Hettwer: „Bislang ist alles noch im Quotenbereich, aber wenn es so rasant weitergeht, müssen vielleicht auch wir über schnellere Möglichkeiten der Unterbringung nachdenken.“ Die Prognose für 2016 liege für Großhansdorf bei 150 Flüchtlingen. Außerdem, so Voß, stelle sich das zusätzliche Problem, dass anerkannte Asylbewerber zwar aus der Statistik verschwänden, aber oft vor Ort eine neue Unterkunft suchten. „Es gibt allerdings kaum eine Chance, auf dem freien Markt bezahlbaren Wohnraum zu finden.“

Der Bürgermeister appelliert deshalb an Hausbesitzer in Großhansdorf, sich bei der Gemeinde zu melden, wenn sie Wohnraum im preiswerten Segment anzubieten haben. Die Angebote sollten für mindestens drei Jahre gelten.

Die beiden Neubauten am Radeland haben zusammen 900.000 Euro gekostet, 500.000 Euro fallen für die Container am Kortenkamp an und wahrscheinlich noch einmal etwa 500.000 Euro für die Roseneck-Bebauung. Investitionen, die Großhansdorf – bis auf 25.000 Euro vom Bund – bislang allein tragen muss.

Verwaltungschef lobt Flüchtlingskreis und Hilfsbereitschaft vieler Bürger

Über die Hilfe durch den Flüchtlingskreis freut sich Voß genauso wie über die Sachspenden vieler Bürger. Selbst wenn es manchmal zu Irritationen kommt: „Wenn jemand eine großflächige Wohnlandschaft geben will, dann kommt schon mal der Hinweis auf den geringen Platz in den Gemeinschaftsräumen unserer Unterkünfte.“ Außerdem ist der Bedarf an deutscher Wohnkultur mit den Standard-Gardinen ja auch schon recht gut abgedeckt.