Reinbek. Steigende Kosten und weniger Spenden werden zum Problem für die Helfer. Nur in Reinbek läuft es besser als andernorts.

Großer Andrang, zu wenig Helfer, explodierende Energiekosten: Die Tafeln im Kreis Stormarn haben in den vergangenen Wochen Alarm geschlagen. Die Politik reagiert: Mit 100.000 Euro will der Kreis den sieben Tafeln in Bad Oldesloe, Ahrensburg, Barsbüttel, Glinde, Trittau, Reinfeld und Reinbek jetzt unter die Arme greifen. „Es ist unsere Verantwortung als Gesellschaft, die Tafeln in dieser schwierigen Situation nicht im Regen stehen zu lassen“, sagt Thomas Bellizzi, Fraktionsvorsitzender der FDP und Mitglied im Sozialausschuss des Kreises. Bei den anderen Fraktionen fand der Antrag sofort Zustimmung. Es ist das erste Mal, dass der Kreis die Tafeln finanziell unterstützen will. Er steht finanziell gut da, ist als einer von wenigen in Deutschland schuldenfrei und hat Rücklagen.

Tafeln in Not: Geld soll schnellmöglich bei den Helfern ankommen

Bislang konnten die Tafeln nur auf Unterstützung vom Land hoffen, wurden insgesamt 500.000 Euro auf 61 Tafeln verteilt. „Uns ist es wichtig, dass unsere Finanzspritze on top kommt“, sagt Bellizzi. „Wir hoffen darauf, dass wir schon im Januar das Geld auszahlen können“, sagt Gerd Prüfer (SPD), Vorsitzender des Sozial- und Gesundheitsausschusses im Kreistag. Aktuell liegt über der Summe ein Sperrvermerk, müssen noch Regularien geklärt werden. Den Reinbeker Politikern Gerd Prüfer und seinem Kollegen Heinrich Dierking vom Forum 21 ist es wichtig, dass die Finanzspritze auch in Reinbek ankommt. Denn hier gibt es die Besonderheit, dass beide Ausgabestellen der Tafel an der Nathan-Söderblom-Kirche und in der Begegnungsstätte in Neuschönnigstedt von der Bergedorfer Tafel mit Lebensmitteln beliefert werden. In der Vergangenheit sind die Hamburger bei den Zuschüssen vom Land Schleswig-Holstein leer ausgegangen. Rund 11.000 Euro würden laut Gerd Prüfer in Reinbek ankommen.

Aufnahmestopp wieder aufgehoben

Die Freude über den unerwarteten Geldregen wäre bei Claus Sander groß. Der Bergedorfer ist stellvertretender Vorsitzender der Bergedorfer Tafel und wüsste sofort, wofür er das Geld ausgeben würde: „Sprit, Energiekosten, Miete. Da findet sich vieles“, sagt Sander. Nur in Lebensmittel selbst dürften sie das Geld nicht stecken. „Das verbietet unser Grundsatz. Wir sind ja die Retter der Nahrungsmittel, die andere wegschmeißen“, sagt Sander. Und erntet damit Zustimmung bei seinem Kollegen Holger Preuß, dem Leiter der Ahrensburger Tafel. Hier werden wöchentlich bis zu 900 Haushalte mit Lebensmitteln versorgt und 22 Touren gefahren. „Die Förderung kommt zur rechten Zeit. Die gestiegenen Sprit- und Energiepreise machen uns zu schaffen“, sagt Preuß.

„Das Geld ist das eine, doch ohne Helfer funktioniert es nicht“, sagt Simone Seffert immer. Die 57 Jahre alte Reinbekerin hat die Tafelausgabe samt dazugehöriger Suppenküche an der Nathan-Söderblom-Kirche mitaufgebaut. Die Tafel heißt hier Kirchentisch und arbeitet selbstständig und erfolgreich. Allein für die Freitagsausgabe, die Seffert leitet, kann sie auf ein Team von 60 Leuten zurückgreifen. Eine, die ganz neu dabei ist, ist Ulrike Dannenberg-Wüstholz (70). „Mir geht es gut. Da kann ich anderen helfen“, sagt die Apothekerin im Ruhestand über ihre Beweggründe.

„Mir geht es gut. Dann kann ich anderen helfen“, sagt Ulrike Dannenberg-Wüstholz. Die ehemalige Apothekerin ist neu beim Reinbeker Kirchentisch samt dazu gehöriger Suppenküche.
„Mir geht es gut. Dann kann ich anderen helfen“, sagt Ulrike Dannenberg-Wüstholz. Die ehemalige Apothekerin ist neu beim Reinbeker Kirchentisch samt dazu gehöriger Suppenküche. © Undine Gerullis | Undine Gerullis

Andere Tafeln im Umkreis stehen nicht so gut da. So musste die Ausgabe in der Begegnungsstätte Neuschönnigstedt mit dem Ansturm der Ukrainer einen Aufnahmestopp wegen Überlastung des meist älteren Personals verhängen. „Den konnten wir in der vergangenen Woche wieder aufheben“, sagt Sander.

