In unserer Serie stellen wir Landgasthöfe vor, zu denen sich ein Ausflug lonht. Heute: das Forsthaus Seebergen in Lütjensee (Stormarn).
Wie ein kleines, verwunschenes Dorf tauchen sie am Rande des Waldes auf: weiß getünchte Fachwerkhäuser, die direkt am Wasser liegen und in ihrer Einheit das Hotel und Restaurant Forsthaus Seebergen bilden. Eine kleine Brücke führt über einen der drei großen Teiche, auf denen Schwäne und Enten schwimmen und in denen Karpfen und andere Teichbewohner zu Hause sind. Es wirkt so idyllisch, abgeschieden und irgendwie aus der Zeit gefallen, dass sich Körper und Seele automatisch zu entspannen scheinen, sobald die Füße das rund sieben Hektar große Forsthausgelände betreten.
Das sind beste Voraussetzungen für Geschäftsreisende, die einen klaren Kopf bekommen wollen. Für Familien, die dem Alltag entfliehen oder Verliebte, die sich hier das Jawort geben und ihr Glück gemeinsam mit Verwandten und Freunden feiern möchten. Aber eben auch für jeden anderen, der sich mitten in der Natur feines Essen gönnen will.
Küchenchef Alexander Genke war zuvor in einem Berliner Gourmet-Restaurant
Und dafür sorgt Alexander Genke. Der 36-Jährige ist seit anderthalb Jahren Küchenchef im Forsthaus Seebergen. Die Liebe hat ihn nach Lütjensee verschlagen: Vor zwölf Jahren lernte der auf Rügen Geborene an seinem damaligen Arbeitsplatz, dem Gourmet-Restaurant Margaux in Berlin, Franziska Genke kennen. Die damals 24-Jährige war noch auf der Suche nach ihrem Traumjob und stand vor der Wahl: Chemiestudium oder doch lieber etwas mit Gastronomie?
Denn damit ist sie aufgewachsen: Ihren Eltern Brigitte und Peter gehörte zu dieser Zeit das Forsthaus Seebergen. Davor den Großeltern und davor den Urgroßeltern. „Tradition verpflichtet zwar, trotzdem war ich offen für eine andere berufliche Laufbahn“, sagt Franziska Genke, heute 36 Jahre alt und Sommelière. Dass sie in Berlin den Mann ihres Lebens traf und der sich dann als Koch entpuppte, war wohl eher Schicksal als Zufall.
Die weißen Tischdecken sind stets gestärkt
Für Franziskas vier Jahre jüngere Schwester Ulrike Wenhardt stand dagegen früh fest, dass sie in den elterlichen Betrieb einsteigt. „Ich wollte schon als Kind immer mithelfen und Tische abräumen oder Gläser spülen“, erzählt die heutige Hotelbetriebswirtin. Selbst drei stressige Praktika in anderen Hotels und Restaurants brachten sie nicht von ihrem Ziel ab.
Seit dem Tod von Vater Peter im Jahr 2007 leiten die beiden jungen Schwestern gemeinsam mit Mutter Brigitte nun das Forsthaus Seebergen, das sich über die letzten Jahrzehnte zwar ständig erweitert und modernisiert hat, seinem Stil jedoch immer treu geblieben ist. Die verschiedenen Räume des Restaurants sind mit klassischen Möbeln ausgestattet, die weißen Tischdecken stets gestärkt, das Ambiente eher gediegen als im Trend. „Vor allem unsere Stammgäste schätzen das sehr“, sagt Ulrike Wenhardt. Und ihre Schwester Franziska Genke ergänzt: „Wer in einen guten Landgasthof einkehren will, der erwartet solch eine Atmosphäre. Gäste, die aus Hamburg zu uns kommen, sagen uns oft: ,Modernes haben wir in der Stadt genug’.“
Kulinarisch austoben kann sich der Küchenchef besonders bei wechselnden Verwöhn-Menüs
Auch auf der Speisekarte spiegelt sich das Traditionelle wider: Es gibt Rehrücken, Forelle „Müllerin Art“, Lammfilets und Holsteiner Enten. Da scheint für einen Küchenchef wenig Platz für Kreativität zu sein. Doch Alexander Genke widerspricht entschieden: „In der Art der Zubereitung, bei der Wahl der Beilagen oder beim Anrichten lasse ich mir immer wieder Neues einfallen.“ Dabei achte er stets auf die Verwendung regionaler Produkte und das optimale Zusammenspiel der Komponenten aus ernährungsphysiologischer Sicht. Klingt kompliziert. „Schmeckt aber“, verspricht er. „Und tut außerdem dem Körper gut.“
Kulinarisch austoben kann Alexander Genke sich besonders bei den monatlich wechselnden Verwöhn-Menüs. Hier hat der Küchenmeister unter anderem schon Norwegische Meerforelle mit Papaya-Salsa und schwarzem Hawaiisalz auf den Teller gebracht.
