Bad Oldesloe. Landeskabinett tagt in Bad Oldesloe. Innenminister sucht weitere Massenunterkünfte. Landrat ist in Sorge, dass die Stimmung kippt.
Auf dem Gehweg vor dem Sozialamt stehen die neuen Flüchtlinge. Sie haben große Koffer dabei mit ihrem gesamten Hab und Gut darin. Auf der anderen Straßenseite sitzen die Herrschaften. Sie haben große Autos dabei mit ihren Chauffeuren. Die Flüchtlinge lugen hinüber, blinzeln im Sonnenlicht. Die Sonne reflektiert auf dem Lack von S-Klasse-Mercedes und Audi A8. Kreisverwaltung Stormarn, Dienstagmittag. Größer könnte der Kontrast kaum sein. Drinnen tagen Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und sein Kabinett. Draußen stehen die Menschen, um die es geht.
Der Zustrom auch nach Stormarn gewinnt an Tempo
Bei der Pressekonferenz im Anschluss spricht der Ministerpräsident von einer „angespannten Lage“. Und dass es ein Problem sei, „keine Antworten geben zu können, wo wir in einem Jahr sind“. Sein Innenminister Stefan Studt (SPD) sagt, dass die Regierung im gesamten Land nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten „für 500, 600 oder 700 Leute“ suche. Offenbar auch in Stormarn. An den Landrat gerichtet sagt Studt: „Wo Sie, Herr Plöger, gute, kreative Lösungen haben, teilen Sie uns das bitte mit.“ Klaus Plöger macht wortlos deutlich, dass er keine guten, kreativen Lösungen habe.
Doch der Zustrom auch nach Stormarn gewinnt an Tempo. Edith Ulferts, Sozialamtsleiterin in der Kreisverwaltung, beziffert die Zahl der Flüchtlinge mit zurzeit etwa 1580. Bislang sind immer dienstags neue angereist. „In dieser Woche kommen auch am Freitag welche“, sagt Ulferts. „Und ab nächster Woche kommen sie täglich. Etwa 100 Menschen pro Woche.“
Landrat Plöger macht deutlich, dass die Kommunen Schwierigkeiten haben
Landrat Plöger betont, dass die Kommunen in Stormarn bislang immer eine Lösung gefunden hätten, um die Flüchtlinge ordentlich unterzubringen. Gleichzeitig macht er an diesem Tag sehr deutlich, dass er sich sorge. „Die Kommunen kommen zunehmend in wirkliche Schwierigkeiten“, sagt Plöger. Und: „Helfen ist gut. Aber es gibt auch Grenzen. Ich hoffe, dass das auch in Berlin erkannt wird.“ Er habe Sorge, dass die Stimmung in der Gesellschaft kippe. „Nur Gutmensch zu sein hilft nicht. Man muss auch Realist sein.“
Ein ganz praktisches Problem sieht Plöger darin, „dass wir abends noch nicht wissen, wer am nächsten Morgen kommt“. Ministerpräsident Albig räumt ein, dass es zurzeit keine planbaren Vorläufe gebe. Die Flüchtlinge würden viel zu schnell aus den Erstaufnahmen an die Kommunen weitergereicht.
Andere Probleme lassen sich dagegen offenbar vergleichsweise schnell regeln. Neben dem Flüchtlingsthema mit seiner europaweiten Relevanz auf der Agenda der Landesregierung: die Schwierigkeiten, mit denen drei Stormarner Landwirte nach dem Insolvenzantrag des Bochumer Straßenbauunternehmens Betam zu kämpfen haben. Wie berichtet, hatten sie im vergangenen Jahr Felder an die Baufirma vermietet, die darauf unter anderem Erde, Geröll und Betonrohre gelagert und außerdem ein Betonmischwerk betrieb. Nun warten die Landwirte vergeblich auf einen Rückbau ihrer Flächen. Landrat Klaus Plöger: „Ich habe den Betroffenen versprochen, dass es nicht sein kann, dass sie nun in ihrer Existenz gefährdet sind.“
Nach Erörterung des Problems im Kabinett ist nun klar: Es soll demnächst eine Gesprächsrunde mit allen Betroffenen geben, deren Ziel ist, dass „intelligente Lösungen gefunden werden“. Plöger: „Das ist mehr, als man erwarten durfte.“
Kabinettsmitglieder besuchen Firmen, Behörden, Vereine und Schulen
Nach dem Ende der Sitzung schwärmen die Mitglieder der Landesregierung aus. Torsten Albig etwa sieht sich bei Hela in Ahrensburg und bei Möbius Modellbau in Barsbüttel um. Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW) stattet dem Amtsgericht Ahrensburg und dem Betreuungsverein Stormarn einen Besuch ab, Innenminister Studt fährt zur Bezirkskriminalinspektion der Polizei in Bad Oldesloe.
Und Dirk Loßack, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Berufsbildung, überreicht der Beruflichen Schule in Bad Oldesloe ein Genehmigungsschreiben für die Einrichtung einer Fachschule für Sozialpädagogik. Dann schließt sich der Kreis: Am Ende geht’s um berufsschulpflichtige Migranten, die „im Kontext einer beruflichen Grundbildung“ Deutsch lernen.