Sylt. Kreis Nordfriesland weitet Kontrollen massiv aus. Auch Immobilie aus Familie eines Bürgermeisters im Visier – droht sogar der Abriss?
- Auf Sylt und anderen Nordseeinseln stehen Tausende Ferienwohnungen auf dem Prüfstand
- Es geht um mögliche illegale Nutzungen von „Sylt-Garagen“ und anderen Objekten
- Kontrolliert wird auch die Immobilie eines Mitglieds der Familie eines Sylter Bürgermeisters
- Was den Ferienwohnungen droht und welche Folgen die Kontrollen für Urlauber haben können
Es gibt sogar einen festen Begriff für die fantasievolle Wohnraumbeschaffung: die „Sylt-Garage“. Man baut die Garage aus und zieht dort selbst ein oder vermietet die so entstandene Ferienwohnung an Gäste. Manchmal werde sogar im Anschluss ein Garagentor auf die Gebäudewand gemalt, sagt ein Sylter Bürger dem Abendblatt – um vorzutäuschen, dass es sich immer noch um eine normale Garage handelt.
Das Problem der illegalen Ferienwohnungen in beliebten touristischen Orten an der Nordsee – etwa auf Sylt, Föhr, Amrum oder in St. Peter-Ording – ist bekannt. Seit der Kreis Nordfriesland gegen diese Praxis vehementer als früher vorgeht, herrscht unter den Betroffenen große Aufregung. Nun hat die Überprüfung auch die Familie eines Sylter Politikers getroffen.
Sylt: 50 illegale Ferienwohnungen entdeckt
Die Bauaufsicht des Kreises hat einem Familienmitglied des ehrenamtlichen Bürgermeisters von Wenningstedt-Braderup eine Nutzungsuntersagungsverfügung zugestellt. Dieses soll eine Immobilie unzulässigerweise als Ferienwohnung vermietet haben, so Hans-Martin Slopianka, Sprecher des Kreises Nordfriesland.
Der Kreis Nordfriesland habe bisher bereits 50 Nutzungsuntersagungen auf Sylt ausgesprochen. „Wir arbeiten derzeit die Bebauungspläne an den vier touristischen Hotspots ab“, sagt der Kreissprecher.
„Die zuständigen Sachbearbeiter nehmen sich ein B-Plan-Gebiet vor“, erklärt er das Vorgehen. „Sie führen Ortsbesichtigungen durch. Meistens kann man schon von außen erkennen, ob eine Ferienwohnung vorhanden ist, weil beispielsweise auf dem Rasen davor Schilder darauf hinweisen. Zusätzlich weisen die üblichen Buchungsportale auf Ferienwohnungen hin. Auch gehen vermehrt Anzeigen von Nachbarn ein.“ Werde eine Ferienwohnung festgestellt, erfolge der Abgleich mit der Baugenehmigung. Liege keine Baugenehmigung für eine Ferienwohnung vor, dann schreite die Bauaufsicht ein, so Slopianka.
Ferienwohnung Sylt: Ab wann eine Nutzungsuntersagung erfolgt
Der jeweilige Eigentümer könne sich in einer Anhörung äußern. „Wenn sich herausstellt, dass die Ferienwohnung im Keller oder im Dachgeschoss ist und es keinen zweiten Rettungsweg gibt, gilt die Nutzungsuntersagung sofort“, so Slopianka.
Eine nachträgliche Legalisierung sei in bestimmten Fällen durchaus möglich. „Man kann eine nachträgliche Nutzungsänderungsgenehmigung beantragen“, sagt der Kreissprecher, das sei allerdings nur möglich, wenn der B-Plan es zulasse oder wenn die Gemeinde den B-Plan in nächster Zeit ändert und damit eine Rechtsgrundlage schafft für eine dadurch mögliche Legalisierung.
Nach Schätzungen etwa 11.000 Ferienwohnungen auf Sylt
Die bisher 50 Nutzungsuntersagungen auf Sylt nehmen sich – bei geschätzten 11.000 Ferienwohnungen auf der Insel – noch recht wenig aus: „Wir gehen also eher moderat gegen nicht genehmigte Nutzungen vor. Am Ende des auf zehn Jahre angelegten Programms sollten aber weitgehend rechtlich einwandfreie Zustände in den Tourismusorten vorherrschen, die den planerischen Vorstellungen der jeweiligen Gemeinde entsprechen. Im besten Fall bedeutet dies einen gesunden Mix aus Ferien-, Zweit- und Dauerwohnungen“, sagt Slopianka.
