Die neue Stromtrasse betrifft viele Gemeinden – auch im Kreis Stormarn. Bewohner möchten weiter über Pläne des Netzbetreibers und mögliche Risiken des Netzausbaus unterrichtet werden.
Bad Oldesloe. Der Bau der neuen Stromtrasse von der Ostküste Schleswig-Holsteins, die auch durch Teile Stormarns führen wird, hat bei der Auftaktinformationsveranstaltung des Energiewendeministeriums und des Netzbetreibers Tennet für eher verhaltene Reaktionen gesorgt. Der erste Eindruck zeigt, dass die anwesenden Bürger dem Vorhaben zunächst einmal offen gegenüberstehen, aber dennoch mitreden wollen.
„Ich finde es gut, dass wir informiert werden. Aber ich finde, dass die Auskünfte noch konkreter sein könnten – zum Beispiel, was die genaue Höhe der Masten angeht“, merkte ein Bürger an, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Die sind ja deutlich höher als die alten – und nicht nur ein wenig, wie gesagt wurde.“ Der Stormarner wohnt zwischen Bargfeld-Stegen und Elmenhorst und wäre somit von der südlichsten Variante der drei möglichen Trassen betroffen. Die verläuft an der bestehenden 110-Kilovolt-Trasse bei Tangstedt, Pölitz und entweder südlich von Westerau oder an der Autobahn 1 entlang.
Mehr und konkretere Informationen wünschte sich auch Hamberges Bürgermeister Paul Friedrich Beeck, der seine Gemeinde – nördlich verläuft die A1, südlich die bestehende 110-Kilovolt-Leitung – als erheblich überbelastet sieht. „Wenn die Fehmarnbeltquerung kommt, werden wir sehr viel mehr Verkehr haben. Die südliche Trasse würde direkt durch das Gemeindegebiet verlaufen. Wir brauchen in jedem Fall detaillierte Informationen, um den Bürgern erklären zu können, was auf sie zukommt.“
Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) versicherte, dass alle Fragen im Laufe des Dialogverfahrens in jedem Fall beantwortet würden. „Die Antworten werden allerdings vielleicht nicht jedem gefallen.“ Die Antwort, die Beeck bereits an diesem Abend bekommen hatte, gefiel ihm sicherlich nicht. Planer Uwe Herrmann erklärte, dass durch die Bündelung von Infrastruktur, zu dem der Netzbetreiber verpflichtet ist, Gemeinden mit viel Infrastruktur ebendeswegen weiter belastet werden könnten. „Dieser Effekt ist natürlich nicht unbedingt vorteilhaft für manche Orte“, räumte er ein.
Peter Kerger aus Willendorf, einem Ortsteil der Gemeinde Rehhorst, findet auch, dass seine Gemeinde zu sehr belastet wäre, wenn die zweite Variante an der bestehenden 220-Kilovolt-Leitung bei Travenbrück, Wakendorf I und Rehhorst bis nördlich von Heilshoop gebaut würde. „Ich habe den Eindruck, dass diese Variante favorisiert wird, weil sehr viel über diese Möglichkeit gesprochen wurde. Aber wir haben schon fünf Windräder vor der Nase.“ Kerger würde begrüßen, die Stromtrasse unterirdisch zu verlegen. „Dafür gibt es auch schon Pilotprojekte.“
Alexander Greß, der beim Netzbetreiber Tennet die Projekte in Schleswig-Holstein betreut, entgegnet: „Das ist im Moment nicht Stand der Technik und würde somit die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten.“ In Pilotprojekten werde diese Technologie aber weiterentwickelt.
Trotz der schlechten Aussichten für manch eine Gemeinde waren viele Bürger auch einsichtig. „Wir sind in Zarpen nicht direkt betroffen, würden aber auch dann hinter dem Projekt stehen. Wir wollen ja schließlich die Energiewende“, sagte das Ehepaar Holger und Helga Zimmermann. Zarpen liegt genau zwischen dem mittleren und dem südlichen Korridor. Auch Petra Scheer aus Leezen (Kreis Segeberg) ist gegen Atomstrom und für erneuerbare Energien. „Man muss kompromissbereit sein. Aber ich möchte die Risiken auch genau kennen. Wenn das Verfahren so transparent bleibt, wie es ist, bin ich zufrieden.“ Leezen liegt wiederum zwischen dem nördlichsten Korridor, der an der A20 verläuft, und der mittleren Variante.
Der Verlauf des Informationsabends zeigt, dass es noch viel Informationsbedarf, aber auch Verständnis für das Projekt gibt. „Das liegt daran, dass wir die Menschen von Anfang an ins Boot holen. Sie merken, dass sie ernst genommen werden“, sagt Tennet-Vertreter Greß. Er gibt aber auch zu bedenken, dass sich die Stimmung meist dann ändert, wenn der Korridor letztendlich festgelegt und klar ist, wer betroffen sein wird. Burkhard Wache aus Stockelsdorf (Kreis Ostholstein) rechnet sogar mit großem Widerstand. „Es gibt so viele Einzelinteressen. Ich glaube, dass es schwierig wird, das Projekt durchzusetzen.“
Um den Korridor mit der geringst möglichen Belastung für die Region auszuwählen, brauche es jetzt Hinweise und Anregungen der Bürger und Politiker, betont Greß. Er sei auch froh über den Rückhalt aus der Landespolitik. „Wenn die Zusammenarbeit so gut läuft, macht das den Prozess viel einfacher.“ Die neue Trasse solle bis 2022, also bis das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werde, in Betrieb gehen. „Das ist eine sportliche Aufgabe, die man nur in einem offenen Verfahren meistern kann.“ Schleswig-Holstein profitiere letztendlich auch von dem Netzausbau, sagt Greß.
Minister Habeck resümierte: „Die Resonanz auf unsere Einladung zu dieser Auftaktkonferenz war groß. Wir werden gleich im Anschluss mit weiteren dezentralen Veranstaltungen starten.“ Ab Mitte Januar wird es acht Informationsveranstaltungen für Bürger sowie Vereine und Verbände geben. Die endgültigen Termine werden noch vom Ministerium bekanntgegeben.
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