Ahrensburg. Wulf Köpke vertritt die Interessen des winzigen Inselstaates im Südpazifik in Deutschland. Was der 70-Jährige dabei schon erlebt hat.
Alstertor 20 in Hamburg, ein unscheinbares Bürogebäude in einer Seitenstraße, nur wenige Meter von Binnenalster und Jungfernstieg entfernt. Im Erdgeschoss gibt es eine Bankfiliale und ein Teppichgeschäft. Nur wer genau hinsieht, entdeckt das kleine Metallschild am Briefkasten: Honorarkonsulat der Republik Palau. Zu finden ist es in den Räumen der Anwaltskanzlei von Erinc Ercan.
Das Konsulat besteht aus einem Zimmer. In dessen Mitte steht ein kleiner Tisch mit vier Stühlen und einer kleinen Flagge darauf, hellblau mit gelbem Punkt, in einer Ecke eine Kommode mit einem Wasserkocher darauf. Nach einer Behörde sieht es hier nicht aus. Beim Betreten sticht sofort die rechte Wand ins Auge. Eingekleidet in Paletten sind dort kunstvolle Schnitzerein, kleine Dosen, filigran aus Muscheln hergestellt, eine historische Landkarte und andere Kunstgegenstände arrangiert.
Ahrensburger Wulf Köpke ist Honorarkonsul von Palau
„Das meiste davon sind Mitbringsel, besondere Erinnerungsstücke“, sagt Wulf Köpke. Es ist sein Büro. Er ist Ahrensburger. Und Honorarkonsul von Palau. Am Tisch schenkt Köpke Oolong-Tee ein, eine Spezialität aus Taiwan. Schon um die zehn Mal habe er Taiwan besucht, er habe nicht mitgezählt, sagt der 70-Jährige. „Mir gefällt es dort, das Land, die Menschen, die Natur.“ Und Palau sei eines von nur einer Handvoll Ländern, die Taiwan als Staat anerkennen. „Das passt ganz gut“, sagt Köpke und schmunzelt.
Wenn der Ahrensburger von Palau spricht, gerät er ins Schwärmen. „Die Menschen dort haben unglaublich viel Natur bewahrt, es gibt eine abwechslungsreiche Landschaft und eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt mit Haien, Krokodilen und Seekühen“, erzählt er. Dreimal hat Köpke den rund 12.000 Kilometer von Deutschland entfernt gelegenen Inselstaat schon besucht, zuletzt 2019. „Dann kam Corona“, sagt er.
Von den 16 Bundesstaaten haben einige weniger als 100 Einwohner
Palau liegt im Südpazifik, etwa 880 Kilometer östlich der Philippinen und 850 Kilometer nördlich von Neuguinea. Das Land besteht aus 365 Inseln vulkanischen Ursprungs mit 416 Quadratkilometern Landfläche, von denen die meisten unbewohnt sind. Weniger als 18.000 Einwohner hat Palau, gerade einmal halb so viele wie Köpkes Heimatstadt Ahrensburg.
Dennoch ist der kleine Inselstaat nach dem Vorbild des politischen Systems der USA in 16 Bundesstaaten untergliedert, in einigen davon leben weniger als 100 Menschen. Die Hauptstadt Ngerulmud ist mit weniger als 300 Einwohnern die kleinste der Welt. Mediale Aufmerksamkeit bekam das durch den ansteigenden Meeresspiegel bedrohte Palau, als die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Inselstaat im Juli 2022 besuchte.
Bezahlt wird auch mit Schildkrötenpanzern und Keramikscherben
Seine erste Reise nach Palau 2014 ist Köpke besonders in Erinnerung geblieben. „Als ich ankam, wollte ich etwas essen“, erzählt der Ahrensburger. Jemand empfiehlt ihm die landestypische Spezialität fruit bat. Wenig später hat Köpke eine Schüssel Suppe vor sich. Darin: Ein Flughund mit Kopf, Fell und Flügeln. „Ich konnte das nicht essen“, sagt Köpke.
Der Flughund in der Suppe ist nicht die einzige Kuriosität, die Köpke in Palau begegnet. „Eine andere Sache ist die Währung“, erzählt er. Offizielles Zahlungsmittel ist der Dollar. „Aber es gibt auch noch andere, traditionelle Zahlungsmittel.“ Zum Beispiel Schildpatt, Schildkrötenpanzer, mit denen nur Frauen bezahlen dürfen. „Und es gibt 3000 Jahre alte chinesische Keramikscherben, die den Grundstücksbesitz dokumentieren“, erzählt der Ahrensburger.
Bei Tauchern, Kreuzfahrtanbietern und Wissenschaftlern ist Palau beliebt
„In der politischen Ordnung Palaus spielen neben den klassischen Verfassungsorganen nach amerikanischem Vorbild traditionelle Strukturen, insbesondere die zwölf Stammeshäuptlinge, eine große Rolle“, erklärt er. Gewählt werden sie von den Frauen. „Die Frauen haben eine besonders starke Stellung in der Gesellschaft.“
Als Honorarkonsul pflegt Wulf Köpke die Beziehungen zwischen Deutschland und Palau. Er ist Ansprechpartner für die Bürger des Landes in Deutschland und für Deutsche, die den Inselstaat besuchen wollen. Sein Zuständigkeitsgebiet umfasst die gesamte Bundesrepublik. „Vor allem bei Tauchern und Kreuzfahrtanbietern ist Palau als Destination beliebt“, sagt Köpke. Davon abgesehen seien es vor allem Wissenschaftler, die Kontakt zu dem Pazifikstaat pflegten.
