Bad Oldesloe. Die Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe schließt vorübergehend Station und verlegt Patienten. In Stormarn fehlen Pflege-Fachkräfte.

Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Je früher ein Patient intensivmedizinisch behandelt wird, desto besser sind seine Chancen auf eine Genesung. Muss sich ein Allgemeinkrankenhaus aus der Intensiv-Versorgung ausklinken, ruft das im Umland Sorgen hervor.

Ein aktuelles, wenn auch ungewöhnliches Beispiel dafür ist die vorübergehende Schließung der Intensivstation in der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe. Die drei dort betreuten Intensivpatienten wurden in Kliniken in Hamburg und Lübeck verlegt. Im Oldesloer Klinikum war die Hälfte der Intensivpflegekräfte aufgrund einer Grippewelle ausgefallen. Zudem befanden sich einige Mitarbeiter im Urlaub.

Laut Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz konnte eine ausreichende Betreuung der Patienten nicht sichergestellt werden. Die Klinikleitung beschloss daher eine kurzfristige Schließung der Abteilung über das Wochenende; mittlerweile werden dort wieder Patienten versorgt. Pressesprecher Eberenz spricht von einem „außergewöhnlichen Personalengpass“, der sich nie ganz ausschließen lasse.

Oft schließen Kliniken ihre Intensivstationen wegen Überfüllung

Tatsächlich ist die vorübergehende Schließung einer Intensivstation aufgrund von Personalmangel eine Ausnahme. „Das kommt relativ selten vor“, sagt Bernd Krämer, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein. Weitaus drängender hingegen ist das Problem der Überfüllung. Laut Christian Michel von der Integrierten Regionalleitstelle Süd, zu deren Einsatzgebiet neben Stormarn die Kreise Ostholstein und Herzogtum Lauenburg gehören, meldeten Krankenhäuser der Region mehrmals in der Woche einen Aufnahmestopp: „Es ist quasi Standard, dass die Häuser wegen Überfüllung für uns geschlossen sind.“

Kündigt ein Notarzt einen Intensivpatienten an, informiert die Leitstelle den Rettungsdienst, welches Krankenhaus in der Umgebung einen Platz bereitstellen kann, und reserviert ihn. Meist sei ein solcher Notstand nach 24 Stunden wieder vorüber, so Michel. Bernd Krämer vom Landesverband der Krankenhausträger sieht daher keinen Grund zur Beunruhigung. Für den Fall einer geschlossenen bzw. aufnahmeunfähigen Intensivstation im Kreis Stormarn gäbe es schließlich genügend Alternativen in der Umgebung.

Wenn Intensivstationen aufgrund von fehlendem Personal vorübergehend schließen müssen oder wegen Überfüllung einen Aufnahmestopp verhängen, lassen sich dafür in der Regel einzelne Auslöser wie etwa eine Grippewelle finden. Zugleich sind die Engpässe aber Symptome eines generellen Personalmangels in der Intensivbetreuung, von dem nicht nur einzelne Krankenhäuser betroffen sind.

Angela Ahrens, die stellvertretende Pflegedirektorin im Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift und damit gewissermaßen von der Konkurrenz, äußert daher Verständnis für die Entscheidung der Oldesloer Klinik: „50 Prozent kurzfristiger Ausfall durch Krankheit lassen sich im 3-Schicht-System nicht einfach kompensieren.“ Während auf normalen Abteilungen Personal aus anderen Stationen einspringen könne, sei das angesichts der hohen Spezialisierung der Intensivpflegekräfte nicht möglich.

Stehen im eigenen Haus nicht genügend Pflegekräfte zur Verfügung, greift die Asklepios-Klinik laut Eberenz in der Regel auf Personalvermittler zurück. Diese Leihkräfte aber müssten zunächst vom Stammpersonal eingearbeitet werden – wenn sie denn überhaupt verfügbar seien: „Fachpersonal für den Bereich Intensivmedizin ist bundesweit sehr knapp und kurzfristig nur schwer zu ersetzen“, so Eberenz. Eine große Reserve an Fachkräften könne die Klinik aber aus finanziellen Gründen nicht bereithalten.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Bernd Krämer: „Wenn man die absolute Sicherheit haben wollte, müsste man das Personal aufstocken. Das wäre aber sehr kostspielig.“

Krankenkassen und Gewerkschafter sehen die Kliniken in der Pflicht

Einen Pool an Pflegekräften aufzubauen, der nur bei einem derart extremen Engpass wie kürzlich in Bad Oldesloe nötig würde, hält Volker Clasen von der Techniker Krankenkasse Schleswig-Holstein nicht für sinnvoll. „Die Krankenhäuser bekommen im Allgemeinen genug Geld, um die Behandlung der Patienten sicherstellen zu können.“ Die stellvertretende Pressesprecherin des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland (GKV), Ann Marini, sieht die Verantwortung für ausreichendes Personal ebenfalls vor allem bei den einzelnen Krankenhäusern: „Das ist nun mal die Management-Aufgabe der Klinik.“

Auch Imke Wriedt, Gewerkschaftssekretärin Gesundheit bei der Gewerkschaft Ver.di, nimmt die Krankenhäuser in die Pflicht: „Die Personalschlüssel, die die Häuser anlegen, sind grundsätzlich zu niedrig.“

Anfang März untersuchte Ver.di anhand von mehr als 200 öffentlichen, kirchlichen sowie privaten Krankenhäusern in Deutschland, wie viele Intensivpatienten eine Pflegekraft im Schnitt betreut. Mit 3,3 Patienten pro Fachkraft liegt der ermittelte Wert deutlich über der Empfehlung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, die ein Pflegekraft-Intensivpatienten-Verhältnis von eins zu zwei empfiehlt.

Die Asklepios-Klinik wollte dazu keine konkreten Angaben machen, betonte aber, unter dem von Ver.di ermittelten Durchschnitt zu liegen.

Vor den Folgen des seit Jahren ungedeckten Bedarfs an Fachkräften warnte das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) bereits im sogenannten Pflegethermometer 2012. Häufig könnten Mitarbeiter ihre Pausenzeiten nicht einhalten; mit der Belastung der Pflegekräfte steige das Risiko für Fehler.

Die Gewerkschaft Ver.di sieht vor allem die Politik in der Verantwortung und fordert die Landesregierungen auf, Mindestvorgaben zur Personalbesetzung in den Kliniken festzuschreiben. Zudem müsse die Ausbildung in der Intensivpflege ausgebaut werden. Denn wenn es nicht genug ausgebildete Fachkräfte gebe, könnten auch die erforderlichen Personalschlüssel schlicht nicht umgesetzt werden.