Unternehmen klagen über die Verkehrssituation im Ahrensburger Gewerbegebiet. Sie drängen auf den Bau einer Umgehungsstraße.
Ahrensburg. Es ist ein letzter, fast verzweifelt wirkender Versuch, den Bau der Nordtangente in Ahrensburg doch noch zu realisieren. Führende Vertreter der Stormarner Wirtschaft fordern die Politiker der Stadt auf, ihre Entscheidung gegen die Umgehungsstraße, die das Industriegebiet mit der Bundesstraße 75 verbinden soll, noch einmal zu überdenken. "Es ist sicherlich das letzte Mal, dass wir uns hier um dieses Thema bemühen", sagt Norbert Leinius, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS). Ahrensburg müsse sich als Bestandteil der wachsenden Metropolregion Hamburg anstrengen, um weiterhin ein attraktiver Standort zu sein. "Dazu gehört es, eine funktionierende Anbindung für den Verkehr zu gewährleisten", sagt Leinius.
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Es gehe bei dem Gewerbegebiet mit einer Fläche von 174 Hektar immerhin um eines der größten und bedeutendsten Gebiete in Schleswig-Holstein. Langfristig müsse man sich sogar um das viel teurere Vorhaben einer Südtangente bemühen. Leinius: "Doch der Anstoß muss die Nordtangente sein."
Leinius ist mit seinem Wunsch nicht allein. So ist auch Michael Voigt auf die Ahrensburger Politik nicht gut zu sprechen. "Ich bin verärgert über die jüngste Entscheidung und diese Wankelmütigkeit und Unwissenheit. Sie ist schlicht nicht nachvollziehbar", sagt der Geschäftsführer des Hela Gewürzwerks Hermann Laue am Beimoorweg und Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Südholsteinischen Wirtschaft (VSW). Schon jetzt sei die Verkehrssituation auf dem Beimoorweg und auf der B 75 kaum hinnehmbar. "Unsere Taktung bei der Anlieferung der Großmärkte ist minutengenau. Da können wir es uns nicht leisten, dass unsere Lastwagen schon am Werkstor zehn Minuten lang im Stau stecken", sagt er.
Negative Einflüsse wie diese führten dazu, dass man sich einen neuen Standort suche. Voigt: "So etwas müssen wir natürlich in unser Kalkül mit einbeziehen, wenn wir Standortentscheidungen treffen." Zwar wolle man sich nicht aus Ahrensburg verabschieden, so Voigt. "Aber wenn die Verkehrssituation sich hier nicht verbessert, dann ist ein Umzug eine Option für uns." Die Ahrensburger Politiker könnten sich überlegen, ob sie auf die rund eine Million Euro an Gewerbesteuer, die Hela jährlich zahle, verzichten könne, so der Geschäftsführer. "Ich führe ein Unternehmen mit mehr als 350 Mitarbeitern und trage dafür die Verantwortung. Ich muss unternehmerische Entscheidungen treffen", sagt Voigt. Hela beschäftigt sich derzeit mit der Planung bis 2025. "Wir benötigen bis dahin eine neue Fabrik für Flüssigketchup sowie ein Hochregallager. Bis 2018 könnten die Gebäude stehen Dabei sprechen wir von einem Investitionsvolumen von 20 bis 25 Millionen Euro", erläutert der Geschäftsführer.
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Die Wirtschaftsvertreter hoffen, dass sie mit ihren deutlichen Worten bei den Fraktionen ein Umdenken auslösen können. Leinius: "Bei der Abstimmung gab es nur eine Stimme Mehrheit gegen das Vorhaben. Ich wünsche mir, dass alle noch einmal in sich gehen."
Soll die Umgehungsstraße doch noch gebaut werden, drängt die Zeit. Denn Ende 2013 läuft ein Förderprogramm des Landes für die Realisierung des mit sechs Millionen Euro veranschlagten Baus aus. "Es ist jetzt fünf vor zwölf. Man muss in den nächsten drei bis sechs Monaten eine Lösung hinbekommen", fordert auch Ernst-Jürgen Gehrke, Vorsitzender des Wirtschaftsbeirats der Industrie- und Handelskammer (IHK). Er klagt über "die quälende Langsamkeit", mit der in Ahrensburg Entscheidungen gefällt würden. So werde noch Jahre später mit Verkehrszahlen hantiert, die längst überholt seien. "Mit dem Hin und Her könnte man keine Firma führen. Ahrensburg zeigt sich entscheidungsschwach und umsetzungslos", kritisiert er.
Axel Stehr, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Südholsteinischen Wirtschaft, weist die Kritik aus der Politik zurück, die Wirtschaft habe sich aus der Debatte über den Bau der Nordtangente herausgehalten. "Bereits 2007 haben sich 42 Unternehmen zu einer Initiative 'Wirtschaft für die Nordtangente' zusammengeschlossen", sagt er. Ein Jahr später habe man an die Bürgermeisterin eine entsprechende Resolution entworfen. Stehr: "Wir haben uns also seit Jahren an der Planung beteiligt und unsere Meinung deutlich gemacht."
Die Wirtschaftsvertreter erwarten von den Politikern, dass sie umgehend die Gespräche mit der Nachbargemeinde Delingsdorf wieder aufnehmen. Zuletzt hatten Politiker und die Bürgermeister von Ahrensburg und Delingsdorf sich auf einen Gebietstausch und eine Kompensationszahlung geeinigt, die dann aber in der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt wurden. Damit stand für Bürgermeister Michael Sarach fest, dass das Projekt gescheitert ist. Leinius sagt: "Der Kompromissvorschlag, der zuletzt vorlag, war doch vernünftig." Daran gelte es anzuknüpfen.