Großhansdorf. Experten von Hamburg Wasser errechnen mit Modell Stellen mit hoher Überflutungsgefahr. Künftig sollen Bürger es nutzen.

Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 hat auf dramatische Weise vor Augen geführt, dass auch Deutschland die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen wird. „Wir stellen fest, dass bei den Niederschlägen die Extreme in kurzfristigen Abfolgen deutlich zunehmen“, sagt Andreas Kuchenbecker, Stadthydrologe bei Hamburg Wasser. Die Schlagzahl extremer Dürreperioden und Starkregenereignisse habe sich in den vergangenen Jahren erhöht. Städte und Gemeinden zwingt die Entwicklung, sich mit den Konsequenzen des Klimawandels auseinanderzusetzen und sich für Extremwetterereignisse zu wappnen.

Wie das gelingen kann, hat Kuchenbecker während der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses in Großhansdorf gezeigt. „Spätestens seit der Ahrtal-Flut steht die Starkregenvorsorge nicht nur in Großstädten im Fokus, sondern auch auf dem Land“, sagt der Experte. Ein simuliertes Modell soll Städte und Gemeinde dabei unterstützen, Punkte mit hoher Überflutungsgefahr zu erkennen und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

Starkregen: Simulation zeigt Auswirkungen in Großhansdorf

Im November 2021 hatte Hamburg Wasser das Projekt bei einer Einwohnerversammlung erstmals angekündigt. Großhansdorf ist eine der ersten Kommunen im Versorgungsgebiet von Hamburg Wasser, für die ein solches Modell jetzt vorliegt. Nur für Barsbüttel gibt es bereits ein solches, für Hamburg selbst soll es bis zum Jahresende entwickelt werden. „Mittels präziser Berechnungen ermöglicht es uns, genaue Vorhersagen darüber zu treffen, ab welchem Zeitpunkt das Kanalnetz ausgelastet ist, wohin das Wasser fließen und wo es sich sammeln wird“, sagt Andreas Baier, der an der Erstellung des Modells mitgearbeitet hat.

Um eine möglichst realistische Simulation zu erstellen, haben die Experten zahlreiche Daten eingespielt: Topographie samt Anhöhen und Senken, das Kanalnetz mit Gullys und Abläufen, Gebäude und versiegelte Flächen. „Wir können alle relevanten Entwässerungsprozesse abbilden“, sagt der Experte. Dazu zählen die Versickerung im Boden und der Abfluss über die Kanalisation ebenso wie die Haftung des Niederschlags an Pflanzen.

Dreidimensionales Modell zeigt Oberfläche und Kanalnetz im Untergrund

Entstanden ist so ein dreidimensionales Modell der Gemeinde, in dem sämtliche Gebäude, Straßen, Hügel und Täler erkennbar sind. Und nicht nur das: In einer anderen Ansicht kann unter die Erde gewechselt werden, um das ebenfalls enthaltene Kanalnetz zu betrachten. „Das Kanalnetzmodell interagiert mit dem Oberflächenmodell und umgekehrt, Wasser kann zwischen den Modellen ausgetauscht werden“, sagt Baier. Damit ließen sich Wechselwirkungen, etwa die Konsequenzen eines übergelaufenen Kanals, sehr genau vorhersagen.

Per Computer können die Experten in der sogenannten Starkregengefahrenkarte Niederschlagsereignisse verschiedener Stärke simulieren. „Der Starkregenindex kennt zwölf Kategorien, die Flut im Ahrtal war beispielsweise eine Elf“, sagt Kuchenbecker. „Ab Stufe drei sollten Bürger selbst Vorsorgemaßnahmen treffen, ab Stufe sechs müssen Gemeinde und Katastrophenhelfer tätig werden“, sagt er. 90 Prozent der Regenschauer erreichten aber nicht einmal die erste Stufe auf der Skala.

