„Nein“-Wahlkampf: Mitglieder unterschiedlicher Parteien fordern die Wähler auf, am 25. Mai aktiv gegen Bürgermeister Horst Ansén zu stimmen. Einen eigenen Kandidaten haben sie aber nicht zu bieten.
Ammersbek. Anderthalb Monate vor der Bürgermeisterwahl in Ammersbek gerät Amtsinhaber Horst Ansén zusehends unter Druck. Zwar hat sich auch unmittelbar vor dem Ende der Bewerbungsfrist niemand gefunden, der ihm seinen Posten streitig machen möchte. Doch mehren sich in der Gemeinde inzwischen die Rufe, die Bevölkerung möge am Wahltag, dem 25. Mai, kurzerhand mit Nein stimmen; sie kommen aus unterschiedlichen politischen Lagern.
Sollte der einzige Kandidat bei seiner Wiederwahl scheitern? „Das wäre ein Novum. So etwas ist zumindest in Stormarn noch nie vorgekommen“, sagt Hermann Harder von der Kommunalaufsicht beim Kreis Stormarn. Trotzdem gebe es für diesen Fall eine Auffangregelung in der Gemeindeordnung. Harder: „Paragraf 57, Absatz 2, regelt, was dann zu tun wäre: Die Gemeindevertretung müsste einen oder mehrere Kandidaten finden und dann selbst wählen.“
CDU-Chef hofft auf hohe Wahlbeteiligung
Genau auf dieses Szenario spekuliert Bernd Sutter, der Ammersbeker CDU-Chef. Den Christdemokraten ist es nicht gelungen, einen Bewerber zu finden. Der Mann, der ihnen als die Idealbesetzung erscheint, hat in der vergangenen Woche abgesagt. „Wenn Ansén nicht gewählt würde, hätten wir in der Gemeindevertretung noch etwas mehr Zeit, einen geeigneten Kandidaten zu finden.“ Sutter: „Die vergangenen fast sechs Jahre haben gezeigt, dass ein Verwaltungsfachmann an die Spitze einer hauptamtlichen Verwaltung gehört. Der jetzige Bürgermeister ist das nicht.“ Ein „Hobby-Politiker“, so Sutter weiter, reiche eben nicht, um das Amt auszufüllen.
Zwischenzeitlich hat die CDU sogar darüber nachgedacht, mit einer Plakatkampagne um die „Nein“-Stimmen der Bürger zu werben. Davon hat die Partei inzwischen nach ausführlicher Beratung in den Gremien Abstand genommen. Was bleibt, ist aber die Forderung, die der Vorsitzende Sutter folgendermaßen formuliert: „Wir fordern alle Ammersbeker Bürger auf, zur Wahl zu gehen und mit ,Nein’ zu stimmen.“ Sutter erhofft sich dadurch auch eine hohe Wahlbeteiligung. „Es wäre doch schade“, sagt er, „wenn nur 20 Prozent der Wahlberechtigten wählen gingen, weil es ohnehin nur einen Kandidaten gibt.“
Auch die FDP weist darauf hin, dass eine einzige Kandidatur nicht zwangsläufig bedeute, dass der Kandidat auch gewählt werden müsse. „Mit dem, was der Bürgermeister in den vergangenen fünf Jahren gemacht hat, sind wir gar nicht zufrieden“, sagt Fraktionschefin Gabriela Späte. „Das Verhältnis ist sehr angespannt.“ Und Holger Spanehl, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft UWA, sagt etwas ausweichend: „Einen Nein-Wahlkampf werden wir zwar nicht machen. Aber wenn wir gefragt werden, werden wir aufzeigen, worin die Leistungen eines Herrn Ansén bestehen. Und dass es auf dem Stimmzettel ein „Nein“-Feld gibt, ist ja kein Geheimnis.“
So richtig unter Beschuss geriet Horst Ansén vor wenigen Wochen, nachdem er den offenbar bei Eltern wie Mitarbeitern gleichermaßen beliebten Leiter der Kindertagesstätte Bünningstedt, Jan Petersen, seines Amtes enthob und der Öffentlichkeit eine Begründung schuldig blieb (wir berichteten). Mit dieser scheinbar unbedeutenden Personalentscheidung brachte er gleich eine ganze Wählergruppe gegen sich auf: die der jungen Eltern, eine nicht unbedeutende Klientel, die Multiplikatorenfunktion hat.
