Wenningstedt auf Sylt. Anwohner und Besucher sind alarmiert: Mit schwerem Gerät rücken Arbeiter dem Dünensand an dem luxuriösen Reetdachhaus zuleibe.

Das Haus liegt in allerbester Lage inmitten der Dünen im Südwesten von Wenningstedt auf Sylt. Ein Traum unter Reet, nur einen Steinwurf vom Meer entfernt und direkt an einem belebten Strandzugang. Nachdem die Luxusherberge lange leer stand, wird seit einiger Zeit kräftig gebaut.

Sylt: Villa wurde von Hermann Göring in den Wenningstedter Dünen gebaut

Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches. Als aber in den vergangenen Tagen auf dem Grundstück an der Seestraße plötzlich Bauarbeiter mit schwerem Gerät anrückten und anfingen, den Dünensand umzupflügen, sorgte das für Unruhe bei Insulaner und Besuchern. Schließlich sind Dünen geschützt. Da kann man doch nicht einfach einen Bagger schicken?

Dazu kommt: Es geht nicht um irgendein Reetdachhaus. Dass es auf der Nordseeinsel quasi unter Dauerbeobachtung steht, hat mit seiner unseligen Vergangenheit zu tun. Es gehörte Hermann Göring, führender NS-Politiker und übler Kriegsverbrecher, und seiner Ehefrau Emmy, die es 1935 im Dünengürtel errichten ließ. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Haus lange im Besitz einer Kölner Familie, bevor diese es 2019 zum Verkauf anbot - für zwölf Millionen Euro. Das Geschäft kam offenbar zustande. Der Käufer möchte anonym bleiben und äußert sich nicht öffentlich.

Was es mit den Baggerarbeiten in den Dünen auf sich hat

Die Sorge der Anwohner betrifft vor allem die Außenarbeiten. Nachfrage beim Architekturbüro in Westerland, das das Bauvorhaben betreut. "Wir entfernen die Kartoffelrose auf dem Grundstück", sagt Inhaber Carsten Wieners. Die Unkrautpflanze habe sich auf dem Dünenstreifen stark ausgebreitet und den ursprünglichen Strandhafer verdrängt, so der Architekt. "Das läuft in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde des Kreises Nordfriesland." Die Arbeiten seien sehr aufwendig und kostspielig, weil das Wurzelwerk komplett entfernt werden müsse, bevor neuer Strandhafer angepflanzt werden könne. "Wir agieren ausschließlich im Interesse des Naturschutzes."

Das klingt plausibel, aber ob es die besorgten Anwohner beruhigt, ist offen. Fakt ist, dass für die Baumaßnahmen auf dem Grundstück temporäre Eingriffe in den Dünenkörper bei der untere Naturschutzbehörde beantragt und genehmigt wurden. Das bestätigt Kreissprecher Hans-Martin Slopianka auf Nachfrage. Nach seinen Angaben liegt das Grundstück an der Wenningstedter Seestraße nicht innerhalb eines Landschafts- oder Naturschutzgebietes und auch nicht in einem europäischen Schutzgebiet. Die Dünen dort unterlägen allerdings dem gesetzlichen Biotopschutz.

Sylt: Mit dem Bagger gegen den pflanzlichen Eindringling

Nach Meinung der behördlichen Naturschützer ist die Entfernung der Kartoffelrose (Rosa rugosa), auch Sylt-Rose genannt, zu begrüßen. Solange das außerhalb der Brutzeit stattfindet und die Düne zur Sicherung und Renaturierung wieder mit heimischer, dünentypischer Vegetation bepflanzt wird. Die Begründung: Die Pflanze verdrängt mit ihrem starken und durchsetzungsfähigen Wurzelwachstum heimische Dünenvegetation und beeinträchtigt damit Lebensräume, Arten und Ökosysteme und kann damit der biologischen Vielfalt schaden.

Offenbar eine Win-Win-Situation, denn für die neuen Hausbesitzer der Millionen-Villa hat das ganze Unternehmen einen schönen Nebeneffekt: Der Strandhafer, der in der nächsten Woche gepflanzt werden soll, ist deutlich niedriger als die ausgerissenen Kartoffelrosen, bestätigt auch Architekt Wieners. Das bedeutet nichts anderes als dass - auch wenn die Dünenkontur erhalten bleibt - der Blick auf den großen Fenstern auf der Seeseite besser wird.