Bau- und Planungsausschuss vertagt weitere Beratung auf den 9. September. Dann soll der Investor, die Katholische Wohltätigkeitsanstalt, Stellung nehmen. Politk und Anwohner hoffen auf Kompromiss.
Reinbek. Heinrich Dierking ahnte, dass auf die Mitglieder des Reinbeker Bauausschusses vor dem WM-Halbfinale gegen Brasilien eine schwierige Aufgabe wartete, Verlängerung nicht ausgeschlossen: „Die Tagesordnung ist nicht so umfangreich, aber sie hat es in sich“, kündigte der Ausschussvorsitzende vom Forum 21 an. Gemeint war damit der vorletzte von acht Tagesordnungspunkten in der letzten Ausschusssitzung vor der Sommerpause, der sich mit dem Bebauungsplan Nr. 48, kurz „Schwesterngarten“, beschäftigte.
Der bisherige Verlauf der Debatte legte nahe, dass die Beschlussvorlage über den Entwurf des Bebauungsplans, der weitgehend den Planungen des Investors Katholische Wohltätigkeitsanstalt zur heiligen Elisabeth (KWA) folgt, alles andere als ein Selbstgänger werden würde. Nachdem Vorentwurfsbeschluss und Aufstellungsbeschluss im Dezember vergangenen Jahres noch recht leise den Bau- und Planungsausschuss passiert hatten, provozierte die vehemente Kritik der Anwohnerinitiative Interessengemeinschaft (IG) Böge an der Planung immer neue Fragen, die nicht zufriedenstellend beantwortet werden konnten, sodass sich die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss langsam zu ändern begannen.
Das gesamte Biotop soll geschützt werden
Zuletzt hatte ein Umweltgutachten vor der Gefährdung des Biotops nahe der Bille im Süden des attraktiven Grundstücks unweit vom Zentrum der Stadt gewarnt – woraufhin der Reinbeker Umweltausschuss anmahnte, dass die vom Investor geplante Bebauung nicht kompatibel mit dem Naturschutzgesetz sei und dass der Bauausschuss dieses zu berücksichtigen habe. Dort waren sich dann am Dienstagabend fast alle Fraktionen darin einig, die zentrale Empfehlung eines FDP-Antrags zu übernehmen. Darin heißt es: „Das gesamte geschützte Biotop im südlichen Teil des Plangebietes (nährstoffreiche Nasswiese) ist von Bebauung freizustellen. Beeinträchtigungen dieses Biotops durch angrenzende Bebauungen sind zu vermeiden.“
Die inzwischen unübersichtliche Gemengelage wird durch den kreativen Protest der IG Böge zusätzlich kompliziert. Deren eloquenter Sprecher Till Krause, der einst als Stadtplaner für die Stadt Hamburg arbeitete, präsentierte dem Ausschuss in der kommunalpolitischen Fragestunde noch einmal sein Konzept für eine umwelt- und anwohnerverträgliche Bebauung und Verkehrsführung – dabei wirkte er eher wie ein vom Ausschuss eingeladener Experte als ein Nachbar, der von Eigeninteressen getrieben wird.
Nach einer Beratungspause wurde die Sitzung vertagt
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Volker Müller demonstrierte schließlich, wie Politiker von der Fußball-WM lernen können. Er beantragte gewissermaßen ein Cooling Break, vulgo: eine Beratungspause, und formulierte danach spontan ein vorerst befreiendes Procedere: „Ich schlage vor, die Sitzung zu vertagen und einen Vertreter des Investors in den Ausschuss einzuladen. Wir müssen wissen, in welche Richtung die Planung der KWA geht und wo deren Schmerzgrenze ist, wenn wir über die Schwesterngarten-Bebauung entscheiden.“ Offenbar sprach Müller nicht nur Heinrich Dierking „aus dem Herzen“. Einstimmig wurde beschlossen, das brisante Thema auf den 9. September zu vertagen und einen Vertreter der KWA zur Sitzung einzuladen, damit er Stellung beziehen könne.
„Der Vorschlag war goldrichtig, denn zurzeit schweben wir in der Luft. Wenn wir weiterkommen wollen, dann geht das nicht in politischen Diskussionsrunden, sondern es muss mit dem Eigentümer ausgelotet werden, welche Möglichleiten es für einen Konsens gibt“, sagte Andreas Fleischer gegenüber dem Abendblatt. Fleischer, Vorsitzender des Umweltausschusses und auch Mitglied im Bauausschuss, räumt ein, dass das Thema Schwesterngarten innerhalb der SPD-Fraktion kontrovers diskutiert werde – mit der Tendenz, dass das umweltrelevante Areal zu schützen sei. „Klar ist, dass es keine Ruckzuck-Lösung geben wird, wenn sich der Investor bewegt. Sollte er aber am Plan festhalten, wäre es sehr fraglich, ob er sich durchsetzen könnte“, sagt Fleischer.
Till Krüger von der Böge-Bürgerinitiative ist mit der Entwicklung sehr zufrieden: „Wir haben den Eindruck, dass alle Fraktionen verstanden haben, dass der bisherige Weg nicht fortgesetzt werden sollte. Ich halte es für richtig, sich noch einmal zusammenzusetzen und den Bauherrn zu hören, dessen Interessen bisher etwas undurchsichtig sind.“ Krügers Fazit des Dienstagabends: „Wir haben zwei Halbfinalspiele gewonnen. Das ist ein schöner Schritt, aber das Finale kommt erst noch.“