Sylt: Bürgermeister fordert gemeinsame Strategie von Kommunen, Kreis und Land
Auch Kai Müller, ehrenamtlicher Bürgermeister von Wenningstedt-Braderup, wünscht sich für seine Kommune und für die gesamte Insel eine gemeinsame Strategie und abgestimmtes Handeln mit dem Kreis und dem Land.
„Die Ziele des derzeitigen Prozesses sind nicht nur das Dauerwohnen, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität der Insel und der Region, Rechts- und Planungssicherheit sowie Nachhaltigkeit im Sinne langfristiger Lösungen, aber auch im Sinne des Bestandsschutzes und der Reduktion des Ressourcenverbrauches und des Klimaschutzes“, sagt er. Über den Fall in seiner Familie möchte Kai Müller nicht reden.
Es gehe darum, für die komplexen Herausforderungen auf der Insel gute Lösungen zu finden, mit so wenig Kollateralschäden wie möglich, sagt Müller. Wie wichtig der Tourismus für die Gemeinde ist, zeigt beispielsweise folgende Zahl: 46 Prozent der Adressen in Wenningstedt beziehen Kurkarten, vermieten also an Feriengäste.
Ferienwohnungen an der Nordsee: Was Kontrollen für Urlauber bedeuten
Kreissprecher Slopianka sagt, kein Urlauber muss Angst haben, künftig keine Unterkunft mehr zu finden: „Soweit es nur einen Verstoß gegen die Nutzungsgenehmigung gibt, also wenn genehmigter Dauerwohnraum als ungenehmigte Ferienwohnung genutzt wird, bieten wir den Eigentümern eine sechsmonatige Duldung zum Ende des Quartals an, um alle bereits getätigten Buchungen für diesen Zeitraum noch abzuarbeiten. Erst danach müssen sie die unzulässige Nutzung einstellen.“
Voraussetzung sei aber, dass kein Widerspruch gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung eingelegt werde. „Dadurch sollte die Drittbetroffenheit, also die Auswirkungen auf Feriengäste, sehr gering ausfallen. Zudem geht es ja nicht um alle Ferienwohnungen, sondern nur um die nicht genehmigten. Und auch da arbeiten einige Gemeinden bereits daran, die Grundlagen für eine Legalisierung zu schaffen“, sagt der Kreissprecher.
Sylt: Manche Ferienwohnungen müssen sogar abgerissen werden
Illegal genutzten Immobilien droht aber sogar ein Abriss. „Ganz generell ergeben sich aus der gängigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mehrere Gründe, aus denen ein rechtskräftig genehmigtes Gebäude seinen Bestandsschutz verliert, was am Ende zum Abriss führen kann.“ Dies ist laut Slopianka der Fall, wenn
- die genehmigte Nutzung eines Gebäudes für längere Zeit nicht ausgeübt wird. Hierbei führt die Nichtnutzung jedenfalls dann zum Erlöschen eines Bestandsschutzes, wenn das Gebäude selbst in einer Weise dem Verfall preisgegeben wird, der auch nach außen hin verdeutlicht, dass eine (jederzeitige) Wiederaufnahme der nur unterbrochenen Nutzung vom Berechtigten offensichtlich nicht mehr gewollt ist.
- der mit einer Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes notwendig macht.
- ein Gebäude nicht mehr funktionsgerecht nutzbar ist.
- die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder übersteigen.
- anstelle der genehmigten Nutzung eine andersartige Nutzung aufgenommen wird und dies nicht nur eine Nutzungsunterbrechung ist. Soll diese andersartige Nutzung beendet werden, wäre das Gebäude rechtlich als Neubau einzustufen und ein erneuter Bauantrag zu stellen. Eine Genehmigung kann jedoch nur dann erteilt werden, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung keine bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen sowie örtlichen Bauvorschriften dem entgegenstehen. Sollte also zwischen der Errichtung des Gebäudes und dem neuen Bauantrag der B-Plan so verändert worden sein, dass der Bau den neuen Festlegungen nicht entspricht, dürfte er nicht genehmigt werden.
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Im Fall der Ferienwohnung der Familie des Wenningstedter Bürgermeisters steht ebenfalls ein Abriss im Raum. „Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, und es steht keineswegs fest, dass es so kommen wird. Mehr kann ich Ihnen aus Datenschutzgründen zurzeit nicht sagen“, so Slopianka.