Zum Forsthaus Seebergen gehört auch ein kleines Hotel mit 31 Zimmern
Der Wald, an dessen Rand das Forsthaus liegt, lädt nach dem Essen zum Verdauungsspaziergang ein. Kinder treibt es immer wieder zum kleinen Spielplatz und den hauseigenen Ziegen auf der gegenüberliegenden Seite des Schwanenteichs, wo die Eltern sie von der Sommerterrasse aus gut im Blick behalten können.
Wer diese Idylle nicht nur eine Mahlzeit lang genießen möchte, kann auch bleiben: Zum Forsthaus Seebergen gehört ein kleines Drei-Sterne-Hotel mit 31 Zimmern. 1960 wurde es erbaut, 1998 komplett renoviert und im Jahr 2007 noch einmal generalüberholt. Die beiden Forsthaus-Schwestern Ulrike und Franziska teilen sich auch hier die Aufgaben. „In einem Familienbetrieb macht jeder alles“, sagen sie wie aus einem Mund.
Die Chance ist übrigens groß, dass das traditionsreiche Forsthaus Seebergen auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin in der Hand von Familie Genke bleibt: Franziska und ihr Mann Alexander sind bereits vierfache Eltern. Und in Ulrikes Bauch wächst gerade ein Geschwisterchen für Tochter Marlina heran. „Natürlich wünschen wir uns, dass unsere Kinder das Forsthaus eines Tages weiter führen“, sagt Franziska Genke. Doch überreden wollen sie den Nachwuchs dazu nicht. „Wer in der Gastronomie arbeitet, muss das wirklich wollen. Nur, wer mit ganzem Herzen dabei ist, kann auch ein guter Gastgeber sein.“
So kommen sie hin
Lieblingsrezept des Chefkochs: Rosa gebratener Tafelspitz
Alexander Genke empfiehlt rosa gebratenen Tafelspitz mit frischen Pfifferlingen, grünem Spargel und Wildkräutersalat. Rezept für vier Personen:
800 Gramm Kalbstafelspitz, geklärte Butter, Thymian, eine Knolle junger Knoblauch. Sehnen auf der Unterseite mit einem spitzen Messer entfernen. In die Oberseite ein Gitter ritzen. Aber Vorsicht: Nicht ins Fleisch schneiden. Salzen, pfeffern und von allen Seiten gut anbraten. Dabei das Fleisch mit einer Grillzange wenden und nicht mit einer Fleischgabel, da sonst wertvoller Saft austritt.
Knoblauch schälen, in einen Gefrierbeutel geben und ihn mit Topf oder Pfanne zerstoßen. So bleiben die wertvollen ätherischen Öle erhalten. Knoblauch und Thymian auf ein Backpapier geben, den Tafelspitz darauf setzen, das Papier einschlagen und bei 75 Grad für 80 bis 90 Minuten in den vorgeheizten Ofen geben. Kerntemperatur 54 Grad.
Beim grünen Spargel (etwa 500 Gramm) das untere Viertel entfernen. Den Rest in vier Zentimeter lange Teile schneiden. Eine Minute in kochendem Salzwasser blanchieren, kurz abschrecken. Den Spargel bei mittlerer Hitze in 50 Gramm Butter anbraten, mit Salz und Zucker würzen. Sesamkörner dazugeben und leicht karamellisieren lassen. Zwei Stängel glatte Petersilie schneiden und darüber streuen.
500 Gramm frische Pfifferlinge putzen (nicht waschen) und mit 100 Gramm gewürfelten, glasig angeschwitzten Schalotten in geklärter Butter anbraten. Leicht pfeffern. Salz kommt erst dazu, wenn die Pfifferlinge weich sind. Gut durchschwenken und in ein Sieb geben. Mit geschnittenem Schnittlauch bestreuen.
Für den Salat Wildkräuter der Saison oder bunte Blattsalate verwenden. Vinaigrette: drei Esslöffel Weißweinessig, ein Teelöffel Limettensaft, weißer Pfeffer aus der Mühle, ein gehäufter Teelöffel Zucker, drei Esslöffel Geflügelbrühe. Alles vermengen, bis der Zucker aufgelöst ist. Dann sechs Esslöffel Olivenöl langsam unterrühren.
Alle Folgen unserer Serie finden Sie unter www.abendblatt.de/landgasthoefe.