Westerland. Protestcamp darf nicht in Westerland stattfinden. Welche 16 umfangreichen Auflagen die Organisatoren diesmal erfüllen müssen.
In den kommenden Tagen könnten die Züge nach Sylt noch deutlich voller werden als in den Sommerferien üblich, denn die Punks haben sich in diesem Jahr erneut angekündigt.
Am Freitag genehmigte der Kreis Nordfriesland ein von der Gruppe „Aktion Sylt“ angemeldetes Protestcamp vom 24. Juli bis zum 20. August. Das erinnert an vergangenes Jahr: Damals waren nach der Einführung des 9-Euro-Tickets im Sommerr viele Punks auf die Insel gereist, hatten mitten in Westerland monatelang gefeiert, demonstriert und provoziert.
Sylt: Punk.Camp auf der Nordsee-Insel genehmigt
In dem neuen Aufruf der Initiative für das Camp heißt es: „Wir richten unser Augenmerk auf die Spaltung der Gesellschaft. Insulaner werden durch Gentrifizierung vertrieben, die Reichen schotten sich ab. Die wahren Sylter leben teils am Festland, pendeln auf ,ihre‘ Insel, eine Wohnung dort können sie sich nicht mehr leisten. Gleichzeitig werden denkmalgeschützte Bauten dem Verfall überlassen, um Platz für neue Luxusapartments zu schaffen.“
Der Aufruf lautet weiter: „Hast du Lust auf coole Leute, Nordsee und Aktivismus? Dann komm vorbei und teile die Botschaft. Wohnraum denen, die ihn brauchen, und Sylt dem Pöbel! Die Insel freut sich auf dich.“
Kreis einigt sich mit Anmeldern – die Liste der Auflagen umfasst 16 Punkte
Nach mehreren Kooperationsgesprächen hat sich der Kreis wenige Tage vor dem geplanten Start schließlich doch noch mit der Initiative geeinigt. „Die Anmeldenden des Sylter Protestcamps haben der Versammlungsbehörde des Kreises Nordfriesland heute glaubhaft dargelegt, dass sie mit den entsprechenden Unternehmen die Vereinbarungen dafür abgeschlossen haben, dass am Montag drei Toiletten und ein Müllcontainer auf der Rasenfläche nördlich der Tinnumer Festwiese aufgestellt werden“, sagte Kreissprecher Hans-Martin Slopianka.
Deshalb habe ihnen der Kreis am Freitag um 15 Uhr einen Auflagenbescheid zugestellt. „Damit sind die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass das Camp am Montag eröffnet werden kann, sobald die erforderliche Infrastruktur, also Toiletten und Abfallcontainer, vor Ort bereitsteht. Die Anmeldenden gehen von 20 bis 50 Teilnehmenden aus, es können aber auch mehr oder weniger werden“, so der Sprecher.
Pro 15 Teilnehmern müssen die Camp-Veranstalter eine Toilette aufstellen lassen
Diese Unsicherheit sei im Auflagenbescheid berücksichtigt: So müsse pro 15 Teilnehmern eine Toilette bereitgestellt werden. Bei 50 Personen reichten drei, doch zum Beispiel bei 100 müsse unverzüglich auf sieben Stück aufgestockt werden.
Die von den Anmeldern ins Auge gefasste Fläche bei der Tinnumer Festwiese sei öffentliches Gelände. „Die betreffende Gemeinde besitzt aufgrund des hoch angesiedelten Versammlungsrechts keine Einspruchsmöglichkeiten“, sagte Hans-Martin Slopianka.
Das ist die Auflagenliste für das Protestcamp auf Sylt:
- Die Veranstaltung ist auf maximal 300 zeltende Personen begrenzt.
- Das Zeltlager darf nicht die vorgesehene Grünfläche überschreiten.
- Für den Zeitraum von Montag 0 Uhr bis Freitag 12 Uhr ist für bis zu 50 Teilnehmer ein Ordner, durch weiße Armbinde kenntlich, einzusetzen. Für den Zeitraum von Freitag 12 Uhr bis Sonntag 24 Uhr ist für bis zu 20 Teilnehmer ein Ordner, durch weiße Armbinde kenntlich, einzusetzen. Anstelle der weißen Armbinde können auch gelbe Warnwesten verwendet werden.
- Sie haben die eventuelle Versorgung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Erste-Hilfe-Leistung bei Verletzten sicherzustellen.
- Eventuellen Anweisungen der Polizei beziehungsweise der Versammlungsbehörde vor Ort oder des Ordnungsamtes der Gemeinde Sylt ist Folge zu leisten.
- Schilder, Handzettel, Fahnen, Plakate und Transparente, deren Inhalt gegen die Strafbestimmungen oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen, dürfen nicht mitgeführt werden.
- Die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften sind einzuhalten. Die Sicht der Verkehrsteilnehmer darf durch die Hilfsmittel (Zelte, Fahnen, Transparente usw.) nicht wesentlich behindert werden, um eine Gefährdung der Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer auszuschließen.
- Der vorhandene Fußgänger- und Fahrradverkehr darf nicht behindert werden. Insbesondere ist der Weg entlang der Grünfläche, welche als Versammlungsfläche genutzt wird, freizuhalten.
