Hörnum. Die Leckerei aus dem Wattenmeer gibt es auf Sylt nur in einem einzigen Bistro. Inhaber verrät, welche Pläne das Team für Hamburg hat.

Mit Leichtigkeit klettert Jan Schot die schmale Metallleiter am Hafenbecken hinunter. Dann schwingt der 66-Jährige sich über die Reling auf den Miesmuschelkutter. Wenige Minuten später legt das Schiff ab, fährt vom Hörnumer Hafen raus aufs Wattenmeer. Dort, wo auch die Muschelbänke der Sylter Miesmuscheln liegen.

Seit etwa zehn Jahren betreibt der Niederländer Jan Schot das „Sylter Muscheln Bistro“ in Hörnum, das mittlerweile auch über die Grenzen der Nordseeinsel bekannt ist. Das kleine Restaurant bietet eine einzigartige Spezialität: Hier gibt es auf der ganzen Insel die einzigen Sylter Miesmuscheln. Frisch vor Hörnums Küste gefischt, werden in dem Bistro in etwa zwei Tagen 300 bis 400 Kilogramm der Meeresfrüchte verarbeitet.

Sylter Miesmuscheln: Viele werden in die Niederlange exportiert

In der Muschelsaison von Juli bis April begleitet der Gastronom regelmäßig auch die etwa 20 Fischer aufs Meer. Insgesamt vier Muschelkutter stehen dem Team zur Verfügung. Alle gehören dem Niederländer Adriaan Leuschel, der einen Großteil des Fangs in sein Heimatland importieren lässt.

An diesem Februarmorgen fährt Schot jedoch nicht beim Muschelfang, sondern bei der „Seesternkontrolle“ mit. 40 Meter lang und sieben Meter breit ist der Kutter, der mehrere Stunden um die Muschelbänke kreist. In der Kommandobrücke lässt Jan Schot sich an einem kleinen Holztisch nieder, blickt aus einem Fenster.

Seesterne sind natürliche Fressfeinde

An der „Steuerzentrale“ des Schiffs steht Artur Jankowski. Er lenkt das Schiff heute. Seesterne seien natürliche Fressfeinde der Muscheln. „Sie haften sich mit ihren Ärmchen an der Schale fest und biegen sie auf“, erklärt der 33-Jährige. Gleichzeitig drücken sie die Atemöffnungen der Muschel zu. Dann stülpen sie ihren Magen in das Innere der Muschel und verdauen sie samt Schale.

Artur Jankowski ist Miesmuschelfischer auf Sylt.
Artur Jankowski ist Miesmuschelfischer auf Sylt. © Alexandra Schrader

Um die Seesterne aus den Muschelgebieten zu entfernen, werden vom Schiff dicken Leinen ins Wasser gelassen. „Die Tiere setzen sich bei der Fahrt daran fest.“ Sobald das Schiff weiter entfernt von den Muscheln ist, werden die Seesterne abgeschüttelt. „Dann können sie dort weiterleben.“

Miesmuscheln legen Millionen von Eiern

Insgesamt dauere es zwei bis drei Jahre bis eine Miesmuschel „geerntet“ werden kann. Jan Schot kennt den Ablauf bis zu diesem Stadium ganz genau. „Im Mai beginnt die Laichzeit“, sagt Schot, der seit über 25 Jahren auf der Insel lebt. Dann schwimmen Milliarden von Eiern im Wattenmeer. Jede Muschel kann in einer Laichzeit zwischen fünf und zwölf Millionen Eier „legen“.

Frische Miesmuscheln sind für viele Menschen eine Delikatesse.
Frische Miesmuscheln sind für viele Menschen eine Delikatesse. © dpa / Christian Charisius

Nach der Befruchtung entwickeln sich Larven. Für die haben die Muschelfischer vor Hörnums Küste „Saatmuschelgewinnungsanlagen“ aufgestellt: Zwei Pfähle ragen aus dem Wasser, dazwischen hängt ein spezielles Netz. „Die kleinen Muscheln setzen sich daran fest“, erklärt Jan Schot.

