In Ahrensburg sollte mehr über das Thema Aufenthaltsqualität diskutiert werden als über Parkplätze, meint Ralph Klingel-Domdey.
Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war. An Ahrensburg hat Carl Valentin sicher nicht gedacht, als ihm dieses Zitat in den Sinn kam. Doch für Stormarns größte Stadt scheint es geradezu wie geschaffen. Dabei gab es durchaus einmal gute Pläne für ein modernes Mittelzentrum. Im Jahr 2008 baten Politik und Verwaltung die Bürger um eine rege Beteiligung als Grundlage für das sogenannte Integrierte Stadtentwicklungskonzept.
Nur ein Nein zum Parkplatz-Bürgerbegehren weist den Weg in die Zukunft
Hunderte Ahrensburgerinnen und Ahrensburger brachten bei Workshops, Planspielen und Stadtrundgängen viele gute Ideen und Wünsche ein. Sie halfen dabei, einen Leitfaden für die Politik zu entwickeln. Auch Fachleute kamen zu Wort. Zwei Expertenteams für Stadtplanung aus Hamburg, eines aus Lübeck sowie ein federführendes Institut zur Prozesssteuerung formulierten „Leitgedanken zum Stadtbild der Zukunft“. 14 Jahre später bleibt festzuhalten: Passiert ist herzlich wenig.
Dabei bekamen die Stadtverordneten zum Ende des Prozesses Richtungsweisendes ins Aufgabenheft geschrieben. „Die Innenstadt als Identifikationszentrum“, heißt es da zum Beispiel. Von der „Schaffung neuer soziokultureller Angebote wie eine Eventhalle und einem Kino“ ist die Rede. Oder von der „Vitalisierung des öffentlichen Raums durch Schaffung attraktiver Plätze und Grünflächen“. Und: „Eine Neugestaltung des Rathausplatzes, die Errichtung eines Stadtparks. Ein möglichst großer Anteil am motorisierten Individualverkehr soll durch ÖPNV, Rad- und Fußverkehr ersetzt werden.“
Zu viel Verkehr im Zentrum schränkt Raum für Fußgänger und Radfahrer ein
Was ist geworden aus all diesen guten Ideen und Wünschen der Ahrensburger? Es gibt ein leicht verbessertes Busnetz, ein paar neue Rad- und Fußwege. Es gibt mehr Grün an der umgestalteten Großen Straße. Raum zum Verweilen, Platz zum Boule spielen. Doch weiterhin fließt dort – wie überall im Zentrum – tagsüber viel zu viel Verkehr.
Der schränkt den Raum für Fußgänger und Radfahrer ein. Zwar wissen längst alle, dass Autolärm und Feinstaub Menschen krank machen. Dass das Leitbild einer autogerechten City aus den 1960er- und 70er-Jahren überholt ist. Und doch kämpfen Gewerbetreibende immer noch um jeden Parkplatz. Neuerdings sogar mittels Bürgerbegehren.
Junge Generation hat andere Sorgen und Wünsche als Parkplätze
Viele Bürgerinnen und Bürger sind irritiert, besonders jüngere. „Parkplätze?“, fragen sie. Haben die sonst keine Sorgen? Klimawandel – da war doch was. Und wie steht’s mit mehr bezahlbarem Wohnraum, mit neuen Orten der Begegnung für Ahrensburgs Jugend? Mit einem neuen Kino, einer Markthalle auf dem Rathausplatz – all das bleiben bis heute gute Wünsche aus Ahrensburgs Zukunftswerkstatt.
Tagsüber dominiert weiter der Autoverkehr das Zentrum, um 18 Uhr werden die Bürgersteige hochgeklappt. Wen wundert’s, dass junge Menschen das Weite suchen. Und die Politik? Die FDP begleitet wohlwollend ein Bürgerbegehren zum Erhalt von Parkplätzen, anstatt bei zukunftsweisenden Ideen zur Belebung der Innenstadt Vollgas zu geben.
Parkplätze als Attribut für eine attraktive Innenstadt weit abgeschlagen
Die Partei ignoriert offenbar, dass die Beratungsgesellschaft Cima in einer Erhebung zu dem Ergebnis kam, dass Parkplätze als Attribut für eine attraktive Innenstadt weit hinter Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie, Grünflächen, Sauberkeit und Aufenthaltsqualität rangieren – weit abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze. Die Grünen hingegen, die Fraktion Die Linke und die WAB zeigen klare Kante gegen dieses unsinnige Bürgerbegehren, das die Stadt in eine Sackgasse führen könnte.
Tatsache ist, das haben Gutachten im Auftrag der Verwaltung und ein umfangreicher Abendblatt-Test zweifelsfrei ergeben, dass viele der mehr als 1800 öffentlichen Stellplätze im Zentrum selten voll ausgelastet sind. Was fehlt, ist eine vernünftige Verkehrsführung und der Mut der Politik zu autofreien Zonen.
Kluge und zukunftsweisende Entscheidungen nicht blockieren
Wer also mit folgender Frage konfrontiert wird: „Sind Sie dafür, dass in der Ahrensburger Innenstadt öffentliche Kfz-Stellplätze – in mindestens gleicher Zahl – hergestellt werden müssen, bevor die Anzahl der vorhandenen öffentlichen Kfz-Stellplätze reduziert werden darf?“, der sollte „Nein“ ankreuzen. Jede andere Entscheidung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass alle klugen und zukunftsweisenden Entscheidungen der Politik blockiert werden. Dass die Straßen im Zentrum Ahrensburgs und der Rathausplatz auch künftig vor allem eines bleiben: ein riesiger innerstädtischer Parkplatz.