Lübeck/Ahrensburg. 38-Jähriger soll seine Ehefrau mit 28 Messerstichen getötet haben. Rechtsmediziner und Spurensicherung stellen Gutachten vor.

Es sind Schilderungen, die noch einmal die aufzeigen, das sich in der Nacht vom 5. auf den 6. September 2021 in der Flüchtlingsunterkunft am Kornkamp in Ahrensburg ereignet hat. In jener Nacht soll der 38 Jahre alte Assem S. (Namen gerändert) seine 15 Jahre jüngere Ehefrau Ahdia in der Wohnung des afghanischen Paares in der Containersiedlung mit 28 Messerstichen getötet haben – weil das Leben, das die 23-Jährige führen wollte, nicht seinem streng islamischen Weltbild entsprach.

23-Jährige hat laut Rechtsmediziner noch versucht, sich zu wehren

Seit Mitte Februar sitzt Assem S. deshalb wegen Mordes auf der Anklagebank des Landgerichts Lübeck. Am Freitag haben nun Spurensicherung und Rechtsmedizin ihre Gutachten vorgestellt. „Als wir das Zimmer betraten, lag der Leichnam der Geschädigten in der hinteren Ecke, der Kopf war teilweise mit einem Handtuch bedeckt“, sagte der für die Spurensicherung federführend verantwortliche Kriminalbeamte der Polizeidirektion Lübeck.

Der 58-Jährige war einer der ersten, die die Wohnung am 7. September betreten hatten. Kurz zuvor war Assem S. auf einem Autohof an der Autobahn 9 bei Hof in Bayern von Bundespolizeibeamten kontrolliert worden, als er an Bord eines Reisebusses nach Mailand unterwegs war. Er selbst gab den Hinweis auf seine getötete Frau, behauptete jedoch, es handele sich um einen Selbstmord.

38-Jähriger legte seiner Frau ein Messer in die Hand, um Suizid vorzutäuschen

Um dieser Behauptung Glaubwürdigkeit zu verleihen, hatte S. nachgeholfen. „In der linken Hand des Opfers befand sich ein Fleischmesser“, sagte der Kriminalbeamte. Assem S. hatte zu Prozessbeginn, als er die Tat gestanden hatte, eingeräumt, es dort platziert zu haben. Der 38-Jährige beharrt aber nach wie vor darauf, aus Verzweiflung und spontan gehandelt zu haben, weil seine Frau gedroht habe, für seine Abschiebung nach Afghanistan zu sorgen.

Fotos aus der Wohnung, die der Beamte der Spurensicherung während seiner Ausführungen auf einer Leinwand im Gerichtssaal einblendete, zeugen von einem Blutbad. Wände, Möbel und sogar die Zimmerdecke sind mit Blutspritzern übersät. Der Leichnam der jungen Frau liegt in einer Blutlache, der Teppich darunter ist ebenso blutdurchtränkt wie der weiße Pullover der 23-Jährigen.

Der Angeklagte attackierte das Opfer am gesamten Körper

Mit welcher Brutalität der Angeklagte vorging, lässt sich auch anhand der Schilderungen von Rechtsmediziner Prof Dr. Christoph Meißner erahnen. Der Experte des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein hat die Obduktion des Leichnams von Ahdia S. vorgenommen. „Die Stichverletzungen konzentrieren sich aber auf den Oberkörper“, sagte der Rechtsmediziner. Zehnmal habe der Angeklagte auf den Brustkorb gezielt.

Aber auch Bauch, Rücken, Hüfte, Arme, Beine, Hände und Gesicht wiesen Wunden auf, einige bis zu 16 Zentimeter tief. Während S. auf seine Frau einstach, haber er zahlreiche Organe verletzt, darunter Niere, Leber, Lunge und Zwerchfell. „Ein Stich in den Hals hat die rechte Halsvene und die Luftröhre durchtrennt“, so Meißner. Todesursächlich seien aber ein Durchstich des Herzens und der Körperschlagader gewesen.

Der genaue Todeszeitpunkt ließ sich nicht mehr bestimmen

Alle Verletzungen hätten der mutmaßlichen Tatwaffe, dem Fleischmesser mit 20 Zentimeter langer Klinge, zugeordnet werden können. „Die Schnitte am Arm und an der Handinnenfläche weisen auf Abwehrversuche hin“, so Meißner. Eine Spiralfraktur des rechten Oberarms deute zudem darauf hin, dass die 23-Jährige noch versucht habe, sich dem Griff des Angeklagten zu entwinden. „All das spricht gemeinsam mit der großen Verteilung der Blutspuren im Raum für ein sehr dynamisches Geschehen und dafür, dass das Opfer zum Zeitpunkt des Angriffs noch handlungsfähig war“, sagte der Rechtsmediziner.

Der genaue Todeszeitpunkt habe sich nicht mehr feststellen lassen, da der Leichnam bei Eintreffen der Gutachter am Tatort bereits erkaltet gewesen sei. „Wir können das Eintreten des Todes lediglich auf die Zeit ein bis zwei Tage vor Auffinden des Leichnams datieren“, sagte Meißner. Angesichts des Verletzungsbildes sei aber davon auszugehen, dass der Tod schnell eingetreten sei.

Tatsächliches Alter der jungen Afghanin bleibt ungeklärt

Keine Feststellungen konnte der Rechtsmediziner zum Alter der Getöteten treffen. Mehrere Zeugen hatten vermutet, Ahdia S. könnte deutlich jünger gewesen sein, als in offiziellen Dokumenten vermerkt und als Minderjährige in Afghanistan zwangsverheiratet worden sein.

Untersucht hat der Experte auch Assem S., direkt nach dessen Festnahme am 7. September. „Sein rechter Daumen wies kleine Schnittverletzungen auf“, sagte Meißner. Dieses Verletzungsbild sei typisch, wenn jemand beim Zustechen mit einem Messer auf Widerstand treffe, etwa einen Knochen. „Alles in allem ist der Befund ziemlich eindeutig“, schloss der Rechtsmediziner.

Am 11. April beginnen Staatsanwaltschaft und Nebenklage mit Plädoyers

Mit der Vorstellung der beiden Gutachten ist die Beweisaufnahme in dem Verfahren fast abgeschlossen. Am Montag, 11. April, wird ein Sachverständiger das Ergebnis einer psychiatrischen Untersuchung des Angeklagten präsentieren. Am selben Tag sollen Staatsanwaltschaft und Nebenklage ihre Plädoyers halten, die Verteidigung folgt am Mittwoch, 27. April. Am Freitag, 29. April wollen die Richter das Urteil verkünden. Dem 38-Jährigen droht lebenslange Haft.