Lübeck/Ahrensburg. 39-Jähriger wegen Mordes verurteilt. Er soll die 23-Jährige mit 29 Messerstichen in Ahrensburger Flüchtlingsunterkunft getötet haben.
Im Prozess um den Tod einer 23-Jährigen in einer Flüchtlingsunterkunft in Ahrensburg haben die Richter am Freitag das Urteil verkündet. Die Kammer sprach den 39 Jahre alten Ehemann des Opfers des Mordes schuldig und verurteilte ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass Assem S. (alle Namen geändert) seine Frau aus niedrigen Beweggründen mit 29 Messerstichen getötet hat.
Gericht verurteilt 39-Jährigen zu lebenslanger Haft
Der Prozess gegen den 39-Jährigen, der 2018 gemeinsam mit seiner Frau als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland kam, hatte Mitte Februar vor dem Landgericht Lübeck begonnen. In der Nacht vom 5. auf den 6. September 2021 soll er seine Frau Ahdia in der gemeinsamen Wohnung auf dem Gelände der Containersiedlung am Kornkamp getötet haben, weil er ihren Wunsch, ein Leben nach westlichem Vorbild zu führen, nicht akzeptieren wollte. Am 7. September war S. auf einem Autohof in Bayern bei einer Routinekontrolle an Bord eines Reisebusses mit Fahrtziel Mailand festgenommen worden.
Die Tat hatte er zu Prozessbeginn zwar eingeräumt, aber bestritten, seine Ehefrau aus religiösen Motiven getötet zu haben. Vielmehr habe er im Affekt und aus Wut heraus gehandelt, weil die 23-Jährige ihm kurz zuvor in einem Streit gedroht habe, für seine Abschiebung zu sorgen. Außerdem habe sie dafür sorgen wollen, dass er die gemeinsame, heute zwei Jahre alte Tochter nicht mehr sehen dürfe. Der Verteidiger des 39-Jährigen plädierte deshalb auf Totschlag.
Richter halten Darstellung einer Tat im Affekt für unglaubwürdig
Die Richter halten die Darstellung des Ehemannes für unglaubwürdig. „Am direkten Tötungsvorsatz des Angeklagten kann kein Zweifel bestehen“, sagte der Vorsitzende Richter Christian Singelmann in der Urteilsbegründung. Von einer Handlung im Affekt könne nicht ausgegangen werden, dagegen spreche das Verhalten des 39-Jährigen, der nach der Tat geschickt versucht habe, diese zu verschleiern. „Der klassische Affekttäter ist erschüttert, bleibt sitzen und holt Hilfe“, sagte Singelmann. Stattdessen habe S. der Getöteten noch die Tatwaffe in die Hand gelegt, um den Eindruck eines Suizids zu vermitteln.
Die Behauptung, die 23-Jährige habe S. provoziert, wies der Richter als „abwegig“ zurück. „Es ist nicht anzunehmen, dass sich das Opfer durch derartige Äußerungen selbst in Todesgefahr begeben hätte“, sagte Singelmann mit Blick auf wiederholte Todesdrohungen des 39-Jährigen gegen seine Frau und deren Angehörige im Fall einer Trennung.
Ehe sei von Gewalt, Drohungen und Angst geprägt gewesen
Die Ehe des Paares sei geprägt gewesen von Gewalt, Drohungen und Angst, so der Vorsitzende mit Verweis auf die Aussage zahlreicher Zeugen, darunter andere Bewohner der Unterkunft. „Die Geschädigte liebte ihren viel älteren Mann nicht. Wie mehrere Zeugen glaubwürdig dargelegt haben, handelte es sich mutmaßlich um eine Zwangsheirat.“
Ahdia S. habe zunehmend unter dem dominanten Verhalten ihres Mannes gelitten, der verlangt habe, dass sie „auf ganzer Linie seinem überkommen Weltbild entsprach“. Der psychische Druck habe sich auch in körperlichen Symptomen wie Bluthusten geäußert, wegen der die 23-Jähriger mehrfach im Krankenhaus behandelt worden und schließlich unter falschem Namen in ein Frauenhaus geflohen sei. „Niemand geht freiwillig in ein Frauenhaus“, so Singelmann.
Gericht geht von bis zu 30 Minuten langem Todeskampf aus
Es habe sich um keine gleichberechtigte Partnerschaft gehandelt, vielmehr habe Assem S. sich seine Frau „gehalten“. Die Rückkehr aus dem Frauenhaus sei nicht freiwillig erfolgt, das Versprechen, seiner Frau ein freieres Leben zuzugestehen, sei „nie ernst gemeint“ gewesen. „Die Geschädigte kehrte trotz Todesangst zurück, weil sie ihr Leben gegen das mehrerer bedrohter Verwandter aufwog“, so der Vorsitzende.
Die Tat selbst beschrieb Singelmann als besonders grausam. Mit Verweis auf den Bericht der Rechtsmedizin, demzufolge sich Ahdia S. noch gewehrt haben soll, sei von einem bis zu 30 Minuten langen Todeskampf des Opfers auszugehen. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Assem S. kann binnen einer Woche Revision einlegen. Dann würde in letzter Instanz der Bundesgerichtshof entscheiden.