Der Familienvater wurde in die Psychiatrie eingeliefert. Er hat eine Praxis in Hamburg-Lohbrügge und galt als netter Nachbar.

Glinde. „Ich habe meine Kinder getötet.“ Mit diesen Worten hat sich am Freitagmorgen ein 38 Jahre alter Zahnarzt aus Glinde (Kreis Stormarn) bei der Polizei gemeldet. Als die Beamten eintrafen, bestätigte sich der schreckliche Verdacht. In den Kinderzimmern lagen die leblosen Körper der vier Jahre alten Tochter und des sechsjährigen Sohnes.

Grund für das schreckliche Familiendrama im Süden Schleswig-Holsteins soll laut der Lübecker Staatsanwaltschaft eine psychische Erkrankung des Familienvaters sein, die sich in religiösen Wahnvorstellungen äußert. „Zudem hat ein Gutachter bei der Vorführung diagnostiziert, dass der Mann wegen dieser Erkrankung schuldunfähig ist“, sagt Oberstaatsanwalt Günter Möller.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der gebürtige Afghane Fardeen A. seine beiden Kinder im Schlaf ermordet hat. „Er sieht so aus, dass er sie mit einem Messer tödlich am Hals verletzt hat“, sagt Möller. Anschließend wählte Fardeen A. den Notruf. Seine 30 Jahre alte Ehefrau habe von der Tat nichts mitbekommen und ist laut Staatsanwaltschaft von den Polizisten „überrascht“ worden. Offenbar schlief sie, als ihre Kinder ermordet wurden.

„Die Mutter der Kinder befindet sich jetzt in psychologischer Betreuung“, sagt die Sprecherin der Lübecker Mordkommission Carola Aßmann. Fardeen A. wurde noch am Tatort von den Polizisten festgenommen. Ein Richter erließ einen Unterbringungsbefehl. Fardeen A. ist in die psychiatrische Klinik nach Neustadt gebracht worden.

Die Nachbarn der Familie sind von der Tat tief erschüttert. Wolfgang Borkenhagen steht fassungslos vor der mit Schnee bedeckten Einfahrt des Einfamilienhauses, in dem sich die tragischen Szenen abgespielt haben. Rot-weißes Absperrband der Polizei flattert im Wind vor dem Grundstück an der ruhigen Wohnstraße. Borkenhagen guckt auf die Kinderzimmer im ersten Stock des weißen Hauses. Dort brennt Licht. Rechtsmediziner und Beamte der Mordkommission sichern Spuren und untersucht den Tatort.

„Die Familie war immer sehr fröhlich, dass dort etwas nicht stimmt, damit hätte hier niemand gerechnet“, sagt der 64-Jährige, der Zaun an Zaun mit der Familie lebt. Fardeen A. ist Zahnarzt und hat eine eigene Praxis im Hamburger Stadtteil Lohbrügge. „Er hat immer viel Zeit mit den Kindern verbracht. Im Sommer hat er einen Basketballkorb im Garten aufgebaut und mit den beiden dort gespielt“, sagt Borkenhagen und zeigt auf das Spielgerät hinter der dichten Hecke in dem gepflegten Garten. „Umso weniger kann ich verstehen, warum er das getan hat“, sagt der Renter, dessen Stimme zu zittern beginnt: Er ringt um Fassung: „Es waren kleine Kinder mit großen braunen Augen“, so der Nachbar.

Er selbst hat von der Tat um kurz vor 6 Uhr morgens nichts mitbekommen. „Ich bin heute früh raus, um Schnee vom Gehweg zu schippen. Dabei sah ich die Rettungs- und Polizeiwagen vor der Haustür. Da wusste ich, dass etwas Schlimmes passiert sein muss“, sagt Borkenhagen. Er erinnert sich daran, dass Fardeen A. ein sehr offener und religiöser Mensch ist. „Wir haben uns oft am Gartenzaun unterhalten. Er hat sich immer Tipps für den Garten von mir geholt“, sagt der Mann mit der dicken dunkelbraunen Winterjacke.

Die getöteten Kinder Celin und Elias gingen in den nur 800 Meter entfernten Kindergarten „Zwergenwache“. „Es ist so grausam, sie haben hier in der Straße immer mit den anderen Kindern gespielt, hatten viele Freunde“, sagt Borkenhagen. Eine andere Nachbarin berichtet, dass das Ehepaar aus Afghanistan eine große Familie hat. „Im Sommer waren immer viele Verwandte bei ihnen zu Besuch. Sie haben oft Grillfeste gefeiert, die sehr gesittet waren“, sagt die 72-jährige Bewohnerin der Wohnsiedlung. Auch sie beschreibt die Familie als sehr aufgeschlossen, nett und freundlich. „Es ist so grausam“, sagt die Rentnerin und fügt hinzu: „Es ist in unserer Siedlung aber nicht das erste Mal. Vor zehn bis 15 Jahren hat paar Häuser weiter auch ein Vater sein eigenes Kind ermordet.“

Doch warum töten Väter ihre eigenen Kinder? Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, versucht darauf eine Antwort zu geben. „Es gibt zwei Gründe. Zum einen kann eine Verzweiflungstat vorliegen. Häufig ist eine Trennung der Grund. Der Mann möchte seine Frau auf Lebenszeit bestrafen. Zum anderen kann eine psychische Erkrankung der Grund für die Tötung der eigenen Kinder sein“, sagt der niedersächsische Kriminologe.

In dem Glinder Mordfall gilt die psychische Erkrankung als Grund. „In solchen Fällen kommt es dann leider auch zu Doppeltötungen“, so Pfeiffer, der jedoch betont, dass seit 1993 die Zahl der Tötung von Kindern durch die eigenen Eltern deutlich zurückgegangen ist. Pfeiffer spricht von einer Halbierung der Fälle. „Das liegt daran, dass bei vielen Menschen die Kindheit besser und liebevoller verläuft.“

Eine weitere Erkenntnis der Experten ist, dass für zwei Drittel solcher Taten die Mütter verantwortlich sind. „Am häufigsten töten die Frauen ihre Kinder nach der Geburt aus Verzweiflung“, sagt Christian Pfeiffer. Wenn die Kinder jedoch etwas älter seien, dann seien häufig Väter die Mörder.