Landkreis Stade. Landkreis geht in die Offensive: Bald soll es an den Elbe Kliniken ein Medizinstudium geben. Wer davon profitieren könnte.

Trotz des drohenden Ärztemangels in Niedersachsen ist weiterhin kaum ein anderes Studienfach so hart umkämpft wie Medizin. Die Plätze sind begrenzt, selbst mit einem Abiturschnitt von 1,0 ist der Studienplatz nicht sicher, viele junge Menschen mit dem Traumjob Mediziner gehen deshalb jedes Jahr leer aus. Der Landkreis Stade will nun dagegen steuern und ein Medizinstudium an den Elbe Kliniken ermöglichen. Das Projekt ist einzigartig in der Region.

Laut der Niedersächsischen Ärztekammer droht in Niedersachsen ein eklatanter Mangel an Ärzten und Ärztinnen. Rund 1000 Ärzte gehen demnach pro Jahr in den Ruhestand. Es kommen aber nur 500 Absolventinnen und Absolventen pro Jahr von den drei medizinischen Fakultäten in Hannover, Göttingen und Oldenburg nach.

Ärztemangel: Bereits jetzt nehmen viele Praxen keine neue Patienten mehr auf

Krankenhäuser ohne eigenen Zugang zur ärztlichen Ausbildung können nur mit Leiharbeitskräften oder Bewerbern aus dem außereuropäischen Ausland ihren Bedarf an ärztlicher Arbeitskraft decken. Doch der Mangel ist nicht nur auf die Krankenhäuser beschränkt, sondern betrifft längst auch den Bereich der ambulanten Versorgung – schwerpunktmäßig im ländlichen Raum, aber mehr und mehr auch in den Städten. Bereits jetzt nehmen viele Praxen keine neue Patienten mehr auf, weil die ansässigen Ärzte komplett ausgelastet sind.

Auch der Landkreis Stade kennt dieses Problem und will nun mit einem innovativen Konzept in die Offensive gehen. An den Elbe Kliniken soll es in Kooperation mit der Stradins Universität Riga (RSU) bald die Möglichkeit für ein Medizinstudium geben – in der Hoffnung, dass einige der Absolventen anschließend in der Region gehalten werden können. Unter dem Namen „Gesundheitscampus Stade“ sollen laut Konzept dafür Millionen-Investitionen getätigt werden. Auch das Krankenhaus in Buxtehude könnte von dieser Kooperation profitieren.

Am 8. Dezember berät der Kreistag über das ambitionierte Vorhaben

Der Kreisausschuss hat diesem Plan bei seiner Sitzung am vergangenen Dienstag bereits einstimmig zugestimmt. Am 8. Dezember berät der Kreistag über das ambitionierte Vorhaben des Landkreises und der Elbe Kliniken zur Gewinnung von ärztlichem Nachwuchs. „Wir müssen selbst etwas tun“, sagte Stades Landrat Kai Seefried. „Ab 2026 können wir hoffentlich Früchte aus diesem Projekt ernten.“ Ziel sei die mittelfristige Besserung des ärztlichen Nachwuchsmangels in der Region, der sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich bereits alltagsrelevante Störungen hervorrufe.

Da die Gründung einer neuen niedersächsischen Fakultät für Medizin unter anderem aufgrund der enormen finanzielle Kosten für den Landkreis Stade ausgeschlossen ist, streben die Elbe Kliniken die Ansiedlung einer bereits akkreditierten EU-Universität auf niedersächsischem Territorium an. Kandidaten für eine solche Partnerschaft außerhalb Deutschlands seien vor allem die baltischen Staaten, die bekannt für ihre gute Ausbildungsqualität seien, so Seefried.

Ziel sei der Aufbau eines klinischen Campus der lettischen Universität in Stade

Deutschlandweit gibt es bereits derartige Modellprojekte, in Niedersachsen allerdings nicht. „Die Elbe Kliniken haben in den letzten zwei Jahren hervorragende Kontakte zur Stradins Universität Riga aufbauen können“, so Seefried. Ziel sei der Aufbau eines klinischen Campus der lettischen Universität in Stade. „Die Voraussetzungen für ein solches Vorhaben sind auf Seite der Elbe Kliniken mit einer guten Ausdifferenzierung des medizinischen Angebots gegeben, ausreichende Räumlichkeiten sind für den Beginn vorhanden, müssen aber ausgebaut werden“, so Seefried.

Geschäftsführer Siegfried Ristau und Professor Dr. Holger Schmidt von den Elbe Kliniken stellen der Kreispolitik das Konzept vor.
Geschäftsführer Siegfried Ristau und Professor Dr. Holger Schmidt von den Elbe Kliniken stellen der Kreispolitik das Konzept vor. © HA | Landkreis Stade / Daniel Beneke

Nach den aktuellen Planungen soll „mit verantwortbarem personellen und finanziellen Aufwand“ das vierte und fünfte Studienjahr (7. bis 10. Semester) vor Ort angeboten werden. „Für eine solche Kooperation bieten sich die klinischen Studienjahre an“, weiß Seefried. Das letzte, also sechste, „Praktische Jahr“ wird an den Elbe Kliniken ohnehin auch Studierenden anderer Universitäten angeboten.

Beginnend mit dem Wintersemester 2023/24 mit 24 Studierenden, sollen in den Elbe Kliniken ab dem Jahr 2025 in vier Semestern 96 Studierende unterrichtet werden. „Um den Bedarf der Elbe Kliniken und der Region an ärztlichem Nachwuchs möglichst autark decken zu können, soll langfristig in einer weiteren Stufe die Anzahl der Studenten in Stade auf 192 verdoppelt werden“, so Seefried.

Ärztemangel: Landkreis muss für Medizinstudium neue Räumlichkeiten schaffen

Die Studierenden der RSU sind zumeist Deutsche, die in Deutschland wegen ihres Abiturschnitts keinen Studienplatz erhalten haben. Sie müssen für ihren Wunsch vom Medizinstudium tief in die Tasche greifen: Die Studiengebühr für ein Humanmedizinstudium an der RSU beläuft sich auf etwa 1000 Euro pro Monat. Allerdings: Ein Medizinstudium an der Medical School Hamburg in der Hafencity, wo ebenfalls ohne Beschränkung durch den Numerus Clausus studiert werden kann, kostet sogar noch mehr – im ersten und zweiten Studienabschnitt 1.500 Euro pro Monat.

Auch der Landkreis muss für den neuen Studiengang viel Geld aufbringen, denn für die akademische Ärzte-Ausbildung müssen neue Räumlichkeiten geschaffen werden, die nach ersten Schätzungen rund acht Millionen Euro kosten dürften. Zudem haben die Elbe Kliniken für ein Wohnheim mit 100 Plätzen Kosten von etwa 16,5 Millionen Euro ermittelt. „In diesem Bereich ist auch eine Realisierung über einen Investor denkbar“, so Seefried.