Ahrensburg. Sämtliche Ortsbezeichnungen stehen auf dem Prüfstand. Kommission hat seit 2020 Vorschläge erarbeitet. Das empfehlen die Experten.

Wie sollte Ahrensburg mit Straßen und Plätzen umgehen, die nach historischen Personen benannt sind? Seit Juni 2022 hat sich eine Kommission im Auftrag der Stadtverordneten mit dieser Frage befasst. Im Fokus stand dabei die Debatte, inwieweit eine Umbenennung von Orten mit Namensgebern geboten ist, deren Ehrung möglicherweise nicht mehr zeitgemäß ist. Nun hat das Gremium ein Ergebnis vorgelegt. Es soll am Donnerstag, 7. September, im Bildungs-, Kultur- und Sportausschuss vorgestellt werden.

Die Kommission hat einen Entwurf für ein Regelwerk erarbeitet, welches Kriterien sowohl für die künftige Benennung von öffentlichen Orten als auch für die Bewertung der Namensgeber vorhandener Straßen und Plätze beinhaltet. Konkrete Empfehlungen zu einer Umbenennung einzelner Straße und Plätze gibt das Gremium nicht ab, dies soll erst in einem zweiten Schritt erfolgen.

Ahrensburg: Kommission präsentiert Vorschläge zu belasteten Straßennamen

Die Einberufung der Kommission hatten Ahrensburgs Kommunalpolitiker im Oktober 2020 nach einem Vorstoß der Grünen beschlossen. Zuvor war immer wieder diskutiert worden, wie etwa mit der Schimmelmannstraße, benannt nach der Familie der ehemaligen Schlossherren, die durch den Sklavenhandel zu Reichtum gelangt war, umzugehen ist.

Weitere Straßen sind nach dem erwiesen antisemitischen Biene-Maja-Erfinder Waldemar Bonsels und umstrittenen preußischen Staatsmännern und Militärs wie dem ersten deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck, den Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke und Albrecht von Roon benannt. Auch am Namen Alfred-Rust-Saal, benannt nach dem Prähistoriker, der im Ahrensburger Tunneltal in den 1930er-Jahren die Überreste steinzeitlicher Rentierjägerkulturen entdeckte, entzündeten sich Diskussionen. Rust hatte bei seinen Ausgrabungen mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet.

Derzeit sind 57 Straßen nach historischen Personen benannt

Als stimmberechtigte Mitglieder gehören der Kommission Tanja Eicher, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Familie und Kultur im Rathaus, die städtische Kulturbeauftragte Petra Haebenbrock-Sommer, je eine Vertreterin des Runden Tischs für Zivilcourage und Menschenrechte und des Historischen Arbeitskreises, der Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein, Prof. Rainer Hering, sowie Stadtarchivarin Angela Behrens an.

Der in Ahrensburg geborene Biene-Maja-Autor Waldemar Bonsels war Antisemit.
Der in Ahrensburg geborene Biene-Maja-Autor Waldemar Bonsels war Antisemit. © Getty Images | ullstein

Derzeit gibt es in Ahrensburg 57 Straßen, zwei Wanderwege und sechs Gebäude, die ihren Namen historischen Persönlichkeiten verdanken. Eine Umbenennung solle die Ausnahme bleiben, stellt die Kommission klar. Insbesondere soll es keine Namensänderungen aus Gründen der Geschlechterparität geben. Derzeit sind in Ahrensburg deutlich mehr Orte nach Männern benannt als nach Frauen.

Grundgesetz und Erklärung der Menschenrechte sollen ausschlaggebend sein

Das Gremium plant, nach der Anhörung externer Fachhistoriker Empfehlungen zum Umgang mit den einzelnen Ortsnamen abzugeben. Ob eine Straße oder ein Gebäude wirklich einen neuen Namen erhält, sollen letztlich die Stadtverordneten beschließen. Zuvor sollen die Bürger in nicht näher definierten Beteiligungsformaten in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Die Bewertung der Persönlichkeiten soll sich vor allem auf das Grundgesetz und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen stützen. Ausschlaggebende Gründe für eine Umbenennung wären „gravierende Verstöße gegen die Grund- und Menschenrechte und die Menschenwürde, besonders gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

Kommission möchte Biografien nach drei Kategorien einteilen

Die Kommission schränkt ein, dass die Betrachtung im Rahmen des historischen Kontextes erfolgen müsse. Dabei müsse die Frage im Mittelpunkt stehen, ob die namensgebende Person damals hätte anders handeln können.

Heinrich Carl von Schimmelmann wurde durch den Sklavenhandel reich.
Heinrich Carl von Schimmelmann wurde durch den Sklavenhandel reich. © Wachholtz Verlag

Vorgeschlagen wird eine Einteilung in drei Kategorien: unbelastet, teilweise belastet und belastet. Bei der zweiten Kategorie könnte etwa durch das Anbringen einer Hinweistafel vor Ort auf eine Namensänderung verzichtet werden, während bei der dritten Handlungsbedarf bestehe, weil eine Ehrung der Person heute nicht mehr zu rechtfertigen sei.

Gremium macht auch Vorschläge für künftige Benennung von Orten

Bei künftigen Benennungen sollen die Biografien potenzieller Namensgeber vorab durchleuchtet werden. Generell solle es sich um „herausragende, in ihrem Bereich prägende Persönlichkeiten“ handeln und um Vorbilder beim Einsatz für Grund- und Menschenrechte. Eine „untadelige Erfüllung von beruflichen Pflichten“ sei allein kein Grund für eine Ehrung. Eine Benennung soll zudem frühestens zehn Jahre nach dem Tod einer Person möglich sein.

Zusätzlich soll es nach dem Willen der Kommission bei künftigen Namensgebern einen Ahrensburg-Bezug geben. Nur in begründeten Ausnahmefällen sei davon abzusehen. Weibliche Personen sollen bei vergleichbarer Leistung bevorzugt werden, bis bei den Ortsnamen Geschlechterparität herrscht. Bei der Benennung von Orten, die von Kindern und Jugendlichen genutzt werden, etwa Kitas oder Schulen, sollen auch fiktionale Namensgeber möglich sein.

Kommunalpolitiker müssen über weitere Arbeit der Kommission entscheiden

Ahrensburgs Kommunalpolitiker müssen nun entscheiden, wie die Arbeit der Kommission fortgeführt wird. Das Gremium regt an, die Biografien der Namensgeber aller vorhandenen Straßen und Gebäude in Form einer Ausstellung zu präsentieren. Zusätzlich seien auch Workshops mit den Schulen sinnvoll.

Dafür müssten demnach im Archiv bis 2026 personelle Ressourcen in Form von mindestens 20 Wochenstunden zusätzlich für die Projektkoordination geschaffen werden. Die Kosten lägen bei rund 200.000 Euro. Der Verwaltung geht das zu weit. Sie schlägt vor, die Projektstelle mit 20 Wochenstunden zunächst nur bis Ende 2024 zu verlängern.

Verwaltung möchte das Gremium nur in Einzelfällen befragen

Statt einer Ausstellung sollen die Biografien digital auf der geplanten Internetseite des Stadtarchivs veröffentlicht werden. Außerdem möchte die Verwaltung nicht alle Ortsnamen von der Kommission überprüfen lassen, sondern das Gremium lediglich „auf Basis von Einzelanfragen zu kritischen Persönlichkeiten“ anrufen.

Bildungs- Kultur- und Sportausschuss Do 7.9., 19.30, Grundschule Am Hagen, Dänenweg 13