Ahrensburg. Ehemals Geflüchtete engagieren sich im Freundeskreis für Flüchtlinge Ahrensburg. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Wer aus seinem Heimatland flüchtet und in Deutschland ein neues Zuhause findet, der ist erst einmal mit jeder Menge Herausforderungen konfrontiert. Alles ist neu und ungewohnt. Daran kann Fazana Alizada sich noch gut erinnern: „Ich habe fast jeden Tag einen Brief bekommen“, sagt die 26-Jährige. Ende 2019 flüchtete sie allein aus Afghanistan nach Deutschland. „Am Anfang war ich fast nur damit beschäftigt, Formulare auszufüllen.“ Und: „Einmal hatte ich einen Termin in Bad Oldesloe, bin aber aus Versehen in Hamburg gelandet.“ Den richtigen Zug hatte sie zwar genommen. Nur war die Fahrtrichtung die falsche.

Solche kleinen und großen Schwierigkeiten haben sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Team „Me for you“ des Freundeskreises für Flüchtlinge Ahrensburg alle erlebt. Sie sind einst selbst nach Deutschland geflüchtet und helfen nun anderen Menschen, die neu in der Schlossstadt ankommen. Denn sie wissen, wie es sich anfühlt, sich in einem fremden Land erst einmal ziemlich verloren zu fühlen. „In ihrer Heimat waren die Menschen Ärzte, Lehrer oder Köche. Dann kommen sie hierher und fühlen sich wie Analphabeten, verstehen die Sprache nicht, dürfen nicht arbeiten. Das ist eine schwierige Situation“, sagt Shokoufeh Rohami.

Die Geflüchteten helfen Neuankömmlingen bei der Integration

In Afghanistan war sie Englischlehrerin, hat ihren Bachelor- und Masterabschluss in der Tasche. Als die Taliban an die Macht kamen, musste sie ihre Heimat verlassen. Im Zuge der Massenflucht konnte sie aus Kabul im August 2021 gerade noch entkommen, lebt mittlerweile in Ahrensburg. Arbeiten kann sie im Moment noch nicht. Zuerst muss sie noch besser Deutsch lernen. Doch die Wartezeiten für die Integrationskurse sind oft lang.

Vor diesem Hintergrund startete der Freundeskreis für Flüchtlinge Ahrensburg vor etwa einem halben Jahr einen Aufruf. „Wir haben mitbekommen, dass viele Geflüchtete im privaten Kontext schon vielen anderen helfen“, sagt Vorsitzender Nico Markward. Daher sei die Idee aufgekommen, eine Gruppe zu gründen, die sich regelmäßig trifft. Das stieß auf großes Interesse. „Wir hatten schnell ungefähr 15 Menschen zusammen“, so Markward. Die so entstandene „Me for You“-Gruppe trifft sich regelmäßig zum Austausch.

Bei den Infoabenden wird englisch, ukrainisch oder persisch gleichzeitig geredet

Die Mitglieder übernehmen verschiedene Aufgaben in der Flüchtlingshilfe: Sie begrüßen neu angekommene Flüchtlinge in ihrer Landessprache, nehmen Familien und Einzelpersonen an die Hand, begleiten sie bei Behördengängen oder Arztbesuchen und bieten auch Deutschkurse an. „Wir wollen den Menschen, die nach Ahrensburg kommen, direkt zu Beginn zeigen, dass sie nicht allein sind“, so Markward.

Die Stadt meldet dem Freundeskreis für gewöhnlich, wenn neue Geflüchtete ankommen. Für die bietet der Verein dann Willkommensveranstaltungen an. „Da geht es immer wild durcheinander“, so der Vorsitzende. „Es wird englisch, ukrainisch oder persisch gleichzeitig geredet.“ Dabei haben die Beteiligten aber immer großen Spaß. „Wir sind mittlerweile richtig zusammengewachsen. Wenn wir uns sehen, fühlt es sich immer an wie ein Familientreffen“, sagen die Ehrenamtlichen.

Eine Arbeitsgruppe befasst sich speziell mit dem Thema Gesundheit

Kleinere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit weiteren Einzelthemen. Eines davon ist Gesundheit. „Da geht es darum, den Geflüchteten das System der Krankenversicherung zu erklären, sie über Kindergesundheit zu informieren und zum Beispiel über die Vorsorgeuntersuchungen aufzuklären“, so Markward. Ein anderes geplantes Projekt betrifft Schulen. Die Ehrenamtlichen wollen Kinder und Eltern unterstützen, indem sie zum Beispiel bei Elternabenden dolmetschen.

