Lütjensee. Der Musical-Darsteller Enrico De Pieri ist in Stormarn heimisch geworden. Bald spielt er in „Aladdin“ in Hamburg eine Hauptrolle.

Der Lütjenseer Sänger Enrico De Pieri ist einer der neuen Stars am Hamburger Musical-Himmel: Ab Dezember spielt er in der neuen Stage-Entertainment-Produktion „Aladdin“ den Flaschengeist aus der Wunderlampe im Theater Neue Flora. Auf den 37-Jährigen kommen harte Zeiten zu: Acht Vorstellungen pro Woche spielt er dann. Dabei muss De Pieri nicht nur singen und schauspielern, sondern auch tanzen und steppen.

Noch genießt er aber seine Freizeit am Lütjensee. Lässig, mit halb geöffnetem Jeanshemd und wallendem Brusthaar sitzt er am Bootshaus neben der Fischerklause am See. Seinen Beruf sieht man dem 37-Jährigen durchaus an: die Haltung aufrecht, der Brustkorb breit und muskulös, eine ungeheure Präsenz im Blick. Wenn er von seinen Auftritten erzählt, leuchten seine Augen. „Die Bühne ist für mich einer der schönsten Orte, die es gibt“, sagt der Lütjenseer. „Es gibt einfach keinen Ort – das klingt jetzt natürlich super kitschig – der so von Liebe erfüllt ist.“

De Pieri bezeichnet sich selbst als Baritenor

Liebe? „Gehen Sie mal vor und dann wieder direkt nach einer Vorstellung in ein Theater“, sagt De Pieri. „Da spüren Sie, dass etwas passiert ist im Raum. Es ist doch so: Wir Darsteller geben den Zuschauern etwas, und die wiederum beschenken uns mit ihrer Zuneigung.“ Auch zu den Kollegen auf der Bühne gehe man als Sänger ein großes Vertrauensverhältnis ein, sagt De Pieri, der seine Stimmlage zwischen Tenor und Bariton angesiedelt sieht und sich als Baritenor bezeichnet.

Groß gefeiert wird nach besonders gelungenen Vorstellungen allerdings nicht. „Sie können dann nicht einfach mit den Kollegen noch ein Bier trinken gehen. Denn wenn Sie nur eines zu viel trinken, würden sie es am nächsten Tag sofort heimgezahlt kriegen“, sagt De Pieri. Als Musicaldarsteller muss der 37-Jährige körperliche Höchstleistung vollbringen – und in Topform sein. Was heißt: regelmäßig Schlaf, volle Konzentration, gute Ernährung und vor allem: auf keinen Fall krank werden.

Zum Musical durch Zufall

 

Der Sänger Enrico De Pieri wuchs in Kiel auf und bekam seinen ersten Gesangsunterricht mit 16 Jahren. Mit 18 erreichte er beim Wettbewerb Jugend musiziert den dritten Platz auf Bundesebene.

 

Er studierte Operngesang, Lied und Oratorium an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg (1997 bis 2005). Zum Musical kam er eher durch Zufall: Neben seinem Studium unterrichtete er Gesang an der Joop van den Ende Academy in Hamburg. Er probierte diese Sparte selbst aus – und blieb dabei. Es folgten Engagements

 

Es folgten Engagements in Kiel und Stuttgart, wo er im Musical 3 Musketiere eine der Hauptrollen spielte. Zuletzt war er in Düsseldorf in Hape Kerkelings Musical Kein Pardon zu sehen und am Münchner Gärtnerplatztheater in dem Stück Bussi – Das Munical. sx

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Unfassbar ökonomisch müsse man mit seinen Kräften umgehen, sagt der Sänger. „Denn das muss man erst einmal schaffen, achtmal pro Woche die gleiche Leistung zu bringen.“ Wenn die Vorstellungen im Dezember beginnen, wird der 37-Jährige nur noch an einem Tag der Woche, nämlich montags, frei haben. Sonnabend und Sonntag spielt er jeweils sogar zwei Vorstellungen, nachmittags und abends.

„Ich gebe in dem Jahr während meines Engagements mein Leben komplett ab“, sagt er. „Theater, Kino, Feiern – das ist alles nicht mehr möglich. Aber das weiß ich ja, das mache ich ja freiwillig – weil ich diese Rolle will“, sagt De Pieri, und da ist wieder dieses Leuchten in seinen Augen.

Zu Hause in Lütjensee zu sein ist für De Pieri „wie Urlaub“

Um die hohen Anforderungen auf der Bühne gut zu meistern, macht De Pieri in seiner Freizeit Cardiotraining im Fitnesstudio. „Für die Ausdauer, denn ich muss ja tanzen und anschließend noch singen. Die anspruchsvollen hohen Töne kommen ja meistens erst am Schluss“, sagt er und grinst verschmitzt. Pro Show gluckern mindestens zwei Liter Wasser seine Kehle hinab. Davor, über den Tag verteilt, seien es sicher auch zwei bis drei Liter, sagt der Lütjenseer.

Doch wie hält De Pieri das aus? „Hier in Lütjensee finde ich die Ruhe, die ich in einer Großstadt wie Hamburg nicht habe. Wenn ich zu Hause bin, ist das für mich wie Urlaub. Ich fahre mit dem Fahrrad an den See, ich koche schön, und meine Freunde kommen mich auch gern besuchen.“

Seit zwei Jahren lebt er gemeinsam mit seinem Partner in einem kleinen Häuschen zur Miete. Es gehört Freunden der beiden, die direkt nebenan wohnen. Acht Minuten braucht De Pieri zu Fuß an den See zu seinem Lieblingsplatz am Bootshaus neben dem Restaurant Fischerklause. Dort gibt es hausgemachtes Eis – und De Pieri ist ein echter Experte auf dem Gebiet: Seine Eltern – der Vater hat italienische Wurzeln – betreiben in Kiel eine Eisdiele, in der der Sänger sein halbes Leben verbracht hat. „Ich liebe Eis“, sagt der 37-Jährige, lacht und bestellt sich zwei Kugeln in der Waffel.

Im Musical „Kein Pardon“ in Düsseldorf spielte Enrico Di Pieri die Rolle des Peter Schlönzke
Im Musical „Kein Pardon“ in Düsseldorf spielte Enrico Di Pieri die Rolle des Peter Schlönzke © Mehr! Entertainment

Es sei nicht nur ein unglaublicher Luxus, an einem See zu wohnen, sagt De Pieri, er schätze vor allem die Langsamkeit, die auf dem Land oft vorherrsche. „Es ist einfach weniger stressig hier“, so der Sänger, der seine Lebensmittel gern auf den Biohöfen in der Region einkauft. „Ich bin auch gern in Trittau, ich finde die kleine Einkaufsstraße dort einfach sehr nett. Und Ahrensburg ist ja auch nicht weit.“

Doch nicht nur privat ist Enrico De Pieri in Stormarn aktiv, kürzlich wirkte er auch bei einem großen Musical-Projekt in Ahrensburg mit: Prominente der deutschsprachigen Musiscalszene hatten im November vergangenen Jahres innerhalb von 24 Stunden vier kurze Musicals komponiert, inszeniert, geprobt und aufgeführt (wir berichteten).

Bald beginnt die Probenphase für die neue Rolle in „Aladdin“ samt Steppunterricht. De Pieri liebt seinen Beruf. Er sagt: „Singen verbindet ja alles miteinander: den Körper, den Kopf und die Emotionen.“ Außerdem brauche er es, um seinen Gefühlen Platz zu machen. De Pieri: „Ohne Singen würde ich vermutlich verrückt werden.“