Michael Riedinger von der Bürgerinitiative Glinder Gleisdreieck will die Bebauung des Areals verhindern. Vor der Abstimmung im Bauausschuss attackierte er Bürgermeister Rainhard Zug. Der Verwaltungschef wehrt sich.
Glinde. Die Stimmung im Vorfeld ist explosiv. Am heutigen Donnerstag sollen die Mitglieder des Glinder Bauausschusses den Aufstellungsbeschluss für die Bebauung des Gleisdreiecks absegnen, so wünscht es jedenfalls die Verwaltung. Dann könnte das Bauleitverfahren für das 2,1 Hektar große Areal im Zentrum beginnen, auf dem rund 160 Wohnungen entstehen sollen – die Hälfte davon als öffentlich geförderter Wohnraum, den die Stadt dringend benötigt. Ob dieser Fall eintritt, ist jedoch ungewiss. Wahrscheinlich ist hingegen, dass es ein hitziger Abend wird, persönliche Beleidigungen nicht ausgeschlossen. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Männer: Bürgermeister Rainhard Zug und Michael Riedinger, Sprecher der Bürgerinitiative Glinder Gleisdreieck (BI), der klar sagt: „Ich bin prinzipiell gegen Bebauung an dieser Stelle.“
Zwischen den beiden kracht es gewaltig. Für Ärger sorgt eine E-Mail Riedingers an die Bauausschussmitglieder vom 3. Juni. Darin attackiert er den Verwaltungschef und seine Mitarbeiter, fordert die Entscheidungsträger auf, dem Aufstellungsbeschluss nicht zuzustimmen. Zudem wirft er Zug, der nicht im Verteiler war, aber über andere Wege vom Inhalt erfuhr, Unzulänglichkeiten vor. Der Amtschef reagierte sofort. In einer E-Mail an die Politiker und Riedinger schlägt Zug eine härtere Tonart an (der komplette Mail-Verkehr liegt der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn vor). Er schreibt: „Diese Art der Vorgehensweise betrachte ich als Affront gegenüber meiner Verwaltung und letztlich auch gegenüber meiner Person. Sie ist im Ergebnis beleidigend und stellt leider die neue Kommunikationslinie von Herrn Riedinger und der BI in frappierender Weise dar.“
Jan Schwartz von den Glinder Grünen versteht Zugs Zorn. Er sagt: „Die wollen die Verwaltung vorführen. Das ist Egoismus, was da passiert.“ Er könne die Sorgen und Argumente der Anwohner zwar nachvollziehen, habe aber das Gefühl, „dass die Initiative sozialen Wohnungsbau verhindern will“. Das Gelände biete sich dazu aber an. „Das ist eine sinnvolle Geschichte, weil hier kein Getto geschaffen wird.“ Glindes Bürgervorsteher Rolf Budde (CDU): „Die Gleisdreieck-Gegner wollen die Leute dort nicht haben.“
Riedinger, dessen Initiative 235 Mitstreiter zählt, bemängelt unter anderem, dass der städtebauliche Vertrag nicht vorliege, und zwar „nicht einmal als Entwurfsfassung“. Auch fehle ein Kostenübernahmevertrag zwischen der Stadt und dem Investor, der Firma Semmelhaack. Der 63-Jährige: „Es gibt einen Sachstandsbericht vom Februar, auf dessen Basis abgestimmt werden soll. Seit vier Monaten ist also nichts passiert. Da fragt man sich, was die Verwaltung über diesen Zeitraum getan hat.“ Deshalb habe er in der E-Mail an die Politiker auf acht Punkte verwiesen, die von der Verwaltung nicht erledigt worden seien. „Ich will nur sensibilisieren und verhindern, dass jemand unwissend abstimmt“, sagt der Initiativensprecher.
Auf der Bauausschusssitzung im Marcellin-Verbe-Haus, die um 19 Uhr beginnt, will er unter anderem wissen, weshalb der Aufstellungsbeschluss den Paragrafen 13a des Baugesetzbuches enthält. Riedinger: „Das ist ein vereinfachtes Verfahren und beinhaltet den Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfung und eine eingeschränkte Bürgerbeteiligung.“
Bürgermeister Zug hat sich sehr über die E-Mail geärgert. Untätigkeit will er sich nicht vorwerfen lassen: „Es wurde viel am städtebaulichen Vertrag gearbeitet. Er ist aber nicht fertig, weil noch nicht alles ausverhandelt ist. Das ist ein hochkomplexes Thema.“ Alles sei gesetzlich geregelt, und man werde nicht mauscheln. Der Bürgermeister verspricht: „Ich werde die Vorwürfe emotional und sachlich widerlegen. Der Kostenübernahmevertrag wird zur Stadtvertreterversammlung am 19. Juni geschlossen sein.“
Laut Zug starte man mit der Absegnung des Aufstellungsbeschlusses ein Verfahren, in dem die Planung transparent werde. Das beinhalte auch die Bürgerbeteiligung. Der Verwaltungschef hatte bereits im März auf einer Bürgerinformationsveranstaltung versucht, die Glinder frühzeitig vom Projekt zu überzeugen. Er sah sich jedoch mit empörten Anwohnern konfrontiert.
Dass Glinde sozialen Wohnungsbau benötigt und das Areal Gleisdreieck dafür am geeignetsten erscheint, darüber ist sich die Glinder Politik einig. Der CDU-Vorsitzende Rainer Neumann: „Im Prinzip stimmen wir zu. Allerdings steht noch die Frage nach der Notwendigkeit eines vereinfachten Verfahrens im Raum.“ 160 Wohnungen auf 2,1 Hektar seien gewaltig, und deswegen könne er die Skepsis der Bürger auch verstehen. „Aber wir wollen sozialen Wohnungsbau ins Zentrum legen“, sagt der Christdemokrat. Außerdem werde mit dem Aufstellungsbeschluss noch kein Detail entschieden. Über einen möglichen Bebauungsplan stimmt die Politik zu einem späteren Zeitpunkt ab.
Für die SPD besteht noch Aufklärungsbedarf. Der Vorsitzende Frank Lauterbach: „Wir wollen zum Beispiel noch Informationen über den städtebaulichen Vertrag.“ Er habe das Bauchgefühl, dass das Thema Bebauung Gleisdreieck noch einmal in die Fraktionen zurückgehe.