Bargteheide. Warum die sieben Tafeln in Stormarn keine Lebensmittel kaufen sollen, aber weiter auf Geldspenden angewiesen sind.
Die Spendenbereitschaft in Bargteheide ist ungebrochen. Das beweist eine private Sammelaktion zugunsten der Tafel Ahrensburg, die das Ehepaar Uwe und Renate Hochgraeber jüngst organisiert hat. Dabei kamen so viele Sachspenden zusammen, dass das Familienauto bis unters Dach restlos und nahe am zulässigen Ladelimit gefüllt war, wie Uwe Hochgraeber berichtet. „Wir waren von der Großzügigkeit, der Hilfsbereitschaft und der gezeigten Empathie wirklich überwältigt und auch ein wenig stolz auf unsere Nachbarn“, sagt Ehefrau Renate.
Mit Beginn der Flüchtlingswelle aus der Ukraine hatte das Paar bereits im Mai spontan zu einer Sammelaktion aufgerufen. „Als nun bekannt wurde, dass die Tafelausgabestellen dringend Nachschub benötigen, wurden wir angesprochen, ob wir vielleicht noch eine weitere Sammelaktion planen“, berichtet Renate Hochgraeber.
Tafel Ahrensburg: 60 Bargteheider Haushalte haben sich an Spendenaktion beteiligt
Daraufhin erstellte sie innerhalb kurzer Zeit einen Flyer, von dem sie 70 Kopien zog. Auf dem Infozettel waren jene Waren aufgelistet, die bei der Tafel am meisten nachgefragt sind. Die Flyer waren in der Nachbarschaft kaum verteilt, als die Bewohner der Breslauer Straße und der Westpreußenstraße auch schon prall gefüllte Kartons, Kisten, Tüten und Taschen vorbeibrachten.
„Innerhalb kurzer Zeit war unsere Diele brechend voll“, so Renate Hochgraeber. Ehemann Uwe schätzt, dass sich mindesten 60 von 70 informierten Haushalten an der Sammelaktion beteiligt haben. Neben haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln und Konserven sind vor allem Toiletten- und Hygieneartikel gespendet worden. „Natürlich auch Süßigkeiten für die Kinder. In einem Karton waren zum Beispiel 30 Nikoläuse“, sagt Renate Hochgraeber.
Rund 3300 Bedürftige werden jetzt unterstützt
Die Mitarbeiter der Bargteheider Ausgabestelle in der Hamburger Straße 7 nahmen die Spendenlieferung mit großer Freude und Dankbarkeit entgegen. In diesen Tagen wird jede einzelne Spende dringender denn je gebraucht, da der Andrang Bedürftiger in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen hat.
Die Tafel Ahrensburg unterstützt in ihren fünf Ausgabestellen in Ahrensburg, Bargteheide, Hamburg-Rahlstedt, Ammersbek-Hoisbüttel und Großhansdorf jede Woche inzwischen rund 3300 wirtschaftlich und sozial benachteiligte Menschen. Dazu zählen immer mehr Flüchtlinge. Vor Beginn des Ukraine-Krieges hatten die Ausgabestellen rund 2600 bedürftige Kunden aus etwa 1080 Haushalten.
Mehr als 150 Freiwillige packen mit an
Das stellt auch die freiwilligen Helfer vor immense Herausforderungen. Die wenigsten von ihnen, aktuell gerade 53, sind tatsächlich eingetragene Mitglieder des Tafelvereins. Mehr als 100 weitere Helfer engagieren sich ebenfalls ehrenamtlich, zumeist in Doppelfunktionen: etwa als Fahrer oder Beifahrer sowie als Sortierer und Verteiler in den Ausgabestellen.
Normalerweise gehört es zu den Grundsätzen der Tafel, dass Lebensmittel und Hygieneartikel nicht zugekauft werden dürfen. „Davon durfte im Sommer kurzzeitig abgewichen werden, inzwischen soll davon aber wieder Abstand genommen werden“, sagt Holger Pruß, Vorsitzender der Tafel Ahrensburg. Es bleibe dabei, dass die Tafeln zwar Lebensmittel retten, sie aber nicht kaufen sollen.
5000 Kilogramm Sachspenden an einem Tag
Anders verhalte es sich hingegen bei Sachspenden. Die würden zwar auch gekauft, der Tafel aber dann von Privatpersonen oder Organisationen direkt übergeben. So wie kürzlich bei der Weihnachtsspenden-Aktion „Bitte eins mehr“ am zweiten Advents-Sonnabend, an der sich wie bereits berichtet erneut sechs Stormarner Supermärkte beteiligt hatten. Dabei waren diesmal insgesamt 5000 Kilogramm an haltbaren Lebensmitteln wie Kaffee, Nudeln, Mehl, Zucker, Fette und Konserven sowie Körperpflegeartikel und Tiernahrung zusammengekommen.
Dennoch sind die sieben Stormarner Tafeln weiter auch auf Geldspenden und Zuschüsse von Bund, Land und Kommunen angewiesen. „Schließlich haben wir auch erhebliche Betriebskosten, sowohl für unseren Fuhrpark als auch für unsere Ausgabestellen“, erklärt Michael Eisele, der Kassenwart der Ahrensburger Tafel.
Tafellaster haben 91.000 Kilometer zurückgelegt
Auf knapp 142.000 Euro beliefen sich diese Kosten im vergangenen Jahr, das waren rund 11.800 Euro im Monat. Davon entfielen allein 52.400 Euro auf die Raummieten für die fünf Ausgabestellen und deren Nebenkosten wie Strom und Wasser.
„Ein weiterer umfangreicher Kostenblock entsteht durch die gesamte Logistik“, erläutert Eisele. Immerhin legen die fünf vereinseigenen Kleinlaster, die alle über eine Warenkühlung verfügen, rund 91.000 Kilometer pro Jahr zurück. Auf den 24 Touren werden regelmäßig rund 80 Spenderstandorte angefahren. „Für Sprit, Reparaturen, Wartung und die Versicherungen müssen übers Jahr 28.600 Euro aufgebracht werden“, weiß Eisele.
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Das Land hatte im Sommer ein Sofortprogramm zur finanziellen Unterstützung der Tafeln aufgelegt. Bis Ende dieses Jahres werden 500.000 Euro bereitgestellt, um das Angebot der Tafeln wegen der steigenden Nachfrage zu unterstützen. „Menschen sollen bei den Tafeln die Unterstützung bekommen, die sie brauchen“, erklärte Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) bei ihrem Besuch der Oldesloer Tafel Ende Juli. So durften Anträge zur Erweiterung der Lager- und Kühlkapazitäten gestellt werden, für die notwendigen Transporte, aber auch Dolmetscherdienste.
Der Kreis Stormarn hat kürzlich auf Antrag der FDP zudem 100.000 Euro bereitgestellt. „Uns ist es wichtig, dass unsere Finanzspritze on top kommt und möglichst schnell ausgezahlt werden kann“, sagte FDP-Fraktionschef Thomas Bellizzi. Möglichst schon kurz nach dem Jahreswechsel.