Das Schöne: „Mit dem Ehrenamt helfen sie nicht nur anderen, sondern sie profitieren auch selbst davon“, so Markward. Denn durch ihr Engagement haben die Geflüchteten eine sinnvolle Aufgabe, gewinnen Selbstvertrauen, bauen Kontakt zu Deutschen auf und lernen nebenbei Kultur und Sprache ihrer neuen Heimat kennen. Eine Win-Win-Situation also für alle Beteiligten.

Die Geflüchteten profitieren selbst auch von ihrem Ehrenamt

Viele überbrücken mit dem Ehrenamt die Zeit, in der sie auf ihren Integrationskurs warten und noch nicht arbeiten gehen dürfen. Einige engagieren sich aber auch neben Schule oder Nebenjob. Eine von ihnen ist Diana Moslem Banitorfi. Die 19-Jährige kam vor drei Jahren aus dem Iran nach Deutschland. Momentan macht sie ihre Fachhochschulreife und absolviert eine Ausbildung zu sozialpädagogischen Assistentin. Danach will sie studieren.

Nebenbei engagiert sie sich im Freundeskreis für Flüchtlinge, ist mittlerweile Mitglied im Vorstand. „Als ich nach Ahrensburg kam, hat mir der Freundeskreis so sehr geholfen“, sagt sie. Ohne ihn, ist sie sich sicher, wäre sie völlig verloren gewesen. Deshalb möchte sie etwas zurückgeben. „Ich mag es, Menschen zu helfen“, sagt sie. „Aber es hilft mir selbst auch, besser Deutsch zu lernen.“

Die Sprachbarriere ist eine der größten Herausforderungen

Die Sprachbarriere, da sind sich die Geflüchteten einig, ist eine der größten Herausforderungen am neuen Leben in Deutschland. Sie ist aber bei Weitem nicht die einzige. Auch an das Wetter oder die deutsche Küche müsse man sich erst einmal gewöhnen. „Als ich hergekommen bin, habe ich mich gefragt, ob auch mal die Sonne scheint“, sagt Samira Behbodi und lacht. In ihrem Heimatland Afghanistan ist es viel wärmer. Obwohl sie erst seit acht Monaten in Deutschland ist, kann sie die Sprache schon gut verstehen und sprechen. Sie unterstützt viele Angebote des Freundeskreises, hilft bei Behördengängen, kocht Kaffee, räumt auf, kommt mit den Menschen ins Gespräch.

Amina Mustafa kam vor acht Jahren aus Syrien nach Deutschland. Sie bietet im Verein mehrmals pro Woche einen Deutschkurs für Geflüchtete an, die noch auf ihren Integrationskurs warten. Mark Tiedemann aus Brunsbek hat selbst keinen Fluchthintergrund, engagiert sich aber trotzdem in der Gruppe. „Ich arbeite als Softwareentwickler vier Tage die Woche“, sagt er. „Meinen freien Tag wollte ich mit etwas Gutem füllen.“ Er plant unter anderem Ausflüge, um den Geflüchteten ihre neue Heimat zu zeigen.

Wetter, Bürokratie und Pünktlichkeit sind anders als im Heimatland

Kultur, Land und Leute haben die ehrenamtlichen Geflüchteten in Deutschland bereits kennengelernt. Vieles ist anders als zu Hause: das Regenwetter, die Bürokratie, die typisch deutsche Pünktlichkeit und auch das Essen. „Hier gibt es viele Kartoffeln und Brötchen, das war am Anfang gewöhnungsbedürftig“, sagt Fazana Alizada. „Dann hat mir eine Bekannte den Steindamm in Hamburg gezeigt und ich bekam alles, was ich von zu Hause kenne. Dort ist es wie in Kabul.“ Doch mittlerweile haben die meisten auch das deutsche Essen kennen und mögen gelernt. „Ich liebe Kartoffelsalat“ sagt Samira Behbodi. „Und Spargel.“

Und auch, wenn sie ihr altes Zuhause manchmal vermissen: „Hier in Deutschland ist vieles gut“, sagt Fazana Alizada. „Man bekommt ein Dach über den Kopf, Unterstützung vom Staat und eine kostenlose Gesundheitsversorgung.“ Außerdem schätzen sie die Gemeinschaft und Offenheit. „Ich habe das Gefühl, die Menschen interessieren sich für uns, sie bringen uns Dinge bei und laden uns in ihre Kultur ein“, sagt Amina Mustafa. „Mit unserer deutschen Nachbarin haben wir alle Feste zusammengefeiert: die deutschen und die syrischen.“