Bis 2016 leitetet Köpke das Völkerkundemuseum im Hamburg
Die Wissenschaft war es auch, durch die Wulf Köpke 2018 zum Honorarkonsul wurde. 24 Jahre, von 1992 bis 2016, leitete der Ethnologe das Völkerkundemuseum in Hamburg. „Das Museum verbindet eine besondere Beziehung mit Palau“, erzählt der 70-Jährige. Denn in seinen Archiven lagern Originaldokumente des Anthropologen-Ehepaares Augustin Krämer und Elisabeth Krämer-Bannow, das von 1908 bis 1910 die Südsee bereiste und auch die damalige deutsche Kolonie Palau besuchte.
Von 1899 bis 1914 waren die Inseln Teil des Deutschen Reichs. Augustin Krämer beschrieb in fünf Bänden das Leben in Palau und führte dabei unter anderem die Besitzverhältnisse auf den Inseln auf. „Mangels eigener schriftlicher Aufzeichnungen werden die Krämer-Bände noch heute als Rechtsquelle bei Grundstücks- und Stammesstreitigkeiten herangezogen“, erzählt Köpke.
Präsident persönlich bat den Ahrensburger, den Posten zu übernehmen
Die Aufzeichnungen werden seit einigen Jahren ins Englische übersetzt. „Deshalb habe ich während meiner Zeit als Museumsleiter engen Kontakt zu den staatlichen Stellen in Palau gehabt“, sagt der Ahrensburger. Und so kam es, dass man Köpke fragte, als die palauische Regierung einen Honorarkonsul in Deutschland suchte. Zunächst habe er gezögert. Erst als der Präsident persönlich den Ahrensburger bat, den Posten zu übernehmen, erklärte sich Köpke bereit.
Die erste Herausforderung habe darin bestanden, Büroräume zu finden. Das Amt des Honorarkonsuls ist ein Ehrenamt, eine Vergütung bekommt Köpke nicht. „Ich wusste, dass ich mir eine teure Miete nicht leisten kann“, sagt der Ahrensburger. Der Anwalt Erinc Ercan, mit dem Köpke befreundet ist, stellte ihm ein kleines Zimmer in seiner Kanzlei zur Verfügung. Je nach Bedarf, ist der Ahrensburger mal einen, mal zwei oder mehr Tage in der Woche vor Ort.
Köpke bereitet die Besuche palauischer Regierungsmitglieder vor
„Mir war es wichtig, ein aktiver Konsul zu sein, mich einzubringen, und nicht nur einen Titel zu tragen“, sagt der 70-Jährige. Gelegenheit dazu, sich zu beweisen, bekommt Köpke 2019. „Die haben angerufen und angekündigt, dass die Präsidentengattin für eine Woche nach Berlin kommt“, erzählt er. Nur drei Tage Vorlauf bleiben, um den Besuch vorzubereiten. „Die Menschen in Palau sind sehr spontan“, sagt der Ahrensburger und lacht.
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Köpke begleitet den hohen Besuch während des Deutschlandaufenthaltes. Auch als im Juni 2019 die palauische Außenministerin Faustina Rehuher-Marugg die Bundesrepublik besucht, ist er Teil der Delegation. Bei dieser Reise ist die Ministerin auch in der Stadtbücherei von Köpkes Heimatstadt Ahrensburg zu Gast. Das Vor- und Nachbereiten von Besuchen palauischer Regierungsmitglieder gehöre zu den Aufgaben eines Honorarkonsuls. „Ich stimme beispielsweise vor offiziellen Gesprächen die Themen mit dem Auswärtigen Amt ab“, sagt Köpke.
Eine ungewöhnliche Anfrage erreicht den Ahrensburger im Frühjahr 2019
Eine ungewöhnliche Anfrage erreicht den Ahrensburger im Frühjahr 2019. „Ein Ehepaar macht eine Kreuzfahrt, der Frau geht es schlecht, sie geht in Palau an Land – und stirbt“, erinnert sich der 70-Jährige. In seiner Panik reist der Mann allein weiter und lässt seine tote Gattin dort. „Die Frau wurde dann auf traditionelle Weise begraben, die Palauer haben das ganz rührend organisiert.“
Das Problem: Die Tochter des Paares in Hamburg sei damit nicht einverstanden gewesen, habe sich von ihrer Mutter verabschieden wollen. Als Köpke wenig später nach Palau reist, besucht er dort das Grab, macht Fotos und legt für die Tochter etwas nieder. „Das war ihr ganz wichtig“, sagt der 70-Jährige.
Für den 70-Jährigen kann Deutschland beim Umweltschutz von Palau lernen
Deutschland, sagt Köpke, könne von Palau auch einiges lernen. „Beim Klimaschutz gehört Palau zu den führenden Ländern der Welt.“ Selbst vom steigenden Meeresspiegel bedroht, verstünden es die Menschen dort, ihre Tier- und Pflanzenwelt zu schützen. Die Eindrücke und Erfahrungen, die der 70-Jährige während seiner Besuche in dem Inselstaat gemacht hat, möchte Köpke in seiner Heimatstadt einbringen.
Bei der Kommunalwahl am 14. Mai kandidiert er für die Ahrensburger Wählergemeinschaft WAB. „Wenn ich gewählt werde, möchte ich mich vor allem für den Umweltschutz einsetzen“, sagt Köpke. Doch auch falls das nicht klappt, hat der 70-Jährige bereits einen vollen Terminkalender. Im Sommer möchte er erneut nach Palau reisen. „Es gibt eine neue Regierung, die ich wegen der Pandemie noch nicht kennenlernen konnte“, sagt er.