Ahrensburg. Kristina Schulz hat Betrieb wegen Pandemie-Verordnung geschlossen. Um Geld zu erhalten, muss sie Steuerberater oder Anwalt einschalten.

Dieses Gefühl der Machtlosigkeit – das sei momentan das Schlimmste, sagt Kristina Schulz. Seit drei Jahren betreibt sie das Café GOLD auf dem Gutshofgelände gegenüber dem Ahrensburger Schloss. Die Corona-Krise und insbesondere der zweite Lockdown bringen die Geschäftsfrau an ihre psychischen und finanziellen Grenzen. Seit Anfang November muss sie ihr Café wegen der aktuellen Pandemie-Verordnung wieder geschlossen halten.

„Ich bin gar nicht in der Lage, die Hilfe selbst zu beantragen“

Die Bundesregierung hat für Betroffene die sogenannte Novemberhilfe beschlossen. Das Versprechen: Ihnen sollen Zuschüsse in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019 gezahlt werden. Kristina Schulz wollte die finanzielle Unterstützung umgehend im Internet beantragen. „Ich brauche die Hilfe, auch wenn ich das sehr lästig und unangenehm finde“, sagt sie. „Viel lieber würde ich für mich selbst sorgen und mein Café wieder öffnen dürfen.“

In der aktuellen Situation blieben der Familie mit drei Kindern nur die Rücklagen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Ohne Einnahmen aus dem Café werde das Ersparte sehr schnell weniger.

Doch beim Versuch, die Novemberhilfe zu beantragen, stieß die Ahrensburgerin auf eine Hürde. „Ich bin gar nicht in der Lage, die Hilfe selbst zu beantragen“, sagt Schulz. „Wer Geld möchte, muss einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer oder Rechtsanwalt einschalten.“ Im Frühjahr, beim ersten Lockdown, habe alles wesentlich einfacher und unbürokratischer funktioniert. Damals wurden ihr Fixkosten wie die Miete erstattet. „Ich habe einen Antrag ausgefüllt, das hat nur wenige Minuten gedauert“, sagt sie. „Ein paar Tage später hatte ich das Geld auf dem Konto.“ Sie habe sich dadurch gut aufgehoben gefühlt, ganz anders als jetzt.

Steuerberaterin verlangte für die Leistung 1000 Euro

Das neue umständlichere Verfahren habe sie verärgert, dennoch habe sie ihre Steuerberaterin kontaktiert. „Sie hat für die Leistung 1000 Euro verlangt, nach Protest die Summe schließlich halbiert“, sagt Schulz. Die Geschäftsfrau erwartet aus der Novemberhilfe eigenen Angaben zufolge einen vierstelligen Geldbetrag. Davon nun auch noch so viel abgeben zu müssen, dafür habe sie kein Verständnis.

Für die Novemberhilfe stehen bislang nicht alle Details fest, das Antragsverfahren wurde noch nicht freigeschaltet. Aktuell liefen Gespräche mit den Ländern, sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage dieser Redaktion. Es gibt Streit, weil indirekt betroffene Branchen wie das Taxigewerbe und die Reisewirtschaft von dem Programm ausgeschlossen werden.

Schulz wünscht sich individuellere Lösungen

Bereits möglich sind Anträge für die sogenannte Überbrückungshilfe II, bei der den Unternehmen – je nach Umsatzeinbrüchen – ein bestimmter Anteil der Fixkosten erstattet wird. Auch hier muss nun ein „unabhängiger Dritter“ eingeschaltet werden. „Die mit der Antragstellung beauftragten Personen prüfen die geltend gemachten Umsatzeinbrüche und die fixen Kosten. Das sichert die Qualität der Anträge“, sagt die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Durch den Experten sollen eine „möglichst schnelle Antragsbewilligung ermöglicht und Missbrauchsfälle ausgeschlossen werden“, heißt es auf der Plattform für das Programm. Die entstehenden Kosten könnten anteilig geltend gemacht werden, so die Sprecherin. Möglicherweise wird das bei der Novemberhilfe ähnlich gehandhabt. Wie viel Prozent der Kosten übernommen werden, steht aber noch nicht fest. Unklar ist auch, wann das Geld ausgezahlt wird. Laut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) soll das so schnell wie möglich erfolgen, „möglichst bis Ende November 2020“.

