Bad Oldesloe. Täglich kommen Asylbewerber, wie die Othmans aus Syrien, in Stormarn an. Auch für die Kreisverwaltung eine große Herausforderung.
Durch die Tür dringt nur wenig Tageslicht bis in die Eingangshalle vor. Kein Mensch ist auf den tristen Fluren zu sehen oder zu hören. Eine merkwürdige Stille. Aber da, etwas Buntes: Bilderbücher, Kuscheltiere und Brettspiele liegen chaotisch in einem kleinen, blauen Regal herum. Ausländerbehörde in Bad Oldesloe, Freitagmorgen. „Es ist die Ruhe vor dem Sturm“, sagt Angela Ruge. Gleich kommen die nächsten Asylbewerber. 22 sind angekündigt. 50 waren es schon in dieser Woche. „Früher kamen jeden Dienstag Flüchtlinge, jetzt kommen bald jeden welche“, sagt Ruge. Das Personal stoße mittlerweile an seine Grenzen. Vieles sei nicht mehr planbar.
Die Glastür geht auf. Eine vierköpfige Familie tritt ein. Vater, Mutter, Kinder wirken unsicher. Schauen sich suchend um. Nichts wird länger als zwei Sekunden angeschaut. Nour Othman, die Mutter, hält ihre beiden Söhne Asslan und Ivan fest an ihren Händen. Vater Faiyz zieht einen großen, blauen Koffer hinter sich her. Doch schon haben die Jungs haben die provisorische Spielecke entdeckt und toben drauf los. Sie lachen wieder. Genauso wie nun auch Mama und Papa.
„Wir kommen aus Syrien“, sagt die Mutter auf gebrochenem Englisch. Dann holt sie einen DIN-A4-Zettel aus ihrer Handtasche hervor. Leicht zerknittert ist der. Die Syrierin fragt, wo sie denn hin müsse. Antwort bekommt sie von Verwaltungsmitarbeiter Dennis Kohlmann. „Warten Sie bitte einen Augenblick“, sagt er ruhig und freundlich.
Unterdessen füllt sich die Eingangshalle. Innerhalb weniger Minuten sind 18 weitere Asylbewerber eingetroffen. Überall stehen jetzt Koffer, Sporttaschen und volle Plastiktüten herum. Einige Menschen setzen sich auf die Stühle, andere auf ihr Gepäck. Alle halten weiße Zettel in den Händen.
Alle Flüchtlinge müssen ihren sogenannten BÜMA-Zettel abgeben
Dennis Kohlmann erklärt: „Das ist die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender.“ Kurz heißt sie BÜMA und bescheinigt, dass sich die Flüchtlinge nicht illegal aufhalten, sondern einen Asylantrag stellen möchten. „Ohne dieses Papier könnte keiner der Ankömmlinge in Deutschland umherreisen“, sagt er weiter. Als nächstes macht er der Truppe verständlich, dass er die Zettel einsammeln müsse.
Heute ist die Kommunikation mit den Flüchtlingen schwierig. „Normalerweise haben sie Sprachmittler dabei“, erklärt Kohlmann und rennt mit dem Stapel zu seinen fünf Kollegen. Eine Familie nach der anderen wird in eines der freien Büros aufgerufen. In einem davon wartet Sebastian Hecklau auf Familie Othman. Er begrüßt sie herzlich und überprüft, ob alle in der BÜMA aufgelisteten Personen da sind. „Vollständig“, sagt er und drückt einen schwarzen Stempel auf das Dokument. Die beiden Jungs schauen mit großen Augen zu. Nach nicht einmal zwei Minuten ist die nächste Familie im mit Akten vollgestopften Büro Hecklaus. „Ab nächster Woche sollen jeden Tag neue Bewerber vor unseren Türen stehen“, sagt er. „Wir geben uns Mühe, alles zu schaffen. Aber unsere Grenzen sind fast erreicht.“
In der Eingangshalle wird es hektischer. Keiner weiß, wo es als nächstes hingeht. Da ergreift Familienvater Lulzim Aliu die Gelegenheit. Er spricht gutes Englisch und übersetzt die nächsten Anweisungen des Behördenpersonals. Der Albaner sagt in seiner Muttersprache: „Wir müssen nun zum Sozialamt rüber.“ Die Flüchtlinge beruhigen sich. Rücksäcke und Taschen werden in die Hand genommen. Die Truppe setzt sich in Bewegung.
Mitarbeiter beim Kreis haben Überstunden im dreistelligen Bereich
Ein Gebäude weiter befindet sich das Sozialamt. Hier kümmern sich momentan vier Personen um den Fachbereich 34: Asylverfahren. So auch Diana Becker. Sie teilt sich das Büro mit einer Kollegin, die heute frei hat. „Irgendwann müssen die Überstunden ja mal abgebaut werden“, scherzt sie. Die Fachbereichsleiterin für Soziales und Gesundheit, Edith Ulferts, sagt dazu: „Unsere Mitarbeiter haben Überstunden im dreistelligen Bereich.“ Auch sie selbst fange mittlerweile schon um 6 Uhr an zu arbeiten. Das Abschalten nach der Arbeit falle ihr schwer.
Das Telefon von Diana Becker klingelt in einer Tour. Entschuldigend sagt sie: „Uns rufen viele Ärzte und Apotheker an.“ Die fragen dann nach, ob eine bestimmte Person tatsächlich Asyl beantragt habe und die Rechnung für das Medikament somit übernommen werde. „Es herrscht Unsicherheit“, sagt sie. Und es gebe zu wenig Personal.
Für das nächste Jahr hat die Ausländerbehörde eineinhalb Stellen mehr beantragt. Das Sozialamt hat eine zusätzliche Stelle beantragt. Wie viele neue Mitarbeiter tatsächlich kommen werden, wird erst Ende des Jahres feststehen. Allerdings mussten die Fachbereichsleiter schon Anfang des Jahres ihren Antrag stellen. Damals hätte keiner die jetzige Situation hervorsehen können.
Aus dem Flur sind plötzlich Stimmen zu hören. Die Flüchtlinge treten in Beckers Büro. Becker greift nach einer Liste, auf der die Zuweisungen der Personen zur jeweiligen Kommune draufstehen. Zu Familie Othman sagt die 34-Jährige herzlich: „Sie kommen nach Witzhave.“ Mit Bleistift zeichnet sie den Ort auf einer Karte ein. „Gleich holt Sie ein Taxi ab. Das fährt sie zum zuständigen Sozialamt nach Trittau. Dort bekommen Sie den Schlüssel für die Unterkunft und auch Geld“, erklärt sie weiter.
Nach fünf Minuten tritt die nächste Familie hinein. Eine nach der anderen wird zugeteilt. Heute klappt alles reibungslos. „Wir werden ausnahmsweise mal wieder pünktlich in das Wochenende starten können“, freut sich Becker und winkt einem kleinen Flüchtlingsjungen zum Abschied.