Junge Muscheln werden auf Muschelbänke umgesiedelt

Wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben, bürsten die Fischer die sogenannten „Saatmuscheln“ ab – und siedeln sie auf die Muschelbänke um. Nach zwei bis drei Jahren auf den Bänken können sie dann mit einem Netz vom Boden abgetrennt werden.

Vom Miesmuschelkutter werden sie dann im Hörnumer Hafen ausgeladen. Ein kleiner Teil wird nur wenige Meter transportiert – und landet direkt im „Sylter Muscheln Bistro“. Die anderen Muscheln werden in die Niederlande verschifft.

In diesem Becken werden die Miesmuscheln vor dem Verzehr gereinigt.
In diesen Säcken werden die Sylter Muscheln gelagert. © Alexandra Schrader | Alexandra Schrader

Die Meeresfrüchte enthalten viele Nährstoffe

In Jan Schots Restaurant kommen die Meeresfrüchte vor dem Verzehr in ein großes Becken. Dort liegen sie eine Nacht im Wasser. „Dabei öffnen sie sich wieder und spucken den Sand praktisch aus“, so Schot. Am nächsten Tag kommen sie dann in die Küche – und werden noch lebendig in den Kochtopf geworfen.

Jan Schot selbst liebt die Meeresfrüchte. „Ich esse so gut wie jeden Tag Miesmuscheln“, sagt er. „Am liebsten nur mit Pfeffer.“ Schließlich sei das ein sehr gesundes Gericht, das viele Vitamine, Mineralien und andere Nährstoffe enthalte.

In diesem Becken werden die Miesmuscheln vor dem Verzehr gereinigt.
In diesem Becken werden die Miesmuscheln vor dem Verzehr gereinigt. © Alexandra Schrader | Alexandra Schrader

Muscheln sind mehrfach zertifiziert

Manche Experten empfehlen, nicht zu oft Muscheln zu essen, da diese das Meereswasser filtern und somit auch Schadstoffe enthalten können. Jan Schot lässt sich davon nicht beirren. Die Miesmuscheln würden penibel untersucht. „Jede Woche müssen wir Muscheln in ein Labor in Neumünster geben, um sie dort auf giftige Stoffe prüfen zu lassen.“ Sonst dürfe er sie nicht verkaufen

Aber nicht alle sind so begeistert von der Muschelfischerei, wie der Kapitän. Die Kritik mancher Naturschützer ist Jan Schot bewusst. Er selbst betitelt seine Methode jedoch als „nachhaltig“. Schließlich hätten die Sylter Miesmuscheln sogar das Bio- und das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council) für nachhaltige Fischerei.

Miesmuschelfang relativ nachhaltig

„Wir überfischen nicht und weil wir unsere eigenen künstlich angelegten Muschelkulturen haben, lassen wir die wilden Muschelbänke in Ruhe.“ In seinen Augen ist das ein guter Kompromiss. „Wenn einer die Natur respektiert, dann sind wir es. Wir leben schließlich davon.“

Auch Christof Goetze, Pressesprecher der Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer bestätigt, dass es zwischen Naturschützern und Fischern gut abgestimmte Kompromisse gebe. Ein Eingriff in die Natur sei die Fischerei natürlich trotzdem. Im Gegensatz zu anderen Muschelfangmethoden sei das Miesmuschelfangen hier jedoch ein eher geringer Eingriff in die Natur.

Könnte es die Muscheln bald in Hamburg geben?

Nach etwa einer Stunde Fahrt, legt der Miesmuschelkutter wieder in Hörnum an. Jan Schot klettert von Bord. Um 13 Uhr öffnet das Muschelbistro – bis dahin muss er noch einiges vorbereiten.

Zum Abschluss verrät Schot noch ein Geheimnis: „Ab Sommer wollen wir vielleicht auch in Hamburg unsere Sylter Miesmuscheln verkaufen.“ Dann könnten die Menschen sich auch in der Hansestadt an der regionalen Leckerei erfreuen. Details stünden aber noch keine fest.