Das Schulzentrum Schmalenbeck mit dem Sportplatz Kortenkamp (oben) in der Simulation. Die Anlage wäre bei Starkregen besonders gefährdet.
Das Schulzentrum Schmalenbeck mit dem Sportplatz Kortenkamp (oben) in der Simulation. Die Anlage wäre bei Starkregen besonders gefährdet. © HA | Hamburg Wasser

Schulzentrum und Sportplatz sind besonders überflutungsgefährdet

Wie ein Starkregenschauer im Modell aussieht, verdeutlicht Andreas Baier. Zunächst lässt er einen Schauer der Stufe zwei über Großhansdorf niederregnen. Langsam erscheinen blaue Flecken auf der Karte, die bei Stufe drei langsam größer werden. Bereits ab Stufe fünf bilden sich an tiefer gelegenen Orten große, blaue Stellen. „Das Kanalsystem ist zu diesem Zeitpunkt ausgelastet und nicht mehr in der Lage, Wasser aufzunehmen“, sagt Baier.

Besonders überflutungsgefährdet sind dem Modell zufolge der Sportplatz Kortenkamp und das Schulzentrum. „Schon bei Stufe zwei stehen auf der Laufbahn neun Zentimeter Wasser“, sagt Baier. Bei Stufe fünf lässt sich ein reißender Bach erkennen, der sich seinen Weg am Schulzentrum vorbei bahnt. Ebenfalls unter Wasser steht der Beimoorweg im Einmündungsbereich in die Hoisdorfer Landstraße.

Berechnungen sollen in künftige Bauleitverfahren mit einbezogen werden

Diese Stelle hatten Hamburg Wasser und die Gemeinde schon in der Vergangenheit als kritischen Punkt identifiziert. Noch bis Dezember verlegt das Unternehmen deshalb einen neuen, leistungsstärkeren Regenwasserkanal vom Erlenring bis zum Beimoorweg. Das Wasser soll künftig von Beimoorweg und Hasselkamp kommend unter der Hoisdorfer Landstraße in den Dorfteich geleitet werden, welcher vertieft wird. „Diese Maßnahme ist in dem Modell noch nicht berücksichtigt“, sagt Baier. Bereits 2021 wurden die Abwassersysteme im Bereich der Straßen Wöhrendamm und Up de Worth ausgebaut. Dort war es in der Vergangenheit direkt vor der Feuerwache immer wieder zu Überflutungen gekommen.

„In Zukunft werden uns Modelle wie die Starkregengefahrenkarte bei städtebaulichen Planungen von Nutzen sein“, sagt Kuchenbecker. Das sieht auch Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß so. „Wir werden uns in künftigen Bauleitverfahren mit dem Thema auseinandersetzen müssen“, sagt der Verwaltungschef. Dabei werde auch zu diskutieren sein, ob an bestimmten Stellen Maßnahmen wie eine Gründachpflicht oder Vorgaben zur Flächenversiegelung in Bebauungsplänen vorgeschrieben werden müssten. Insgesamt zeigt sich Voß erleichtert, „dass wir nur wenige ganz schlimme gefährdete Orte in der Gemeinde haben.“

Starkregen: Mittelfristig sollen auch Bürger die Simulation nutzen können

Doch nicht nur die Gemeinde soll das Modell für künftige Planungen heranziehen können. „Das Ziel ist es, die Simulation mittelfristig auch allen Bürgern zugänglich zu machen“, sagt Kuchenbecker. „Unsere Vorstellung ist, dass man dort wie in einem Computerspiel Maßnahmen wie etwa eine Mauer am eigenen Grundstück simulieren und schauen kann, wo das Wasser dann hinfließt“, so der Experte.

Zunächst aber wolle man das Modell gemeinsam mit der Gemeinde weiter verfeinern. Bürger, die schon jetzt wissen möchten, wie überflutungsgefährdet ihr Grundstück ist, können indes die Starkregenkarte von Hamburg Wasser nutzen, die unter sri.hamburgwasser.de einsehbar ist. Sie zeigt das aktuelle Regengeschehen an und ordnet es den Skalenstufen auf dem Starkregenindex zu.