- Als Versammlungsgelände dient die Grünfläche nördlich der „Festwiese“ (54°54’25.9“N 8°19’24.5“E). Eine darüber hinausgehende Ausdehnung ist nicht gestattet.
- Weitere Kundgebungen sind ordnungsgemäß anzuzeigen und zeitlich mit der Gemeinde Sylt und dem Polizeirevier Sylt abzusprechen.
- Die ordnungsgemäße Müllentsorgung muss durch eine vertragliche Vereinbarung mit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, vorliegend Remondis, in dem benötigtem Umfang sichergestellt werden.
- Sanitäre Anlagen sind vorzuhalten. Je 15 Personen ist eine Chemietoilette bereitzustellen. Für eine tagesaktuelle Aufstockung der benötigten Toiletten ist zu sorgen.
- Die eigenständige Versorgung der Versammlungsteilnehmer mit Lebensmitteln, Strom und Wasser wird durch den Veranstalter selbst gewährleistet. Eine Feldküche ist nicht vorgesehen. Eine Versorgung mit Strom und Wasser kann nur ordnungsgemäß durch eigenständige Verträge mit den örtlichen Versorgungsbetrieben gewährleistet werden.
- Die Ruhezeiten nach der geltenden Emissionsschutzverordnung der Gemeinde Sylt sind einzuhalten. Dies gilt auch bei Einzelaktionen wie Kundgebungen, Musikveranstaltungen und Redebeiträgen – solche Einzelaktionen sind daher zeitlich mit der Gemeinde Sylt abzusprechen. Die Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr und die Nachtruhe ab 22 Uhr sind einzuhalten. Von der Versammlung dürfen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Dies betrifft unter anderem Störungen von Aktivitäten der unmittelbaren Nachbarschaft.
- Offenes Feuer, Grillen und das Abbrennen von Pyrotechnik sind auf dem Versammlungsgelände untersagt.
- Zelte sind gemäß der geltenden Windlastzone zu sichern.
Pogo-Partei stellt Packlisten für Sylt-Camp ins Netz
Bereits vor ein paar Wochen hatte die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD) zur Aktion „Zurück nach Westerland!“ aufgerufen. „Dieses Jahr, 24.07.23 bis 13.08.23 und länger, kommt der Pöbel wieder zurück nach Sylt, zur Insel der Reichen und Schönen. Letztes Jahr war erst der Anfang. Jetzt erst recht“, hieß es in dem Aufruf auf Instagram.
Vor ein paar Tagen veröffentlichte die APPD Berlin nun eine Packliste, auf der neben Isomatte und Schlafsack, Zelten und Planen auch Mückenspray, Sonnencreme, Musikboxen, Powerbanks, Instrumente und „’ne Menge gute Laune“ aufgeführt sind.
Gemeinde Sylt blieb im vergangenen Jahr auf hohen Kosten sitzen
Auf der Insel Sylt dürfte man den eher lauten Gästen skeptisch entgegensehen. Im vergangenen Jahr hatten viele Punks, aber auch Obdachlose ihr Lager am Wilhelminen-Brunnen in der Westerländer Fußgängerzone aufgeschlagen, später dann ein Protestcamp im Rathauspark errichtet. Am Ende des Sommers lehnte der Kreis eine Verlängerung des Camps ab, es wurde schließlich geräumt.
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Die Verwaltung der Gemeinde Sylt blieb auf hohen Kosten sitzen. Die Kommune musste 270.000 Euro für Sicherheitsdienste, Dixi-Toiletten, Bauzäune und Barrikaden bezahlen, die während des Protestcamps notwendig geworden waren.
Bürgermeister Nikolas Häckel nimmt wegen eine Burn-outs eine längere Auszeit
Nikolas Häckel, Bürgermeister der Gemeinde Sylt, hat sich Ende Juni wegen eines Burn-outs in eine längere Auszeit verabschiedet. Ein Sprecher der Kommune sagte nun auf Abendblatt-Anfrage: „Wir wollen angemessene und gute Lösungen für jede Herausforderung finden – im Sinne aller unserer Gäste, die einen schönen Urlaub verbringen wollen, genauso wie für unsere Gemeindemitglieder, die ihrem Alltag nachgehen.“ Das sei ihre selbst ernannte Pflicht.
„Wir sind auch bereit, situationsabhängig mit Augenmaß zu handeln. Wo es möglich ist, tun wir das im Dialog, damit haben wir im vergangenen Jahr gute Erfahrungen gemacht“, so der Sprecher.
Sylt: Gemeinde will auf strikte Einhaltung der Auflagen achten
Es sei inzwischen Standard geworden, dass der Außendienst des Ordnungsamtes – wie in den Vorjahren auch – in den Sommermonaten durch ein externes Sicherheitsunternehmen unterstützt werde.
„Darüber hinaus sind wir natürlich in Kontakt mit allen relevanten Stellen, zum Beispiel auch mit dem Kreis Nordfriesland. Beteiligte aller Seiten haben aufgrund der Situation im Vorjahr mehr Erfahrung damit, Themen mit einer gewissen Gelassenheit sachlich zu erörtern“, sagt der Sprecher.
Carsten Kerkamm, Häckels Vertreter während dessen Krankschreibung, hat in einem Medienbericht deutlich gemacht, dass er auf die strikte Einhaltung der Auflagen bestehen wird. Bei Zuwiderhandlungen werde er das Camp auflösen lassen.