In diese Situation ist der selbstständig arbeitende Kirchentisch erst gar nicht gekommen. „Wir haben die Ausgaben geteilt“, sagt Seffert. Montags werden kostenlos Lebensmittel an Ukrainer verteilt, die aus Spenden finanziert sind. Am Freitags erhalten alle anderen die Lebensmittel, die von der Bergedorfer Tafel geliefert werden. Das Prinzip hat sich bewährt, „auch wenn unsere Spendengelder mehr und mehr aufgebraucht sind“, sagt Seffert.

Darum hat der Kirchentisch nun einen Aufruf für Lebensmittel- und Kosmetikspenden gestartet. „Die Resonanz war überwältigend. Wir haben ganz viele Kaffee- und Reis- und Nudeltüten erhalten“, freut sich Seffert. Wer ebenfalls helfen möchte, hat am 14. Dezember noch einmal dazu Gelegenheit und kann haltbare Lebensmittel abgeben. Die werden sofort weiterverteilt.

Feuerwehren stellen für Lebensmittelspenden Kisten vor die Wache

Wem der Weg zur Ausgabe in der Kirche zu weit ist, der kann auch Konservendosen, Haferflocken oder Nudelpakete in eine der beiden Kisten werfen, die ab Montag, 5. Dezember, bis Freitag, 16. Dezember, vor den Feuerwehren in Schönnigstedt und Ohe stehen. Stephanie Steinert (54) wird die Lebensmittel einsammeln und zur Tafel bringen. Es war ihre Idee, die Kisten dort aufzustellen. Die siebenfache Mutter aus Reinbek weiß aus anderen Spendenaktionen, dass die Angebote niedrigschwellig sein müssen, damit sie Erfolg haben, und bietet an, auch Lebensmittel bei Spendern abzuholen (Interessenten melden sich bitte per Mail an: stephanie.steinert@outlook.de.). „Wenn man ein Stück von seinem Glück weitergibt, verdoppelt es sich“, sagt Steinert über ihre Beweggründe für ihr Engagement.

„Wenn man ein Stück von seinem Glück weitergibt, verdoppelt es sich“, sagt Stephanie Steinert. Die 54-Jährige hat jetzt eine Spendenaktion ins Leben gerufen.
„Wenn man ein Stück von seinem Glück weitergibt, verdoppelt es sich“, sagt Stephanie Steinert. Die 54-Jährige hat jetzt eine Spendenaktion ins Leben gerufen. © Privat | Privat

Niedrigschwellig und einfach ist auch die Hilfsaktion, die am Montag, 12. Dezember, bei Edeka Kröger am Ladenzentrum startet: Im Kassenbereich werden bis Sonnabend, 17. Dezember, gepackte Tüten mit Kartoffelpüree, Nudeln und Soße, Erdbeermarmelade, Hühnersuppe und einem Schokoweihnachtsmann stehen. „Die Kunden kaufen die Tüte für 6,95 Euro. Wir geben sie dann an den Kirchentisch weiter“, sagt Marktleiter André Olof. Eine ähnliche Aktion zu Ostern vergangenen Jahres war sehr erfolgreich, der Tisch konnte über 500 Tüten an Bedürftige verteilen.

Spenden- und Hilfsbereitschaft in Reinbek ist groß

Simone Seffert ist froh, in einer Stadt zu leben, in der die Hilfs- und Spendenbereitschaft groß ist. Ein Förderer der Tafel ist auch die Sparkasse Holstein, die aktuell in ihrer Filiale am Ladenzentrum wieder einen Wunschtannenbaum aufgestellt hat. 60 Wunschzettel hängen da dran, geschrieben von registrierten Tafelkunden. Die Wünsche reichen von Waschmittel über Spielzeug bis hin zu Kaffee und sollten einen Wert von 25 Euro nicht überschreiten. Seffert weiß, dass auf die Reinbeker Verlass ist. Im vergangenen Jahr konnte sie an die 70 Päckchen verteilen. 130 Päckchen mit Geschenken haben die Mitarbeiter der Reinbeker Firma Allergopharma bereits gepackt. Sie werden nächste Woche an die Bergedorfer Tafel übergeben und sicher auch in Reinbek verteilt.

Der größte Wunsch von Monika Stephan ist ein „friedliches Weihnachtsfest“, an dem alle zusammenrücken. Die 75-Jährige besucht den Kirchentisch und ist eine von wenigen, die keine Scham haben, das öffentlich zuzugeben. „Ich habe nach der Trennung von meinem Mann das Hungern gelernt. Das Geld für mich und meine beiden Kinder war oft knapp“, erzählt die Wahl-Reinbekerin. Viel verdient hat die gelernte Friseurin im Einzelhandel nicht. Dementsprechend gering ist ihre Rente, und sie muss allein 145 Euro im Monat für Medikamente ausgeben. „Ich bin froh, dass ich durch die Lebensmittel von der Tafel etwas Geld für andere Sachen übrig habe“, sagt Stephan. Zum Beispiel für kleine Weihnachtsgeschenke für ihre beiden Enkel.

„Ich habe das Hungern gelernt“, sagt Tafelbesucherin Monika Stephan (75). Ihr größter Wunsch ist ein friedliches Weihnachtsfest.
„Ich habe das Hungern gelernt“, sagt Tafelbesucherin Monika Stephan (75). Ihr größter Wunsch ist ein friedliches Weihnachtsfest. © Gerullis | Undine Gerullis