Lübeck/Ahrensburg. 38-Jähriger soll Ehefrau (23) in Ahrensburger Unterkunft getötet haben. Zeugen bezweifeln Volljährigkeit der jungen Afghanin.
Der Prozess um den Mord an einer 23 Jahre alten Bewohnerin einer Ahrensburger Flüchtlingsunterkunft ist am Freitag vor dem Landgericht Lübeck mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt worden. Dabei ging es vor allem um die Zeit, in der die junge Afghanin in einem Frauenhaus lebte. Dort war die 23-Jährige Mitte Juli 2021 untergekommen, nachdem sie während eines Krankenhausaufenthaltes geäußert hatte, sich massiv von ihrem Ehemann bedroht zu fühlen.
Getötete Afghanin war möglicherweise deutlich jünger als bekannt
Dieser sitzt auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft Assem S. (Name geändert) vor, seine Frau in der Nacht vom 5. auf den 6. September 2021 in der gemeinsamen Wohnung in der Containersiedlung am Kornkamp mit 28 Messerstichen getötet zu haben.
Aufgrund seines streng islamischen Weltbildes habe der 38-Jährige, der mit der Getöteten eine heute zwei Jahre alte Tochter hat, nicht akzeptieren wollen, dass seine Frau sich von ihm trennen wollte, um ein Leben nach westlichem Vorbild zu führen. S. wurde einen Tag später, am 7. September, auf der Autobahn 9 bei Hof (Bayern) festgenommen, als er an Bord eines Reisebusses nach Italien ausreisen wollte. Schon zuvor soll S. die 23-Jährige misshandelt haben.
Gericht will klären, warum die 23-Jährige zu ihrem Ehemann zurückkehrte
Vor ihrem Einzug in das Frauenhaus war die Getötete wiederholt wegen depressiver Symptome in einer Klinik behandelt worden. Das Gericht möchte vor allem klären, warum die 23-Jährige Anfang September 2021, wenige Tage vor ihrem Tod, nach eineinhalb Monaten im Frauenhaus zu ihrem Ehemann zurückgekehrt ist. „Am 30. August kam sie zu mir, nachdem ihr Mann sie offenbar per Telefon kontaktiert hatte“, sagte eine Mitarbeiterin der Einrichtung.
„Er hatte damit gedroht, ihre Familie in Afghanistan töten zu lassen“, so die Sozialpädagogin. Daraufhin habe sie noch versucht, auf die 23-Jährige einzuwirken und ihr einen Umzug in ein Haus in einer anderen Stadt angeboten. „Aber ich bin nicht mehr zu ihr durchgekommen“, sagte die Zeugin. Zwei Tage später habe die Afghanin das Frauenhaus verlassen. Während der Zeit in der Einrichtung habe Assem S. seine Frau mit Anrufen „terrorisiert“, weshalb diese mehrfach ihre Handynummer gewechselt habe.
Angeklagter soll versucht haben, das Opfer im Frauenhaus aufzuspüren
In dem Frauenhaus habe die 23-Jährige einen falschen Namen verwendet, aus Angst, der 38-Jährige könnte sie dort aufspüren. „Sie hat das Haus nur zum Einkaufen verlassen und sich dann mit einer Cap, Kapuze und Schal vermummt“, sagte die Sozialpädagogin. Einmal habe sie auch berichtet, dass ein Bruder ihres Mannes ihr in einem Supermarkt aufgelauert habe.
Dennoch sei die 23-Jährige nach und nach aufgetaut. „Sie hat eine Freundin gefunden und ihren eigenen sportlichen Kleidungsstil entwickelt und zum Schluss auch begonnen, sich zu schminken.“ Der Abschied sei „schrecklich“ gewesen. „Ich habe sie gefragt, ob sie Angst hat und das hat sie bejaht“, so die Zeugin. „Ich habe ihr noch meine Nummer für den Notfall gegeben und ihr geraten, die Polizei zu rufen, wenn etwas ist“, so die Sozialpädagogin.
Mehrere Zeugen schätzen die Getötete deutlich jünger als bekannt
In den Fokus gerät zunehmend die Frage nach dem tatsächlichen Alter der jungen Afghanin. Bereits am ersten Verhandlungstag hatte eine für die Integration von Flüchtlingen zuständige Mitarbeiterin des Ahrensburger Rathauses die Einschätzung geäußert, dass das Opfer deutlich jünger gewesen sein könnte, als auf den offiziellen Papieren angegeben. Ähnlich äußerte sich nun auch die Mitarbeiterin des Frauenhauses. „Sie wirkte sehr jung auf mich, höchstens 18 oder jünger“, sagte sie.
Bereits in der Vergangenheit hatte es den Verdacht gegeben, die junge Afghanin könnte als Minderjährige zwangsverheiratet worden sein. Diese Vermutung äußerte auch eine Mitarbeiterin des städtischen Sozialdienstes vor Gericht, die nach der Rückkehr der 23-Jährigen aus dem Frauenhaus ein Gespräch mit dieser führte. „Eine Kollegin und ich haben noch versucht, sie von der Rückkehr abzuhalten“, sagte sie. Doch die Afghanin habe immer wieder abgewiegelt, mit der Begründung, ihr Mann sei „jetzt gut“. Der Prozess wird am Dienstag, 15. März, fortgesetzt. Das Urteil wollen die Richter Mitte April verkünden.