Elias, 6, und Celine, 4, wurden von ihrem Vater im Schlaf umgebracht. Nachbarn und Freunde bringen Kuscheltiere, Bilder und Kerzen zum Haus. Der Vater ist laut Polizei psychisch krank und nicht schuldfähig.
Glinde. Blumen und Plüschtiere liegen auf der vereisten Einfahrt vor dem Haus in einem Glinder Wohnviertel. In Dutzenden Friedhofskerzen flackern kleine Lichter im Wind. Daneben liegen Bilder, die Kinder gemalt haben. Auf einen Zettel hat ein Kind ein großes Herz gemalt, darin stehen die Namen Celine und Elias. An der Seite des Herzens steht in Kinderschrift: „Wir werden euch vermissen.“ Die Menschen in der Stadt trauern um die beiden von ihrem Vater getöteten Kinder.
Am Freitagmorgen hatte Fardeen A. in dem Haus seinen Sohn Elias, 6, und seine Tochter Celine, 4, im Schlaf umgebracht (wir berichteten). Laut Polizei meldete sich der 38Jahre alte Zahnarzt kurz darauf bei der Wache mit den Worten: „Ich habe meine Kinder getötet.“ Seine 30 Jahre alte Frau soll von der Tat nichts mitbekommen und noch geschlafen haben. Dass ihre Kinder nicht mehr leben, hat sie offenbar erst erfahren, als Polizisten in ihrem Haus standen. Sie wird seitdem psychologisch betreut.
Die Menschen in der 18.000-Einwohner-Stadt sind schockiert. Nachbar Wolfgang Börkenhagen kennt die Familie A., seit sie vor etwa drei Jahren in das Haus gezogen war. „Sie waren immer sehr fröhlich. Dass dort etwas nicht stimmt, damit hätte hier niemand gerechnet.“ Er erzählt, wie liebevoll der in Afghanistan geborene Fardeen A mit seinem Kindern gespielt habe.
Am Montag müssen Lehrer und Erzieher den Kindern erklären, dass Celine und Elias nicht wiederkommen
Doch auch Familien, die Elias und Celine nicht kannten, sind erschüttert. So kommen zwei Freundinnen mit ihren sechs und acht Jahre alten Kindern am Sonnabend zu dem Haus. „Wir wollen unsere Anteilnahme zeigen“, sagen die Frauen übereinstimmend. Sie legen Blumen und zwei Kuscheltiere auf die Einfahrt, zünden eine Kerze an.
„Das ist so furchtbar“, sagt eine der Frauen. Ihre Tochter besucht die Grundschule Wiesenfeld, auf der Elias in einer Parallelklasse war. Am heutigen Montag werden dort und auch in dem Kindergarten Zwergenwache, den Celine besuchte, die Lehrer und Erzieher den Kinder erklären müssen, das Elias und Celine nie mehr wiederkommen.
Warum der Vater seine Kinder getötet hat, das versuchen jetzt die Ermittler und Ärzte zu klären. Die Polizei hat das Haus der Familie für weitere Ermittlungen am Tatort versiegelt. Fardeen A. ist seit Freitagnachmittag in einer psychiatrischen Klinik in Neustadt (Kreis Ostholstein). Bei der Verhaftung – dem Zahnarzt wird zweifacher Mord vorgeworfen – hatte ein Amtsarzt eine geistige Erkrankung des Mannes festgestellt.
Nach ersten Erkenntnissen ist es möglich, dass der Mann, der bisher polizeilich nicht in Erscheinung getreten ist, nicht schuldfähig ist. Von religiösen Wahnvorstellungen ist die Rede.
Manche Eltern töten ihre Kinder, weil sie selber in jungen Jahren traumatisiert wurden
„Es ist durchaus denkbar, dass der Mann im Wahn seine kleinen Kinder getötet hat“, sagt Lorenz Böllinger, Professor an der Universität Bremen. Der Kriminologe ist zugleich Diplom-Psychologe. „Eltern, die ihre Kinder im Wahn töten, wollen ihnen nicht schaden. Ganz im Gegenteil“, sagt er. Sie hätten die Fantasie, dass die Kinder nach dem Tod in einer Art Paradies lebten. „In dieser Fantasie gibt es keine Belastungen, und alle seelischen Wunden sind geheilt.“
In vielen Fällen würde auf die Tötung der Kinder ein Suizid folgen, sagt Böllinger. „Die Täter glauben, sie wären nach dem Tod mit den Kindern im Paradies vereint.“ Und: „Möglicherweise hat Fardeen A. nur eine letzte, innere Grenze von der Selbsttötung abgehalten und stattdessen die Polizei rufen lassen, nachdem er begriffen hat, was er getan hat.“
Ursache der Wahnvorstellungen können laut dem Experten Psychosen wie Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörungen infolge eines Kindheitstraumas sein. „Leidet der Mann wirklich an Wahnvorstellungen, könnte es sich um die Folgen einer Persönlichkeitsstörung handeln“, sagt Böllinger. Schizophrenien würden in der Regel bis zu einem Alter von 25 Jahren ausbrechen.
Die Traumata wiederum resultierten aus einem starken Ohnmachtsgefühl oder massiven Verlustängsten in der Kindheit. Unbehandelt können die Traumata im Erwachsenenalter schließlich zu massiven Störungen führen. Dass Celines und Elias’ Mutter nichts von der Veränderung ihres Mannes bemerkt hat, hält der Kriminologe für unwahrscheinlich.