Von einer schnellen und unbürokratischen Hilfe könne nicht die Rede sein, sagt Kristina Schulz. Statt finanzieller Unterstützung wünsche sie sich von der Politik lieber individuellere Lösungen bei den Schließverordnungen. Als sie nach dem Frühjahrs-Lockdown wieder öffnen durfte, hat die Geschäftsfrau einiges umgestaltet, um die Hygiene- und Abstandsregeln in ihrem Café einhalten zu können. Die Zahl der Innenplätze sei von rund 30 auf 15 halbiert worden. Als Ersatz habe sie im Außenbereich Sitzmöglichkeiten geschaffen. Für die kältere Jahreszeit habe sie gerade dicke Decken und Kirschkernkissen bestellt, um den Kunden weiterhin einen Café-Besuch im Freien zu ermöglichen. „Die Gäste haben sich vorbildlich an die Regeln gehalten“, sagt sie. Umso schockierter sei sie gewesen, als sie Anfang November wieder schließen musste. „Ich bin doch kein Hamburger Nachtclub“, sagt sie. „Bei mir sitzen die Menschen an ihren Tischen, die Fenster und Türen sind immer zum Lüften geöffnet.“

Geschäftsfrau wollte 2020 eigentlich expandieren

Seit der Eröffnung vor drei Jahren habe sie viel Arbeit ins Café gesteckt, oft 80 Stunden pro Woche gearbeitet. Das Engagement sei belohnt worden, der Betrieb habe sich gut entwickelt. Dieses Jahr wollte die Ahrensburgerin eigentlich expandieren, zwei feste Mitarbeiter einstellen, die Öffnungszeiten ausweiten und eventuell einen zweiten Laden eröffnen. „Doch nun wache ich morgens mit Angst auf“, sagt sie. Die Pandemie schwebe wie ein Damoklesschwert über ihr. „Selbst wenn wir wieder öffnen dürfen, wird die Sorge bleiben, dass es bald neue Einschränkungen gibt“, sagt sie. „Niemand glaubt doch, dass nach dem jetzigen Lockdown alles vorbei ist.“

Ängste, dass ihr Café die Pandemie nicht übersteht, habe sie aber nicht. „Natürlich wird alles gut“, sagt Schulz, ihre Stimme klingt bestimmt. „Jetzt Angst zu haben, wäre der falsche Weg.“ Ängste dürften bei Selbstständigen keine Rolle spielen. Deshalb habe sie in den vergangenen Tagen Weihnachtsdeko bestellt. Artikel, die sie normalerweise im Café verkauft. Das Verkaufsgeschäft dürfe sie zwar auch im November öffnen, ohne den Café-Betrieb funktioniere das Konzept aber nicht, so abseits der Innenstadt und ohne Schaufenster.

Es nerve, den Erfolg nicht mehr selbst in der Hand zu haben

Deshalb beschränkt sie sich zurzeit auf den Außer-Haus-Verkauf an den Wochenenden und Catering-Aufträge – um zumindest die Fixkosten abzudecken. „Hauptsächlich geht es mir darum, den Kontakt zu den Kunden aufrechtzuerhalten“, sagt Schulz. Es nerve sie, den Erfolg nicht mehr selbst in der Hand zu haben. „Früher lag es an mir“, sagt sie. „Wenn ich viel arbeitete, verdiente ich viel Geld. Wenn etwas nicht lief, konnte ich es ändern.“ Sie hoffe, bald dorthin zurückkehren zu können und nicht mehr auf Hilfen angewiesen zu sein.