HambUrg. Hamburg ist für das Musicalunternehmen wichtigster Standort, hier werden auch die höchsten Ticketpreise erlöst.

Die Stage Entertainment hat ihre Zentrale in Hamburg. Vom Firmensitz in der Speicherstadt aus lenkt Uschi Neuß seit September 2013 die Geschicke des Musicalunternehmens mit elf Spielstätten und etwa 1700 Mitarbeitern in Deutschland. Die gebürtige Brühlerin setzt auf den Standort Hamburg als deutsche Musicalhauptstadt. Im Interview mit dem Abendblatt spricht die 49-Jährige über Expansionspläne, Tops und Flops und Hamburg als Spitzenreiter bei den Ticketpreisen.

Hamburger Abendblatt : Die Stage Entertainment hat im November vergangenen Jahres im Hafen das vierte Musicaltheater in Hamburg eröffnet, in dem „Das Wunder von Bern“ aufgeführt wird. Fürchten Sie nicht, dass der Markt gesättigt ist?

Uschi Neuß: Auf keinen Fall. Wir sehen sogar den Markt für eine fünfte Stage Spielstätte in Hamburg. Das wird zwar nicht heute oder übermorgen passieren, aber die touristische Zugkraft der Stadt und die Verbindung Hamburgs mit Musicals ist sehr stark. Deshalb ist es aus unternehmerischer Sicht sinnvoll, in Zukunft ein weiteres Haus zu eröffnen. Wir sind auf der Suche nach passenden Standorten. Dabei kommen für uns bestehende Immobilien infrage, die wir dann langfristig mieten, oder Standorte, an denen wir ein neues Theater bauen können.

Wie kommt „Das Wunder von Bern“ beim Publikum an?

Neuß : Wir sind von dem Erfolg überwältigt. Die Besucher sind begeistert, dementsprechend groß ist die Nachfrage und die Auslastung. Wir hatten selten so viel positive Resonanz. Dieses Stück weckt große Emotionen bei den Zuschauern. Ich bin mir sicher, dass diese Produktion langfristig am Standort Hamburg erfolgreich sein wird.

Das ist beim „Rocky“-Musical nicht der Fall. Das Stück wird nach noch nicht einmal drei Jahren abgesetzt und soll die Erwartungen nicht erfüllt haben.

Neuß : Wir ziehen mit „Rocky“ nach drei Jahren in Hamburg nach Stuttgart in unser Stage Apollo Theater, wo es im November Premiere haben wird. „Rocky“ hat im Operettenhaus zumindest wirtschaftlich nicht den Erfolg gebracht, den wir uns erhofft hatten. In der Regel spielen wir die Produktionskosten von Musicals dieser Größenordnung in ein bis zwei Jahren wieder ein (Anmerkung der Redaktion: Diese lagen bei „Rocky“ bei gut 15 Millionen Euro). Das hat bei Rocky“ länger gedauert.

„Rocky“ wurde am Broadway in New York aufgeführt und nach wenigen Monaten wieder abgesetzt. Ein Fiasko?

Neuß: Auf keinen Fall. „Rocky“ hat uns nach vorn gebracht. Wir waren mit unserer ersten, in Deutschland entwickelten Produktion am Broadway, das ist keine Selbstverständlichkeit für Nichtamerikaner. Wir sind stolz darauf, dass wir mit „Rocky“ auch den Standort Hamburg international bekannt gemacht haben. Künstlerisch und für unseren Ruf in der internationalen Musicalwelt war „Rocky“ ein Meilenstein.

Derzeit werden zwei Karten für „Rocky“ für 99 Euro in einem Prospekt einer Supermarktkette angeboten. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht besser, die Show schon vor dem beschlossenen Umzug von „Rocky“ nach Stuttgart zu beenden?

Neuß: Nein. Zum einen wird nur ein kleines Kontingent an einen Partner zu diesem Preis vergeben, und das ist eine ganz übliche Maßnahme. Und zum anderen ist „Rocky“ ja kein Misserfolg. Für uns kommt es am Ende immer darauf an, dass wir im Durchschnitt einen möglichst hohen Ticketpreis erlösen, und da sind wir in Hamburg sehr zufrieden.

Wie hoch ist der Durchschnittspreis?

Neuß: Dieser liegt in Hamburg bei rund 100 Euro pro Karte. Damit erzielen wir hier das höchste Preisniveau aller deutschen Stage-Standorte. Wir sind nicht subventioniert, und unser Produkt ist sehr kostspielig. Diese Preise können wir uns nur erlauben, wenn die Qualität und die Nachfrage stimmen. Wer ein Stage-Theater besucht, den erwartet ein in allen Bereichen hohes Niveau, und das hat eben seinen Preis.

Wie sehen Ihre Umsatzzahlen aus?

Neuß: Im vergangenen Jahr erlösten wir 299 Millionen Euro. Die Gewinne waren relevant. Das muss auch so sein, denn aus den laufenden Einnahmen finanzieren wir unsere laufenden Kosten und aus unseren Gewinnen die neuen Produktionen. Wir nutzen keine Kredite von Banken und erhalten auch keinerlei Zuschüsse. Zusätzlich haben wir im letzten Jahr auch das neue Musicaltheater in Hamburg aus eigenen Mitteln finanziert.

„Liebe stirbt nie“ tritt die Nachfolge von „Rocky“ im Operettenhaus an. Warum haben Sie dieses Stück gewählt?

Neuß: Das dürfte ein Publikumsmagnet werden. „Liebe stirbt nie“ ist der zweite Teil des Kultmusicals „Das Phantom der Oper“ und ist wieder das Werk des Erfolgskomponisten Andrew Lloyd-Webber. Deshalb ist es ein Muss für die Phantom-Fans. Es wollen bestimmt alle erfahren, wie es bei der unvergänglichen Liebe zwischen dem Phantom und Christine weitergeht.

Und „Aladdin“ wird ab Herbst in der Neuen Flora in Altona gezeigt und löst das „Phantom der Oper“ ab. Welche Erwartungen haben Sie an „Aladdin“?

Neuß: Das ist der nächste Disney-Hit. „Aladdin“ wurde am Broadway in New York stürmisch gefeiert, und wir freuen uns schon auf die Europa-Premiere in Hamburg. Das wird ein großes, buntes Musicalerlebnis für die ganze Familie. Wir hoffen auf einen ähnlichen Erfolg wie bei „Tarzan“.

Wann sehen wir in Hamburg das erste Musical in englischer Sprache?

Neuß: Bei der Stage gibt es dazu keine Planungen. Uns fehlt der Markt dafür. Hamburg hat in Summe für uns zu wenige internationale Besucher. Allerdings gibt es Überlegungen, dass wir auch in Hamburg unsere Musicals mit englischen Untertiteln präsentieren. Das praktizieren wir bereits erfolgreich mit „Hinterm Horizont“ in unserem Berliner Stage Theater am Potsdamer Platz.