Reinbek. Neues Gesetz ermöglicht Müttern in Not eine vertrauliche Geburt. Das St. Adolf-Stift in Reinbek ist gut darauf vorbereitet
Rund 90 vertrauliche Geburten hat das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BaFzA) seit der Novellierung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) am 1. Mai vergangenen Jahres registriert. Zahlen für die einzelnen Bundesländer und Kreise werden nicht erhoben. „Wir haben aber bisher noch keinen Fall gehabt“, sagt Dr. Alexandra Hoffmann, Oberärztin der Frauenklinik des Reinbeker Krankenhauses St. Adolf-Stift. Sie hofft, dass sich das bald ändert. Damit könnte nämlich die Babyklappe der Klinik überflüssig werden. Denn wenn die Klinik bis heute niemals Zahlen genannt hat: Sie wird offenbar öfter genutzt als bislang angenommen; nach Abendblatt-Informationen „nicht öfter als einmal im Jahr“.
Mit dem Angebot der „vertraulichen Geburt“ hat der Gesetzgeber einen rechtlichen Rahmen für Frauen geschaffen, die ihre Schwangerschaft und Geburt sowie ihre Identität geheimhalten und ihr Kind zur Adoption freigeben möchten. „Die Frau soll auch ohne Namen und Krankenkassenkarte ein Recht auf medizinische Unterstützung vor, während und nach der Geburt haben“, sagt Hoffmann.
Hier gibt’s Beratung
Das ist zwar mit der anonymen Geburt auch schon möglich – wenn auch in einem rechtlichen Graubereich. Doch das Gesetz sieht auch eine Stärkung der Rechte der zur Adoption freigegebenen Kinder vor. Sie sollen mit 16 Jahren die Möglichkeit bekommen, auf Wunsch den Namen der leiblichen Mutter zu erfahren.
„Dass diese Möglichkeit der vertraulichen Geburt besteht, ist erfreulich. Wir versuchen aber auch, einen Weg für eine offene Geburt mit der Schwangeren zu finden, wenn möglich“, sagt Cordula Wenzel, Schwangerenberaterin des Beratungszentrums Südstormarn. Die Beraterinnen sind die erste Anlaufstelle für Schwangere in Notsituationen. „Im Falle einer vertraulichen Geburt muss die Schwangere – anders als bei der anonymen Geburt – ihre Identität ein einziges Mal bei ihrer Beratungsstelle preisgeben. Anschließend wird sie unter einem Pseudonym in den Akten des Jugendamtes und des Krankenhauses geführt“, erklärt Petra Merks, ebenfalls Schwangerenberaterin des Beratungszentrums Südstormarn. Der sogenannte Herkunftsnachweis mit dem Namen der Mutter und den Daten zur Geburt werde von der Beratungsstelle in einem Umschlag ausschließlich an das BaFzA gesendet und dort versiegelt aufbewahrt.
Nach 16 Jahren kann ein Kind erfahren, wer seine Mutter ist
Nach 16 Jahren kann das Kind den Umschlag dann per Antrag einsehen. „Nur wenn mit der Preisgabe der Daten eine Gefahr für Leib und Leben der Mutter droht, beispielsweise durch ihre eigene Familie, kann ein Gericht anders entscheiden“, sagt Merks.
Frauen sollten wissen, betont ihre Kollegin Cordula Wenzel, dass es sichere Alternativen zur heimlichen Geburt und Babyklappe gebe. Eine Adoption könne bei einer vertraulichen Geburt bereits vorbereitet werden, sodass das Kind gleich nach der Geburt eine Bindung zu den Adoptiveltern aufbaue. „Dann geht das Baby nicht allzu vorbelastet ins Leben, wie es bei der Abgabe in der Babyklappe der Fall wäre.“
Die Mutter habe auch die Möglichkeit, Namen für das Kind vorzuschlagen, so Petra Merks. „Die Adoptiveltern sind zwar daran nicht gebunden, aber für das Kind kann es eine wichtige Bedeutung haben, wenn es nach 16 Jahren erfährt, dass die leibliche Mutter sich Gedanken um ihr Kind gemacht hat.“ Ihre Kollegin Cordula Wenzel ergänzt: „Die Mutter kann dem Kind auch Nachrichten über die Beratungsstelle zukommen lassen, die dann ebenfalls mit dem Herkunftsnachweis beim BaFzA einsehbar sind, wenn das Kind alt genug ist.“ Auch dies könne für ein Kind später von großer Bedeutung sein.
Sämtliche Kosten einer vertraulichen Geburt übernimmt der Staat. Dazu gehören ebenfalls Vor- und Nachsorgeuntersuchungen und Betreuung durch eine Hebamme. „Medizinisch und menschlich wird die Schwangere bei einer vertraulichen Geburt genauso betreut wie alle anderen Frauen auch“, sagt Christiane Schwarz, leitende Hebamme der Geburtshilflichen Abteilung am St. Adolf-Stift. Einzig das Kind werde der Mutter nach der Entbindung nicht gezeigt.