Rund 1200 Stormarner lassen sich jährlich in einer der zwei vom Kreis beauftragten Suchtberatungsstellen in Ahrensburg und Reinbek helfen. 25 Prozent der Abhängigen sind jünger als 25 Jahre.
Ahrensburg. Als Timo 15 Jahre alt ist, stellt sein Vater ihn vor die Wahl: Entweder geht der junge Ahrensburger zur Suchtberatung, oder aber sein Taschengeld wird gestrichen. Timo geht zur Beratung – wegen des Taschengeldes. Dass er ein Problem hat, das will er nicht wahrhaben, er kifft nach dem Beratungstermin weiter. Vier Jahre lang. Es sei nicht leicht, sich einzugestehen, dass man abhängig sei, mag er heute sagen. Inzwischen ist er 19 Jahre alt und hat beschlossen: Er will nicht mehr täglich Cannabis rauchen.
Timo ist ein Beispiel, konstruiert aus den Fällen, die Stormarns Drogenberater täglich beschäftigen. Die Geschichte seiner Drogenkarriere ist insofern real. Sie setzt sich aus den Biografien und den Selbsteinschätzungen einer Handvoll Klienten zusammen, die sich derzeit in Ahrensburg bei Jörg Rönnau und seinen Mitarbeitern von der Therapiehilfe helfen lassen. Zu der Therapiehilfe mit Sitz in der Schlossstadt, in Bad Oldesloe und in Bargteheide kommen jährlich rund 800 Stormarner mit einem Suchtproblem. 400 Abhängige gehen jährlich in Reinbek zur Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit. Es sind diese beiden Beratungsstellen, die vom Kreis mit der Suchtberatung und Prävention beauftragt sind. 25 Prozent der insgesamt 1200 Klienten in Ahrensburg, Bad Oldesloe, Bargteheide und Reinbek sind jünger als 25 Jahre.
Wie Timo kommen die jungen Suchtkranken in den wenigsten Fällen freiwillig. „Es sind meist die Eltern, die Lehrer, die Ausbilder oder auch die Freunde, die sich Sorgen machen“, sagt Rönnau. Meist sähen die jungen Klienten nicht ein, dass sie ein Problem haben. So wie Timo. Alle seine Freunde haben schließlich auch gekifft. Zu Beginn jedes Wochenende, später dann täglich. Das bleibt nicht ohne Folgen: Timo hat bald die Nase voll von der Schule. Sitzt die Zeit nur noch ab. Die Noten werden schlechter. Und das baut den Schüler nicht gerade auf. Er gibt sein gesamtes Taschengeld für Marihuana aus, stiehlt Geld aus dem Portemonnaie seines Vaters.
Berater sagen, die Zahlen seien „stabil"
17 Prozent der Klienten in der Ahrensburger Beratungsstelle kommen laut Rönnau wegen einer Marihuana-Abhängigkeit. Es sind zumeist Jugendliche. 56 Prozent der Klienten sind Alkoholiker, zehn Prozent spritzen Heroin, sechs Prozent sind spielsüchtig. „Der Rest verteilt sich dann auf Partydrogen wie Speed oder exzessiven Medienkonsum, sprich Internetabhängigkeit“, sagt Jörg Rönnau.
In der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit sieht es ähnlich aus – mit einer Ausnahme. „Wir haben seit Jahren keine Heroinabhängigen in der Beratung“, sagt Leiter Christoph Schmidt. Insgesamt seien die Zahlen stabil, sagt er.
Auch bundesweit haben sich die Zahlen bei den jugendlichen Konsumenten auf einem niedrigen Niveau eingependelt – mit weiter fallender Tendenz. Das zeigen die Ergebnisse des Drogen- und Suchtberichtes der Bundesregierung, der Anfang des Monats veröffentlicht wurde. Kifften vor zwölf Jahren noch 9,2 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen, sind es laut der jüngsten Zahlen 5,6 Prozent (2012). Auch der Tabakkonsum ist in der Altersgruppe gesunken, von 27,5 Prozent auf zwölf Prozent. Die Internetabhängigkeit unterdessen steigt. Derzeit gelten 250.000 Teenager und junge Erwachsene zwischen 14 und 24 Jahre als abhängig, 1,4 Millionen haben ein problematischen Nutzungsverhalten. Da sich eine Alkoholabhängigkeit laut der Experten über lange Zeit entwickelt, fällt sie meist erst im Erwachsenenalter auf. Das sogenannte Rauschtrinken, auch Komasaufen genannt, sei laut des Berichtes weiterhin ein Problem bei den unter 30-Jährigen.
Am Anfang der Sucht steht eine positive Emotion
So unterschiedlich die Suchtmittel sind – das Muster, aus dem sich eine Abhängigkeit entwickelt, sei fast immer dasselbe, sagt Rönnau. „Cannabis, Alkohol, die Zeit im Internet oder am Spielautomaten lösen beim ersten Konsum eine Emotion aus. Ist sie positiv, wird sie im Suchtgedächtnis abgespeichert. Einige Personen versuchen immer wieder, diesen Zustand zu erreichen, auch dann noch, wenn die Nachteile des Konsums immer größer werden. So werden sie süchtig.“
Timo ist irgendwann nur noch gut drauf, wenn er gekifft hat. Wenn er nichts geraucht hat, kann er nur unter großen Schwierigkeiten einschlafen. Er schmeißt die Schule und vertrödelte seine Zeit nur noch. Er merkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Aber er meint, dass es Depressionen sind.
Dann lernt er einen ehemaligen Kiffer kennen, der einen Entzug gemeistert hat. Der macht ihm Mut, es auch zu versuchen.
Seitdem geht der 19-Jährige regelmäßig zur Therapiehilfe. „Im Durchschnitt kommen die Klienten fünfmal in die Beratung“, sagt Christoph Schmidt von der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit. Wie bei der Therapiehilfe sehen die Berater ihre Arbeit darin, den Betroffenen bei der Einschätzung ihrer Situation zu helfen, Lösungsansätze aufzuzeigen, zu informieren und gegebenenfalls in eine Therapie zu vermitteln. Timo will nun eine Therapie machen.