SPD wirft Ansén mangelnde Kommunikation vor
In der vergangenen Woche gab es dann erneut Kritik an der Amtsführung: Die Verwaltung hatte einen Landschaftsarchitekten beauftragt, Pläne zur Umgestaltung des Spielplatzes Schäferdresch auszuarbeiten, obwohl die laut Gemeindeordnung erforderliche Beteiligung der Kinder und Jugendlichen noch nicht erfolgt war (wir berichteten).
Es sind solche Aktionen, die dazu geführt haben, dass inzwischen selbst einstige Unterstützer den Verwaltungschef mit SPD-Parteibuch kritisch sehen. Was auch sie monieren: mangelnde Kommunikation. „Das ist unsere Hauptkritik“, sagt die SPD-Vorsitzende Rita Thönnes. „Wir haben ihm schon in Gesprächen gesagt: Wenn es zu einer weiteren Amtszeit kommt, muss das besser werden.“ Dabei ist Ansén, anders als 2008, kein offizieller SPD-Kandidat. Die Sozialdemokraten machen keinen Wahlkampf für ihn, sie unterstützten ihn lediglich und haben keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. Rita Thönnes: „Das haben wir vor der Geschichte mit der Kita beschlossen. Es gibt nicht wenige – zu denen ich auch gehöre –, die diese Unterstützung inzwischen kritisch sehen.“ Und SPD-Fraktionschef Jürgen Ehrig sagt: „Die Suppe, die man sich selbst einschenkt, muss man auch selbst auslöffeln. Wir machen keinen Wahlkampf für ihn.“ Lediglich die Grünen sehen die Dinge ein wenig anders. Fraktionschef Klaus Tim: „Das Überzeugendste wäre ja gewesen, einen Gegenkandidaten aufzustellen.“
Der von allen Seiten gescholtene Horst Ansén kündigt unterdessen an, für seine Wiederwahl zu werben: „Ich komme zu dem Ergebnis, dass ich nach den vergangenen fünf Jahren eine Bilanz vorlegen kann, mit der ich sage: Ja, ich trete wieder an.“ Auch er zeigt sich erstaunt, dass nun offenbar dafür geworben werde, ihn nicht zu wählen. Ansén: „Ich kenne das so: Man muss normalerweise eine Alternative anbieten. Ein bloßes Nein hingegen ist keine inhaltliche Begründung.“
Horst Ansén, Betriebswirt, war vor seiner Bürgermeister-Zeit Organisationsberater in Diensten eines großen Versicherungskonzerns. 2002 wurde er SPD-Mitglied, ein Jahr später zog er in die Gemeindevertretung ein – als ehrenamtlicher Politiker wie all jene, die ihn nun kritisieren. Dann wechselte er die Seiten: Am 30. November 2008 konnte sich der damalige SPD-Kandidat im ersten Wahlgang gegen drei Mitbewerber durchsetzen. Mit 54,8 Prozent der Stimmen wurde er zum Nachfolger Axel Bärendorfs gewählt, der nach Reinbek gewechselt war. Sein schärfster Konkurrent kam auf 34,0 Prozent – obwohl kurz vor der Wahl bekannt geworden war, dass die Staatsanwaltschaft wegen Kindesmissbrauchs gegen ihn ermittelte; später wurde er verurteilt.
Am Montag. 6. April, um 18 Uhr endet die Bewerbefrist für die Wahl 2014. Womöglich gibt es ja doch noch überraschende Last-Minute-Kandidaten. Wahlleiter Holger Peters: „Vergangene Woche sind zwei Sätze Unterlagen abgeholt worden.“